Kultur Sehnsüchte und Perspektiven
Vier neue Sonderausstellungen im Stadt- und Bergbaumuseum wollen gesehen werden
Staßfurt
Die Kulturstätte der Salzstadt musste wie andere auch in den vergangenen zwölf Monaten zwei Mal mit längeren Durststrecken klar kommen. Nach den verordneten Corona-Pausen von März bis Mai 2020 sowie seit Oktober 2020 durfte Museumsleiter Michael Scholl nun am Dienstag endlich wieder die Türen und vier neue Sonderausstellungen eröffnen. Ohne großen Bahnhof. Eher in aller Stille. Unter besonderen Hygienevorschriften. Besucherandrang herrscht in normalen Zeiten ohnehin auch nur zu den Eröffnungsveranstaltungen im Museumskeller.
Die zwei Frauen und zwei Männer zeigten sich nun dennoch sehr dankbar, ihre Hobbys der Öffentlichkeit vorstellen zu dürfen, Anregungen zu liefern, vielleicht Gleichgesinnte zu finden.
Der Fotograf
Christian Goeben aus Schönebeck hat sich seit vielen Jahren der Fotografie verschrieben. Unter dem Titel „Eine Frage der Perspektive“ hat der Schönebecker Schwarz-weiß-Fotografien zusammengestellt. Mit unterschiedlichen Motiven aus der Natur, mit Straßenansichten. Makroaufnahmen und auch Panoramen.
Es ist seine erste Ausstellung, und für den 39-Jährigen war die Auswahl allein schon eine interessante Erfahrung. Von etwa 1000 Motiven hängen jetzt etwa 30 im Treppenaufgang des Museums. Ein Erfahrungsgewinn sei nicht zuletzt, wie das Format 60 x 40 auch selbst auf ihn wirkt.
Sein schönes Hobby betreibt der Erzieher seit zehn Jahren intensiver. Die meisten Fotografien, die er nun ausstellt, sind erst im vergangenen Jahr entstanden.
Schon mit Blick auf den Titel seiner Schau habe er seine Umwelt festgehalten, auch unter dem Gesichtspunkt, achtsamer mit ihr umzugehen. Und ihm ist durchaus bewusst: „Unterschiedliche Menschen betrachten ein und dasselbe Motiv auch aus unterschiedlicher Perspektive.“ Da wäre beispielsweise eine noch geschlossene Sonnenblume oder die Bernburger Weltzeituhr ohne Zeiger oder die Edelmannstraße von Schönebeck...
Er ist mit dem Ergebnis jedenfalls schon zufrieden. „Das bestärkt mich, mein Hobby weiterzuverfolgen“, so Christian Goeben, der noch in diesem Jahr eine weitere Ausstellung plant in der Bibliothek Schönebeck – voraussichtlich mit Perspektiven aus seiner Heimatstadt.
Die Malerin
„Malen als Hobby ist für mich keine verlorene Zeit“ hat Magda Götze aus Güsten ihre Ausstellung genannt. Die Ölgemälde sind Erinnerungen von Urlaubsreisen, Abbilder von Fotografien oder von Werken großer Künstler.
Dabei weiß sie meist gar nicht, wie die Titel der Originale heißen, gibt die Güst’nerin zu. „Ich male, was mir gefällt“, sagt die 74-Jährige, und wichtig ist ihr, dass sie Freude daran hat. Beigebracht hat sie sich die richtige Pinselführung übrigens selbst. Gelungen sind die Ergebnisse jedenfalls. Immerhin hat die Hobbykünstlerin in ihrer Tochter Heike Zwerg eine erste ehrliche Kritikerin.
Bemerkenswert ist beispielsweise die Nachbildung von Renoirs „Bal du moulin de la Galette“. Das persönliche Lieblingsbild der Güst’nerin mit dieser fröhlichen Gesellschaft vermittelt nicht zuletzt eine gewisse Sehnsucht. Ebenso Gebirgsmotive oder das Meer. Zur Sammlung von Magda Götze gehört auch die Güstener Ruschemühle.
Ihr Mann habe sie bei einem Besuch des Museums auf die Idee gebracht, doch auch mal eine Ausstellung zu gestalten. Die gelang nun nach dem zweiten Anlauf. Denn einen Tag nach ihrer Premiere im Herbst vergangenen Jahres musste das Museum schließen.
Die Leuchtturm-Sammlerin
Unbestritten macht Ramona Frauendorf mit ihrer Ausstellung ihre große Sehnsucht nach der Küste deutlich. Die Sammelleidenschaft der Magdeburgerin gehört den Leuchttürmen dieser Welt. „Ich bin ein Küstenmensch und Helgoland-Fan“, erzählt sie voller Sehnsucht – verstärkt noch dadurch, weil die Paketzustellerin bereits zwei Mal ihren Urlaub dorthin stornieren musste.
Fast 200 Exemplare von Leuchttürmen hat sie schon – dank auch der Mitbringsel von Bekannten und Verwandten – in allen Größen: vom Ohrring bis zum Deko-Turm von gut einem halben Meter Größe.
Ihre eigenen Regale sind gerade so gut wie leer gefegt, um die Sonderausstellung „Der Leuchtturm als Wegweiser“ in Staßfurt zu bestücken. Nur die Flurgarderobe und eine für den Transport zu schwere Windrose erinnern die 54-Jährige zu Hause noch an ihr Hobby.
Gepackt hat es sie erst vor zwölf Jahren. „Wir waren am Eider-Sperrwerk während unseres Hamburg-Urlaubs“, erinnert sich Ramona Frauendorf, wie es begann.
Die meisten ihrer Leuchttürme leuchten natürlich.
Nicht nur als Ausstellerin hofft sie nun, dass möglichst viele Besucher ihre Begeisterung teilen. Denn die Magdeburgerin ist seit drei Jahren ehrenamtliche Museumsmitarbeiterin. „Von der Kundschaft, die ich hier im Raum Staßfurt beliefere, haben sich zumindest schon einige angesagt.“
Der Glaskugel-Sammler
Schon als Kind faszinierte ihn eine Glaskugel, in der eine Blume eingeschlossen war. Als Olaf Palasik später auf einem Flohmarkt wieder so ein Deko-Stück in der Hand hielt, hatte er ein neues Hobby. Mittlerweile zählt seine Sammlung etwa 250 Glaskugeln.
Sie stammen größtenteils aus Europa. „Besonders sind sie in Großbritannien, aber auch in den USA verbreitet“, weiß der Berufskraftfahrer. In Deutschland sei das Hobby noch recht jung. Vielleicht 40 Jahre. „Internet-Foren dazu gibt’s hier leider noch nicht“, bedauert der Sammler, „Gerade, wenn man mal tauschen will.“
Deshalb findet es der Magdeburger toll, dass es solche Möglichkeiten wie im Staßfurter Museum gibt, „wo nicht Hochkultur das Maß der Dinge ist, sondern wo jeder betrachten und Freude dabei empfinden kann – auch ohne große Vorbildung“.
„Geheimnisvolle Welten aus Glas“ überschreibt der Magdeburger seinen Beitrag im Quartett der neuen Sonderausstellungen in der Salzstadt.
Und auch er hofft, dass die Ausstellung nun möglichst in der Zeit wie geplant bis 6. Mai zu sehen sein wird. Denn vor fast genau einem Jahr, als sonntags die Ausstellungseröffnung sein sollte, musste sie zwei Tage zuvor abgesagt werden. Seine Glaskugeln „überwinterten“ im Büro von Michael Scholl.
Und auch der will die Museumsfreunde nicht wieder vor den Kopf stoßen müssen. „Wir sind doch kein Supermarkt. Hier herrscht kein Besucherandrang. Wir haben ein Hygienekonzept“, betont Scholl.