Im Fall des Wegzuges der EMS gibt es differierende Ansichten über einen Kompromiss Wenn zwei sich streiten, freut sich Staßfurt
Nach dem Entschluss der EMS GmbH, Schönebeck zu verlassen, gibt es unterschiedliche Ansichten darüber, wie es zu dieser Entscheidung gekommen ist. Die Stadt Schönebeck pocht darauf, dass es rechtlich nicht zulässig sei, die Gewerbesteuer einer Firma auf zwei Städte aufzuteilen. Das hatte Staßfurt vorgeschlagen.
Schönebeck l Die Würfel sind gefallen. Die Erdgas Mittelsachsen (EMS) GmbH wird mit ihrer Verwaltung Schönebeck verlassen und in das Gewerbegebiet Brumby ziehen. Damit könnte das Thema prinzipiell abgeschlossen sein. Ist es aber nicht. Die Stadtverwaltung Schönebeck fühlt sich in der Berichterstattung ungenügend dargestellt. Stadtsprecher Hans-Peter Wannewitz meint, dass nicht alle Zusammenhänge veröffentlicht wurden.
Konkret geht es um die Gewerbesteuer, die die EMS zahlt. Da der Hauptsitz bislang in Schönebeck lag, floss die Steuer (setzt sich zusammen aus Arbeitslöhnen, transportierten Gasmengen und Anlagevermögen) in das Schönebecker Stadtsäckel. Nach der Vergabe der Gaskonzession an die Stadtwerke Schönebeck entschloss sich die EMS, den technischen Bereich nach Brumby zu verlegen, also auf Staßfurter Gebiet. Damit war eine Verteilung der Gewerbesteuer zwischen Staßfurt und Schönebeck zwangsläufig. Im Januar fasste der Aufsichtsrat der EMS den Beschluss, auch mit der Verwaltung nach Brumby zu gehen. Aus Sicht des Gremiums sei ein Standort klar von Vorteil. Die EMS als Gesellschaft unterbreitete daraufhin den Vorschlag an den Aufsichtsrat, den Verwaltungssitz in Schönebeck zu belassen: auch aus betriebswirtschaftlichen Gründen. Schließlich kosten Umzug und Bau des neuen Verwaltungssitzes Geld. Weiterhin würde das Haus an der Schönebecker Karl-Marx-Straße weiter genutzt. Der Aufsichtsrat folgte dem Vorschlag unter der Maßgabe, dass die Städte Schönebeck und Staßfurt einen Kompromiss über die künftige Zerlegung der Gewerbesteuer finden.
"Wir werden uns mit Schönebeck darüber nicht mehr streiten."
René Zok, Oberbürgermeister
Die Stadt Staßfurt hat der Stadt Schönebeck ein Verhandlungsangebot unterbreitet. Das lag den Stadträten auch vor. Die Rede ist darin von einer "Zerlegung des Gewerbesteuermessbetrages". Die Summe, die die Stadt Schönebeck der Stadt Staßfurt an Steuern überlassen solle, ist mit "XX" gekennzeichnet. Auch für den Laien wird klar: Darüber sollte noch verhandelt werden.
Es ist aber nicht verhandelt worden (von einem Gespräch zwischen Vertretern beider Städte abgesehen). Die Stadt Schönebeck legte dem Stadtrat einen Beschlussvorschlag vor, in dem es heißt: "Der Stadtrat stimmt dem von der Stadt Staßfurt unterbreiteten Vertragsangebot ... nicht zu." Als Begründung wird angegeben, dass der Vertrag gegen die Grundsätze der Haushaltsführung verstoße und einem freiwilligen Verzicht auf Gewerbesteuer in sechsstelliger Höhe gleichkomme. Der Stadtrat folgte mehrheitlich der Vorlage.
Die Stadt Schönebeck wirft der EMS sogar eine Drohgebärde vor, nämlich die, nach Brumby zu ziehen, wenn Schönebeck nicht freiwillig auf den "größten Teil der Gewerbesteuer zugunsten Staßfurts" verzichtet.
EMS-Sprecher Frank Sieweck weist das zurück. "Die EMS als Gesellschaft kann das gar nicht. Die Entscheidungen sind im Aufsichtsrat und in der Gesellschafterversammlung gefallen, die ja aus Vertretern von Kommunen besteht, in denen EMS als Netzbetreiber tätig ist. Sie geben die Marschrichtung vor."
Doch was ist mit dem Argument der Stadt Schönebeck, dass eine Zerlegung der Gewerbesteuer auf zwei Städte gegen Recht und Gesetz verstößt? Die Antwort des EMS-Sprechers kommt ohne Zaudern: "Das Gesetz erlaubt in jedem Fall das Führen von Gesprächen beziehungsweise Verhandlungen zwischen den betroffenen Gemeinden. Von einer unabhängigen Steuerberatungsgesellschaft wurde ein Gutachten erstellt, das auf Basis der geltenden Steuergesetzgebung ausdrücklich eine Einigung zur Gewerbesteuerzerlegung zwischen Gemeinden zulässt. Dieses Gutachten liegt der EMS vor und es wurde auch den Städten Schönebeck und Staßfurt zur Verfügung gestellt."
Frank Sieweck bedauert, dass es zu keinen Verhandlungsgesprächen gekommen ist. Er verweist in diesem Zusammenhang auf die Bildung der Salzlandsparkasse in Folge der Kreisgebietsreform, die ja auch aus mehreren Sparkassen unter Beteiligung mehrerer Kommunen entstanden ist. Auch hier muss es logischer Weise eine Einigung über die Aufteilung der Gewerbesteuer an die Städte Schönebeck, Bernburg, Aschersleben und Staßfurt gegeben haben.
Schönebecks Stadtsprecher Hans-Peter Wannewitz lässt sich indes nicht irritieren: "Uns sind die Gründe für den Umzug der EMS nicht plausibel", sagt er und kommt dann zu einer Vermutung: Letztendlich solle Schönebeck wohl dafür bestraft werden, dass der Rat der Stadt die Gaskonzession an einen Mitbewerber vergeben hat. Wannewitz: "Bleiben zum Schluss nur die Fragen: Wer finanziert den unnötigen Neubau des Verwaltungssitzes und die Kosten des Umzuges von geschätzten 1,5 Millionen Euro, vielleicht der Gaskunde? Und wie wirkt sich die geplante Investition auf die Höhe der Gewerbesteuern für die kommenden Jahre aus, auch für die Stadt Staßfurt?"
Apropos Staßfurt. Oberbürgermeister René Zok (parteilos) hat sich in einer Stadtratssitzung enttäuscht über den Schönebecker Stadtrat geäußert. "Es ist nicht das Beschlussergebnis, es ist das Fehlen einer Nachfrage aus dem Stadtrat Schönebeck nach einem Verhandlungsergebnis zwischen beiden Städten." Gestern sagte Zok im Gespräch mit der Volksstimme, dass das Finanzamt "grünes Licht" für eine Zerlegung der Gewerbesteuer gegeben hat. Zok sieht die Stadt Staßfurt übrigens in der Rolle derjenigen, die mit einem Kompromiss auf Gewerbesteuern verzichtet hätte. Das muss Staßfurt nun nicht mehr. Zok: "Wir werden uns mit Schönebeck darüber nicht mehr streiten."
Und der Gas-Kunde zahlt die Zeche, wie von Hans-Peter Wannewitz vermutet? "Die EMS erwirtschaftet Rücklagen, um Investitionen vorzunehmen. Es werden Kredite aufgenommen und bedient. Es wäre aus unternehmerischer Sicht töricht, diese Kosten auf die Schultern der Kunden abzuwälzen", meint Frank Sieweck.
Das letzte Wort soll Kerstin Warnke vom Steueramt der Stadt Schönebeck haben. Auch sie sieht keine rechtliche Möglichkeit einer Zerlegung der Gewerbesteuer und führt als Erläuterung folgendes Beispiel an: "Die Stadt Schönebeck schreibt einen öffentlichen Auftrag aus. Mehrere Unternehmen beteiligen sich, eines bekommt den Zuschlag. Ein ortsansässiges Unternehmen, das den Zuschlag nicht bekommen hat, kann aber in Magdeburg eine öffentliche Ausschreibung für sich entscheiden und erzielt dadurch gute Erträge, so dass auch die Gewerbesteuern steigen. Da dieses Unternehmen seine Betriebsstätte in Schönebeck (Elbe) hat, fließen die Gewerbesteuern an die Stadt Schönebeck (Elbe).
Jetzt meldet sich Magdeburg und fordert von Schönebeck Teile der Gewerbesteuern ein, weil die Ertragssteigerung auf die Vergabe des öffentlichen Auftrags der Stadt Magdeburg zurückzuführen sei. Würden die beiden Städte nun privatrechtliche Vereinbarungen treffen und einen Vertrag darüber schließen, wer welchen Anteil an der Gewerbesteuer bekommt, hat das nichts mit geltendem Steuerrecht zu tun."