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Ameos Neuer Unmut durch fehlendes Geld

Ameos-Mitarbeiter warten auf die im Juli vereinbarten Gehaltssteigerungen. Ameos gibt technische Gründe an. Das bezweifeln Betriebsräte.

25.09.2020, 10:24

Aschersleben/Bernburg/Halberstadt/Haldensleben/Schönebeck/Staßfurt l Die Erleichterung im Juli war groß. Nach vielen Monaten mit kräftezehrenden Verhandlungen hatten sich die Gewerkschaften Verdi und Marburger Bund mit Krankenhausbetreiber Ameos auf Gehaltssteigerungen geeinigt, die rückwirkend zum 1. Mai in Kraft treten sollen. Der eine oder andere Mitarbeiter atmete auf.

Nach über zwei Monaten sind aus Fragezeichen aber heftige Unmutsbekundungen geworden. Die Frage, die an den Häusern in Aschersleben, Bernburg, Haldensleben, Schönebeck und Staßfurt herumgeht, ist: Wann kommt denn die vereinbarte Gehaltssteigerung? Regionalgeschäftsführer Frank-Ulrich Wiener teilt mit: „Aus Gründen der technischen Umsetzung konnte die Auszahlung nicht wie geplant erfolgen. Die systemseitige Anlage der Veränderungen bei unserem Abrechnungsdienstleister nimmt deutlich mehr Zeit in Anspruch als erwartet.“

Der Unmut unter den Angestellten ist groß. „Die Mitarbeiter fühlen sich betrogen“, sagt ein Betriebsrat. „Es hieß, dass die Zahlung im August oder September erfolgt. Es scheint, dass Ameos Zeit schinden möchte und eine Verzögerungstaktik fährt. Möglicherweise soll die Belegschaft kleingehalten werden.“ Die Betriebsräte haben ebenfalls die Info, dass es technische Probleme gibt. „Daran glaubt aber keiner. Da hängt mehr dran.“

An mehreren Häusern hätten Krankenschwestern Kündigungen eingereicht. „Es gab Kündigungen“, bestätigt Andreas Rossa, Betriebsratsvorsitzender beim Klinikum Aschersleben-Staßfurt. „Und es werden weitere Kündigungen folgen. Wir sind alle gespannt wie ein Flitzebogen, ob mit der nächsten Abrechnung das Geld ausgezahlt wird. Mein Bauchgefühl sagt mir, dass das nicht passieren wird. Warum kann ich aber nicht sagen.“

Frank-Ulrich Wiener teilt mit, dass die Anpassung der Gehälter „mit der nächsten Abrechnung“ erfolgen soll. Weil die Abrechnung September systembedingt bereits abgeschlossen sei, würde die Auszahlung in der nächsten Abrechnung erfolgen. Also Ende Oktober. Ein Betriebsrat sagt, dass bereits im Mai feststand, wie hoch die Gehaltssteigerungen und die Einmalzahlungen ausfallen werden. „Es ging danach nur noch um Inhalte. Man hätte im Hintergrund die Umstellung vorbereiten können. Man fühlt sich von vorne bis hinten verarscht.“

Die Gewerkschaft Verdi möchte die September-Abrechnung abwarten. „Verzögerungen bei der Auszahlung sind nicht ungewöhnlich. Die Umstellung der Lohnsysteme kann bis zu drei Monate dauern“, sagt Verdi-Verhandlungsführer Bernd Becker. Die Tarifparteien hätten im Juli ein Ergebnis erzielt, es gelte Friedenspflicht. Am 15. Oktober findet die nächste Verhandlungsrunde mit Ameos statt. Verdi setzt sich weiter für einen Tarifvertrag ein.

Eine Sonderrolle spielt das Ameos-Krankenhaus Halberstadt. Hier hat das Bundesarbeitsgericht im Februar in letzter Instanz 16 privaten Klägern Recht gegeben, die auf dynamische Gehaltsanpassungen für den Haustarifvertrag geklagt haben. Dazu kommen mehrere Dutzend weitere Klagen über die Gewerkschaft. Auch diese Mitarbeiter warten auf gerichtlich festgestellte Gehaltsanpassungen. Wiener: „Auch in Halberstadt bestehen technische Herausforderungen auf Grund der komplexen Struktur des Sachverhaltes und der zu ermittelnden Daten, die weit in der Vergangenheit und in einem anderen, alten Abrechnungssystem liegen. Die Ermittlung der korrekten Daten nimmt so deutlich mehr Zeit in Anspruch als erwartet. Auch hier gehen wir von einer zeitnahen Erledigung aus.“

„Es heißt, dass Ameos aus Daten von 2014 nicht zurückgreifen konnte“, sagt ein Betriebsrat. „Spätestens im November solle die richtige Eingruppierung erfolgen.“ Für die Angestellten in Halberstadt sind Zahlungen nach angepasstem Haustarifvertrag seit 2014 offen. Mitunter fehlen Mitarbeitern jeden Monat zwischen 650 und 700 Euro. Aufsummiert seit 2014 bis zu 30.000 Euro. Dazu kommen Verzugszinsen, die aufsummiert weitere mehrere Tausend Euro ausmachen. Mittlerweile hätten laut einem Betriebsrat langjährige Mitarbeiter gekündigt, die seit 30 bis 35 Jahren im Krankenhaus arbeiten.

Die Volksstimme fragte Wiener, ob Ameos für diesen Fall Rückstellungen gebildet hat und wie hoch die noch ausstehenden Zahlungen sind. Beide Fragen ließ Wiener unbeantwortet.

Im Salzlandkreis entsteht zudem Unmut durch ein Schreiben, das im August an die Lohnzettel gehängt wurde. Dieses der Volksstimme vorliegende Schreiben ist überschrieben mit: „Erklärung zur Prozessvereinbarung am 16. Juli.“ Mit der Prozessvereinbarung ist die Einigung aus dem Juli gemeint.

Die Erklärung soll bis 30. September unterschrieben werden. Die Angestellten sollen dabei ankreuzen, ob sie „Forderungen auf der Grundlage des Tarifwerks der Vereinigung kommunaler Arbeiter geltend gemacht haben“. Sprich: Ob sie vor Gericht auf eine dynamische Anpassung ihres Gehalts geklagt haben. „Wir haben keine Ahnung, was Ameos damit bezweckt. Es müsste in den Akten eigentlich vermerkt sein, wer Ansprüche geltend macht“, sagt ein Betriebsrat. „Wir befürchten, dass die Angestellten sich selbst ins Knie schießen und Ansprüche aus der Einigung verlieren.“ Nach Rücksprache mit den Anwälten hätten alle Betriebsräte in den verschiedenen Häusern geraten, nicht zu unterschreiben.

Ameos hatte im Juli mitgeteilt, dass die vereinbarten Gehaltserhöhungen für alle Mitarbeiter gelten würden. Also auch für jene, die vor Gericht um eine dynamische Anpassung kämpfen. Verlieren jene Mitarbeiter den Anspruch auf die Gehaltserhöhung aus dem Juli, wenn sie die „Erklärung zur Prozessvereinbarung“ unterschreiben? Frank-Ulrich Wiener teilt dazu mit: „Die Prozessvereinbarung sieht einen Geltungsbereich vor. Dies zu regeln ist üblich und von den Verhandlungspartnern so konsentiert. Die Nachfrage bei den Mitarbeitenden diente der Zuordnung der Mitarbeitenden in den Geltungsbereich. Dies ist zur technischen, systemseitigen Anlage der neuen Vergütungen notwendig.“ Es seien also technische Gründe. Das wiederum glauben die Betriebsräte nicht. „Nach sieben Jahren Verarsche traut man dem Arbeitgeber nicht mehr“, sagt einer.

Zur Kritik an der Kommunikation teilt Wiener mit: „Alle Mitarbeitenden wurden entsprechend informiert. Jeder Mitarbeitende hat die Gelegenheit sich bei weiteren Fragen an seinen Vorgesetzten zu wenden und wird alle nötigen Informationen erhalten. Von mangelnder Kommunikation kann hier keine Rede sein. Die Inhalte unserer Kommunikation anzuzweifeln ist Spekulation und entbehrt jeglicher Grundlage.“

Sollte Ameos auch in den nächsten Monaten die Gehaltssteigerungen im Salzlandkreis und in Haldensleben nicht auszahlen, haben die Mitarbeiter die Möglichkeit, diese Ansprüche geltend zu machen und den Arbeitgeber offiziell abzumahnen. Dann geht es vor Gericht. Im Juli hatte Ameos sich mit Verdi rückwirkend zum 1. Mai auf drei Prozent mehr Lohn für die Mitarbeiter im Salzlandkreis und Haldensleben geeinigt. Im Jahr 2021 steigen die Gehälter im Salzlandkreis zweimal um 2,5 Prozent, in Haldensleben zweimal um 2,8 Prozent. Dazu kommen im Salzlandkreis zwei Einmalzahlungen in Höhe von 350 Euro. In Haldensleben gibt es zwei Einmalzahlungen in Höhe von 400 Euro.