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Ameos Chirurgie in kommunaler Hand?

Eine Chirurgie wäre eine Voraussetzung dafür, dass in Staßfurt eine Notaufnahme wiederhergestellt wird.

16.08.2019, 23:01

Staßfurt l In den Diskussionen um die medizinische Versorgung nach der geschlossenen Notaufnahme am Staßfurter Krankenhaus bringt der Klinikbetreiber Ameos einen neuen überraschenden Vorschlag. Um eine Abteilung für Chirurgie – eine der gesetzlich notwendigen Standards bei der Vorhaltung einer Notaufnahme – wieder herstellen zu können, will Ameos die Stadt in die Pflicht nehmen.

Ameos schlägt vor, dass die Stadt Staßfurt eine GmbH zum Betrieb der Chirurgie oder Unfallchirurgie gründet. Im Gegenzug bekommt die Stadt die Flächen im Krankenhaus kostenfrei von Ameos zur Verfügung gestellt. Nach der Prüfung würde Ameos mit der Stadt im Ministerium die Idee vorstellen und bei der Umsetzung helfen. Würde heißen: Staßfurt übernimmt selbst den organisatorischen und finanziellen Aufwand für eine Chirurgie.

Dieses gedankliche Modellprojekt erwischt auch die Stadt kalt. „Ich bin sehr überrascht von der Mail“, sagt Oberbürgermeister Sven Wagner (SPD). „Die Anfrage kam sehr überraschend.“ Wie die Stadt mit dem Vorschlag umgeht, ist offen. Klar ist aber: „Das ist nicht unser Kerngeschäft und nicht unsere Kernkompetenz. Der Vorschlag ist nicht realistisch“, so Wagner.

Zehn Vollkräfte, so schätzt es Ameos selbst ein, wären nötig, um eine Chirurgie in Staßfurt wieder aufzubauen. Der Klinikbetreiber sieht es als Herausforderung, diese Stellen zu besetzen. Ameos selbst sieht diesen Weg kritisch. „Eine Chirurgie in Staßfurt wäre erheblich Risiko behaftet“, sagt Lars Timm, Regionalgeschäftsführer bei Ameos Ost. „Die Größe Staßfurts ist für ein Krankenhaus der Grund- und Regelversorgung ein erhebliches Problem. Bundespolitisch ist das auch so nicht vorgesehen. Es würde zu wenig Behandlungsfälle geben, um zukunftsfähig arbeiten zu können.“ Was eine Chirurgie in Staßfurt kosten könnte? „Pro Jahr etwa zwei Millionen Euro“, informiert Timm.

Stadtchef Wagner hat zugleich Kontakt aufgenommen zur Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen-Anhalt (KVSA), um zu erfragen, wie die Chancen stehen für den Vorschlag. „Da wurde mir signalisiert, dass das illusorisch sei. Der Planungsbereich ist derzeit gesperrt“, sagt Staßfurts Oberbürgermeister.

Daher verbietet es sich laut Wagner auch, darüber nachzudenken, wie das konkret umgesetzt werden könnte. „Zum jetzigen Zeitpunkt brauchen wir nicht darüber zu reden, wie das finanziert werden soll“, sagt er. Es würde mit Steuergeldern gewirtschaftet, die einen bestimmten Zweck verfolgen. Dieser neue Zweck müsste erst einmal erfunden werden. Mit der Betreibung einer Chirurgie hat die Stadt Staßfurt keine Erfahrung. Wagner nimmt den Vorschlag aber mit. „Ich werde das in der nächsten Sitzung unserer AG Ameos-Klinikum in die Runde einbringen“, erklärt er. Wann das nächste Treffen stattfindet, ist noch offen. Die Terminfindung läuft.

Am 1. August waren die Parteien des Stadtrats, der Oberbürgermeister und zwei Vertreter von Ameos erstmals zusammengekommen, um die weitere Vorgehensweise zu besprechen. Hier sprachen sich Wagner und alle Parteien dafür aus, sich bei der Krankenhausplanung des Landes Sachsen-Anhalt für eine Wiederherstellung der Chirurgie und damit für die Wiederherstellung der Standards für eine Notaufnahme einsetzen zu wollen.

Ameos signalisierte da bereits, dass es von Seiten des Klinikbetreibers keine Unterstützung bei einer chirurgischen Abteilung in der Hand von Ameos geben wird. „„Wir wollen weiter auf Realitäten in der Krankenhausfinanzierung in Deutschland aufmerksam machen“, sagt Lars Timm. Und die Realität ist, dass die Standards für eine Notaufnahme in Staßfurt nicht mehr erfüllt sind und eine Wiederherstellung ein wirtschaftliches Risiko wäre.

Laut der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen-Anhalt (KVSA) handelt es sich  bei der Idee vom privaten Klinikbetreiber Ameos um eine stationäre Form der medizinischen Versorgung. Dies falle nicht in den Zuständigkeitsbereich der KVSA.

Für die vertragsärztliche Versorgung sei die Situation aber folgendermaßen: „Der Planungsbereich Salzlandkreis ist für die Neuzulassung von Chirurgen gesperrt. Dies ergibt sich aus den strengen gesetzlichen Regelungen, die in der vertragsärztlichen Bedarfsplanung angewendet werden", teilt die KVSA mit. „Es wird festgelegt, wie viele Ärzte einer Arztgruppe benötigt werden, um eine angemessene Versorgung der Patienten zu erreichen. Die Chirurgen werden gemeinsam mit den Orthopäden beplant. Bei dieser Arztgruppe geht der Gemeinsame Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen (Normengeber) von einer angemessenen Versorgung aus, wenn je 15.479 Einwohner ein Arzt zugelassen ist."

Eine Öffnung des Planungsbereiches im Salzlandkreis ist nicht absehbar. In Staßfurt gibt es eine Gemeinschaftspraxis für Chirurgie/Unfallchirurgie mit zwei zugelassenen Ärzten. Dazu sind zwei Orthopäden in Einzelpraxen in Staßfurt tätig. „Ein Vertragsarzt hat im Rahmen seiner ambulanten Tätigkeit auch die Möglichkeit, seine Patienten in einem Krankenhaus stationär zu behandeln, wofür im Landeskrankenhausplan eine Belegabteilung vorgesehen ist", teilt die KVSA weiter mit.

„Wer Belegarzt werden möchte, muss entsprechende Voraussetzungen nachweisen, um eine solche Genehmigung zu erlangen. Ein Belegarzt ist ein Vertragsarzt, der aufgrund eines Vertrages mit einem Krankenhaus eine bestimmte Anzahl von Betten in diesem Krankenhaus belegen und die darin untergebrachten Patienten behandeln darf." Dieser sei kein Angestellter des Krankenhauses.

Auch hier gebe es keine grundsätzlich geltenden Vor- oder Nachteile. In Staßfurt am Krankenhaus wird dies laut Kassenärztlicher Vereinigung Sachsen-Anhalt von zwei HNO-Ärzten in dieser Weise praktiziert.

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