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Suchtberatung An jeder Ecke gibt es Drogen

Die Suchtberatungsstelle in Staßfurt berichtet über einen Anstieg bei den Drogenkonsumenten.

Von Franziska Richter 16.04.2016, 01:01

Staßfurt l In die Beratungs- und Behandlungsstelle für Suchtkranke der Arbeiterwohlfahrt (AWO) in Staßfurt kommen Menschen, die ihrer Drogen-, Alkohol-, Spiel- oder Esssucht entkommen wollen. Die Dunkelziffer der Konsumenten ist natürlich höher.

Die Suchtberaterinnen Katja Obendieck und Melanie Leppek beobachten einen Anstieg bei den illegalen Drogen. Auch wenn die Beratungsstelle mit ihren Sprechzeiten seit ihrer Eröffnung im Dezember 2014 nach wie vor immer ausgebucht ist, lässt sich in Staßfurt mittlerweile die Hälfte der Klienten wegen einer Drogenabhängigkeit beraten (38 von 80 Fällen in 2015). In Aschersleben ist es „nur“ ein Drittel. „Fast der gesamte Anteil der illegalen Drogen entfällt auf Amphetamine, ganz weit vorn Crystal Meth, auch Speed und Ecstasy“, erklärt Katja Obendieck.

Ihre Hypothese: „Vor etwa zwei Jahren war diese große Crystal Meth-Welle in Deutschland. Die schweren Folgen wie der körperliche Verfall, Leistungsabfall, Depressionen, hohe Risikobereitschaft und Verhaltensauffälligkeiten stellen sich erst nach ein, zwei Jahren ein. Die Konsumenten von Crystal Meth kommen erst jetzt in der Suchtberatung an.“ Warum der Anteil in Staßfurt höher ist als etwa in Aschersleben, ist kaum eruierbar. Hohe Arbeitslosigkeit und Perspektivlosigkeit sind Situationen, die nicht nur auf Staßfurt zutreffen. Für den ländlichen Raum insgesamt sei der Amphetamin-Konsum typisch. Heroin und Kokain seien auf dem Rückzug, werden fast nur noch in Großstädten nachgefragt und sind auch viel teurer in der Beschaffung.

Nach Amphetaminen kommt Cannabis, das gerade von Jugendlichen verharmlost und als soziales Ritual wahrgenommen wird, nach dem Motto: Kiffen gehört zu jeder guten Party dazu. Die andere, größere Hälfte der Süchtigen, die in Staßfurt behandelt werden, sind Alkoholiker. 53 Prozent an neuen Klienten 2015 sind betroffen.

Besorgniserregend ist das immer jüngere Alter, das Drogenkonsumenten heute vorweisen. Bei den bis 22-Jährigen sei ein tendenzieller Anstieg zu beobachten. Katja Obendieck berichtet von Klienten ab 13 Jahren, die von Schule oder Eltern in die Beratungsstelle geschickt werden. Sie erklärt die Altersstrukturen: „Der Anteil der 28- bis 34-jährigen Konsumenten ist um 17 Prozent gestiegen. Die 22- bis 27-Jährigen sind jedoch die Hauptkonsumenten.“

Die Suchtberaterin berichtet aus den Gesprächen: „Es scheint hier Drogen an jeder Ecke zu geben. Man wird direkt angesprochen, aktiv suchen müsse man nicht. Die Klienten berichten, dass es schwierig sei clean zu bleiben, weil man ständig angesprochen wird und die Versuchung immer präsent ist.“ Es gebe bestimmte Treffpunkt, auch Straßen bei Schulen seien stark frequentiere Punkte für Dealer.

Noch eine Beobachtung hat die Suchtberatungsstelle gemacht: „Der typische Alkoholiker stirbt langsam aus“, sagt Katja Obendieck. Heute geht die Tendenz eher zum Mischkonsum, also eine Kombination aus Drogen- und Alkoholkonsum. Jugendliche tendieren dabei eher entweder zu alleinigem Drogenkonsum oder zur Mischung von Drogen und Alkohol, ältere Menschen hingehen eher zu Alkohol allein oder Drogen und Alkohol.

Meist in mehreren Beratungsstunden, in denen auch Ansätze der systemischen und Familientherapie angewandt werden, werden Menschen in der Staßfurter Suchtberatungsstelle auf dem langen Weg zur Heilung begleitet. Eine Selbsthilfegruppe, die sich donnerstags ab 17 Uhr (Bodestraße 11) trifft, unterstützt die derzeit 15 Mitglieder zusätzlich. Die „Erfolgsquote“ der Suchtberatungsstelle ist hoch: Nur zirka zehn Prozent der Menschen, die 2015 zum ersten Mal in die Beratungsstelle kamen, ließen sich nie wieder blicken. Alle anderen kamen wieder und versuchten den „Neuanfang“.

Die Beratungsstelle in Staßfurt: Bodestraße 11, 03925/3294473

Öffnungszeiten: Mo 10 bis 13, 14 bis 18.30 Uhr, Die 10 bis 15 Uhr, Do 10 bis 13 Uhr, 14 bis 16.30 Uhr und nach Vereinbarung

Die Selbsthilfegruppe (für alle Arten von Suchtkrankheiten) trifft sich donenrstags ab 17 Uhr dort. Eine Selbsthilfegruppe für Angehörige von Süchtigen soll aufgebaut werden - wer daran Interesse hat (anonym), kann in der Suchtberatungsstelle anrufen.