Jochen Küstermann aus Barby hat ein Naturhobby: Im Garten halten Hirsche den Rasen kurz Warum Weibchen "Tiere" genannt werden und der Damhirsch mal wieder Hansi heißt
Jochen Küstermann kennt man in Barby, wenn er als Oberschützenmeister der Herzog-Heinrich-Gilde knackige Befehle erteilt. Doch er hat noch ein anderes, eher verborgenes Hobby: Ein Rudel Damwild.
Barby l "In freier Wildbahn konnte sich der Damhirsch halten, weil er genau so gut riechen und hören und sogar noch viel besser sehen kann als der Rothirsch. Andere Hirsche können einen stillstehenden Menschen nicht erkennen, Damhirsche wohl ...".
Dieses Zitat aus einem Naturlexikon bekam der Fotograf zu spüren, als er zur Salzsäule erstarrt und mit sehr langem Teleobjektiv dem Wild auflauerte. Zwischen Fahrtweg und NP-Supermarkt tummeln sich die scheuen Tiere nahezu unbemerkt in Jochens Küstermanns Pachtgarten. Er ist die Bezugsperson für das Rudel, das sich nur an ihn herantraut. Und auch nur ganz vorsichtig. Sind Fremde in der Nähe, signalisieren die Damwild-Antennen Gefahr.
Auch in freier Wildbahn sind Damhirsche sehr heimlich, scheu und misstrauisch. "Um Wildtiere artengerecht zu halten, schreibt der Gesetzgeber pro Stück 100 Quadratmeter vor", erklärt Jochen Küstermann. Wie er sagt, habe er "acht Tiere und zwei Hirsche".
"Also insgesamt zehn Tiere", wundere ich mich über diese Erklärweise.
"Man nennt die Jägerprüfung nicht umsonst das grüne Abitur"
"Nein, als Tier werden die weiblichen Hirsche bezeichnet", kehrt der 66-Jährige den Jäger heraus. Dessen Fachsprache lässt den Außenstehenden oft nur Bahnhof verstehen.
Bleiben wir zum Beispiel beim Damwild: Allein das Geweih unterteilt sich in Leiste, Haken, Mittelsprosse, Stange, Augsprosse, Rose, Schaufel oder Krebsschere. Der Spiegel ist die helle Fellfärbung am Hinterteil, der Wedel der Schwanz. Was der Pinsel ist, wird aus Gründen der Seriosität dieser Zeitung nicht übersetzt ... Und so geht es weiter mit Dutzenden Begriffen, die nur der Weidmann aus dem Effeff beherrscht.
"Man nennt die Jägerprüfung nicht umsonst das \'grüne Abitur", grinst Küstermann. Er selbst ist Jäger, klettert am Gehegerand auf seinen Hochstand. Der dient nicht der Dekoration, sondern hat Funktion. Wenn nämlich so ein Damwild zur Strecke gebracht werden muss, geschieht das weidmännisch.
Das Dam-Rudel ist also nicht nur dazu da, um schön zu sein und seinem Besitzer pausenlos Freude zu machen. Um den Bestand nicht zu groß werden zu lassen, wird schon mal der Finger krumm gemacht. Als Jäger ist Jochen Küstermann natürlich in der Lage, das Wild aufzubrechen und zu verwerten.
Chef und für die Fortpflanzung zuständig ist Hirsch Hansi, der bereits ein stattliches Geweih trägt. "Seine Tage sind gezählt. Man muss wegen der Inzucht aufpassen", gibt der Barbyer zu bedenken.
"Aber warum heißen eigentlich alle Hirsche Hansi oder Heinrich? Ist das nicht ein bisschen unoriginell?!", will ich wissen. "Jaa", hebt Jochen den Zeigefinger, "aber in diesem Falle ist der Name berechtigt." Denn als er ihn von einem Barbyer Züchter kaufte, schickte jemand den Betäubungspfeil los, der Hans heißt.
Aha.
"Beschlagen ist das Begatten eines brunftigen Tieres durch den Hirsch"
In absehbarer Zeit wird also Hansis Sohn das Beschlagen der Tiere übernehmen. "Ach so: Beschlagen nennt das Jägerlexikon das Begatten eines brunftigen Tieres durch den Hirsch", erklärt Jochen Küstermann vorsichtshalber.
Im Vorfeld musste er einen Antrag beim Landratsamt stellen und sich die Haltung vom Veterinäramt genehmigen lassen. Die Leute vom Amt überprüfen in größeren Abständen auch regelmäßig die artgerechte Haltung.
Normalerweise lautet der Grundsatz, dass Damwild als Nahrung nur braucht, was die Natur anbietet. Weil die Barbyer Wiesenfläche aber nicht mit einem Naturwald vergleichbar ist, füttert Küstermann zu. Futterrüben, Mohrrüben und auch mal knüppelhartes Brot stehen auf dem Speiseplan. Natürlich darf auch ein Salz-Leckstein zum Ausgleich des Mineralstoffhaushaltes nicht fehlen.
Die paar Obstbäume haben es in der ehemalige Gärtnereiplantage dagegen schwer. Das Wild knabbert an ihnen herum oder fegt sich den Bast vom Geweih. Damit der Baumbestand nicht vollkommen zur trostlosen Besenstiel-Sammlung verkümmert, ist Jochen Küstermann scharf auf Kopfweidenverschnitt. Wie Raubtiere die Knochen ihrer erlegten Opfer blitzeblank zurück lassen, so schält das Damwild Holz ab, als sei es maschinell entrindet worden.
Die Tiere können bis zu 20 Jahre alt werden, das Fleisch verwertet man aber nur maximal bis zum 10., 12. Lebensjahr.
Aktivistinnen der Frauenbewegung sollten den nachfolgenden Satz besser überlesen: In erster Linie werden Damkühe über den Jordan geschickt. Die Hirsch Hansis genießen das Privileg, ob ihrer Zeugungsqualitäten noch ein paar Jahre so weiter machen zu dürfen.