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Vernässung Das Schönebecker Problem bleibt in Arbeit

Die leidige Problematik der Vernässung hat der FDP-Ortsverband Schönebeck zum Hauptthema seines Dreikönigstreffens erklärt.

Von Ulrich Meinhard 08.01.2017, 18:17

Schönebeck l Schönebeck hat ein Problem und von dem wissen alle Schönebecker: Das Grundwasser steht vielerorts so hoch, dass es in die Keller drückt. Unterbrochen von der verheerenden Elbe- und Saaleflut im Juni 2013 hält seit Mitte 2011 allerdings eine Periode mit wenig Niederschlägen bis zum heutigen Tag an, die das Problem lindert. Doch diese Phase kann schon morgen vorbei sein. Das Schönebecker Problem vor Augen, bestimmte der Ortsverband der FDP bei seinem traditionellen Dreikönigstreffen am 6. Januar im Hotel Domicil das Grundwasser- und Oberflächenwasser in der Region zum Topthema des Tages. FDP-Ortsverbands-Chef Holger Goldschmidt hatte den Schönebecker Hydrogeologen Dr. Manfred Sichting eingeladen, um in die Materie einzuführen. Das tat der Fachmann denn auch und zwar ausführlich.

Um die Zusammenhänge verständlich zu machen, holt Sichting weit aus und beginnt mit nichts Geringerem als der Entstehung der Erde vor 4,5 Milliarden Jahren. Seitdem gelte, was der griechische Philosoph Heraklit in zwei Worten zusammenfasste: Alles fließt. Alles auf Erden sei einem ständigen Werden und Vergehen unterworfen, betont Sichting. So habe es noch nie ein Klima gegeben und werde es auch keines geben, „das wir exakt definieren können“.

Die Kräfte der Natur verändern die Erde - ständig. Auch heute würden die Wissenschaftler nicht definitiv wissen, ob die letzte Eiszeit tatsächlich vorbei ist oder nur eine Pause eingelegt hat. Modelle gehen von einem Kälteeinbruch ab 2030 aus, „der uns deutlich zu schaffen machen würde“. Zu diesen Naturkräften komme der Anteil, den der Mensch mit seiner Art zu leben hinzufügt.

Andere Szenarien gehen von einem weiteren Abschmelzen der vereisten Polkappen aus, ein Anstieg der Meere um bis zu 70 Meter könnte die Folge sein. Geologisch betrachtet „leben wir nicht auf ewigem Festland in Deutschland, sondern auf einem Meeresschelfgebiet“, also in der Randlage eines Kontinentalgebietes. „Was wir beeinflussen können, ist unser eigenes Verhalten“, hebt Sichting hervor und kommt so in die geologische und gesellschaftliche Gegenwart. Er nimmt den Begriff geologische Störungsquellen in den Mund, die bei der Auffaltung der Alpen entstanden sind und führt zum Erstaunen seiner Zuhörer aus, dass diese unterirdischen Adern durch ganz Europa verlaufen.
So erkläre sich, warum ein Teil des Schönebecker Grundwassers aus Gifhorn komme. Überhaupt liege die Elbestadt wie in einem Tal, wie in einem Trichter, in den sich aus Westen und Süden Grund- und auch Oberflächenwasser ergießen. Einige unterirdische Wasserquellen seien durch Ausspülungen stark mineralisch, im Schönebecker Fall salzhaltig und damit, wie es in der Fachsprache heißt, stark betonaggressiv. Durch die Bebauung auf der Erdoberfläche könne Regen- und Oberflächenwasser nicht mehr ausreichend verdunsten, fließe vielmehr in Mulden ab und führe zu einer Erhöhung des Grundwasserspiegels, zu einem Grundwasserberg unter Schönebeck. Sichting ausdrücklich: „Wir brauchen für Schönebeck Maßnahmen, die müssen konzipiert werden und davon darf nicht abgegangen werden. Auch wenn wir uns nicht auf ewig schützen können: Was technisch machbar ist, muss gemacht werden.“

Zum Beispiel?

„Das Siel in Frohse muss unbedingt kommen. Der Sol-graben muss vertieft und der Abfanggraben an der Bundestraße 246a angelegt werden. Das würde den betroffenen Gebieten erst einmal Luft verschaffen.“

Ein Teilnehmer des Treffens spricht die zu DDR-Zeiten existierenden Melorationsgenossenschaften an, die es heute nicht mehr gibt, stattdessen seien Unterhaltungsverbände gegründet worden, die über maximal drei Mitarbeiter verfügen und die Grabenpfege vernachlässigen würden.

Nein, das seien schon mehr als drei Leute, widerspricht Schönebecks Oberbürgermeister Bert Koblauch, der ebenfalls als Podiumsgast eingeladen ist. Die Gräben seien nach seinem Dafürhalten gut gepflegt.

Dieter Berge aus Sachsenland bemängelt, dass trotz vom Land unterstützter Arbeitsgruppen bis heute noch nichts geschehen sei, „was für die Leute eine entscheidende Wende darstellt. Wir können von Glück sagen, dass der Grundwasserstand jetzt so niedrig ist.“ Er spricht auch die in der 2013 aufgelösten Arbeitsgruppe postulierte Forderung nach einer Tiefendrainage für Felgeleben und Sachsenland und auch Gnadau an. Die würde mindestens 635 000 Euro kosten. „Wer bezahlt das?“

Bert Knoblauch kann an dieser Stelle nur noch einmal die komplizierte Gemengelage erläutern: Bauherr des Abfanggrabens ist nicht die Stadt, die ist vielmehr Teil einer knapp 800-köpfigen Teilnehmergesellschaft, bestehend aus allen Grundbesitzern, über deren Eigentum der Graben verlaufen soll. Mit ins Boot geholt wurden die Gemeinden Barby und Bördeland, die einen Eigenanteil am zu 85 Prozent geförderten Abfanggraben leisten - obwohl der gar nicht auf ihrem Grund und Boden verläuft. Schönebeck, Barby und Bördeland bringen zusammen einen Eigenanteil von 700 000 Euro auf. Calbe hingegen verweigerte eine Beteiligung. Kurzum: Das 4,5 Millionen-Projekt soll nach einer relativ langen Planungsphase 2018 begonnen und 2019 abgeschlossen sein. „Da kann ich mich auf die Hinterbeine stellen und sagen, dass mir das zu lange dauert. Das nützt gar nichts“, sagt Knoblauch.

Abfanggraben wird kein Oberflächenwasser aufnehmen.

Was bei diesem Termin auch noch einmal deutlich wird: Der geplante Abfanggraben mit seinen zwei Pumpwerken an der Röthe und an der Salineinsel wird verrohrt sein und damit kein Oberfächenwasser aufnehmen können, sondern vielmehr das Wasser aus Randel- und Solgraben aufnehmen und an Schönebeck vorbei ableiten zur Elbe. Die Entscheidung für eine Verrohrung sei gefallen, weil diese Variante erstens kostengünstiger ist und zweitens auf diese Weise ein Infiltrieren des Grabenwassers in den Untergrund verhindert wird.

Der Plan für eine Tiefendrainage für Felgeleben und Sachsenland stehe nach wie vor, versichert Knoblauch. „Dafür haben wir ab 2020 Geld in den Haushalt eingeplant.“ Allerdings gelte dieses Vorhaben als eine freiwillige Aufgabe der Kommune, „die also nur zu leisten ist, wenn die Stadt Geld übrig hat“. Der Oberbürgermeister hofft jedoch, dafür Fördermittel locker machen zu können, die Stadt müsse aber auf jeden Fall einen recht hohen Eigenanteil leisten. „Wir nutzen die Friedenszeiten, um voran zu kommen. Es ist nicht so, dass wir schlafen“, so der Verwaltungschef.

Offen ist, wer die Betriebskosten einer Tiefendrainage bezahlen soll, deren Leistung vergleichbar ist mit der eines Wasserwerkes.

Was nun das lange Zeit umstrittene Siel in Frohse angeht, sei sich die Stadt inzwischen mit dem Landesbetrieb für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft einig, diese Anlage als Hochwasserschutzanlage zu realisieren.

Günther Rockmann spricht das Baugebiet Kunstanger an. Er könne nicht verstehen, dass hier wieder gebaut werden darf. So erfolge eine weitere Verdichtung des Erdbodens. Knoblauch darauf: „Der Salzlandkreis als zuständige Behörde teilt unsere Bedenken nicht.“ Und: „Die, die da bauen, müssen wissen, was sie tun. Da hält sich das Mitleid arg in Grenzen.“ Allerdings soll hier ein Entwässerungsgraben angelegt werden.

Für eine Auflockerung sorgen Sternsinger der St. Mariengemeinde, die ein Ständchen vortragen und für arme Kinder in Südamerika um Spenden bitten.