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Buslinienverkehr Millionen für alte Busse?

Die Gesellschaft des Salzlandkreises will Busse anschaffen, die zu alt und umweltschädlich erscheinen. Und sie versucht, Fahrer abzuwerben.

04.03.2020, 01:00

Hecklingen/Bernburg l Die Kreisverkehrsgesellschaft KVG braucht ab August 2020 mehr Busse, wenn sie Haubolds Linien im Raum Staßfurt, die etwa ein Viertel des Busverkehrs ausmachen, übernehmen will. Dann soll der ganze Busverkehr im Salzlandkreis von der KVG abgedeckt werden.

Um das zu schaffen, soll trotz schlechter Finanzlage des Salzlandkreises wieder viel Geld ausgegeben werden. Im Wirtschaftsplan der KVG 2020 (liegt der Volksstimme vor) steht: „Der Investitionsplan sieht für das Jahr 2020 die Anschaffung von 22 Fahrzeugen mit einer Gesamtinvestition in Höhe von  2.533,3 TEUR vor.“ Die 2,5 Millionen Euro im Jahr 2020 sollen hauptsächlich über einen Kredit finanziert werden. 2021 und 2022 plant die KVG noch einmal je 1,2 Millionen Euro Investitionen für Busse ein.

Die Investitionen der KVG stehen im Haushalt des Kreises für 2020. Absegnen müssen die Kommunalpolitiker die Ausgaben für die neuen Busse, wenn der Haushalt für den Salzlandkreis 2020 beschlossen wird. Das ist aktuell aus anderen Gründen noch nicht so weit und kann sich noch eine Weile hinziehen.

Von den 2,5 sind 2 Millionen Euro für einen neuen Bus und 20 gebrauchte Busse vorgesehen. Das geht aus der aktuellen Ausschreibung der Kreisverkehrsgesellschaft für die Fahrzeuge hervor, die im Februar veröffentlicht wurde. Wofür die restlichen 0,5 Millionen Euro sind, ist nicht ersichtlich.

Landrat Markus Bauer (SPD) lässt die Volksstimme-Anfragen, wie er die 2,5-Millionen-Euro-Investition sowie die Zahlung des Zuschusses an die KVG über zehn Jahre von insgesamt maximal 57 Millionen Euro trotz Alternative und schlechter Finanzlage des Kreises und seiner Kommunen verantworten kann, weiter unbeantwortet.

In der Ausschreibung heißt es: „Die Auftraggeberin beabsichtigt, den Erwerb eines gebrauchten Gelenkbusses (Los 1) sowie von bis zu 20 gebrauchten Standard-Linienbussen (Los 2). Hersteller: EvoBus, MAN, Solaris, Setra oder Neoplan“ und „Lieferung bis spätestens 31.07.2020“ sowie „Geschätzter Gesamtwert ohne Mehrwertsteuer: 2.000.000 EUR“. Das Datum Ende Juli würde der Übernahme des kompletten ÖPNV inklusive Staßfurt ab August entsprechen, wenn der Kreistag heute zustimmt.

Torsten Haubold, der als Inhaber des privaten Busunternehmens RVS in Hecklingen, auch den Auftrag für den ÖPNV im Salzlandkreis haben will, sagt zu dieser Ausschreibung: „Was sollen das für Busse sein? Diese werden weder Niederflur noch Euronorm haben.“ Denn wenn man die Gesamtsumme durch so viele Busse teilt, kommt beim Stückpreis wenig heraus.

Haubold erklärt: „Somit liegen die durchschnittlichen Anschaffungskosten je gebrauchten Bus bei 90.000 Euro und für den Gelenkbus bei 200.000 Euro.“ Das wird aber schwierig, wenn sich die KVG an die Richtlinien für den ÖPNV halten will. Denn laut den geltenden Kriterien im Salzlandkreis dürfen gebrauchte Busse maximal 650.000 Kilometer gefahren und dürfen maximal zwölf Jahre alt sein.

„Das entspricht nicht den Qualitätskriterien für den ÖPNV. Für mich heißt das, dass die gebrauchten Busse, die hier gekauft werden sollten, die aktuell geltende Abgasnorm, derzeit Euro VI, gar nicht erfüllen werden“, vermutet Haubold.

Dass die Gebrauchtbusse den Standards eventuell nicht gerecht werden, deutet die KVG in ihrem Plan sogar selbst an. Dort heißt es: Man müsse warten, wie hoch das konkrete Fahrzeugalter der neuen zu kaufenden Busse sein wird: „Erste Prognosen deuten darauf hin, dass der aktuelle Zielwert des öffentlichen Dienstleistungsauftrags in Anlehnung zum § 8 ÖPNVG LSA nicht erreicht werden. Welche Qualitätsvorgaben zur Leistungserstellung ab 1. August 2020 gelten sollen, ist derzeit nicht bekannt.“

Im Gesetz zum ÖPNV Sachsen-Anhalt ist vorgeschrieben, dass Busse im Fuhrpark eines ÖPNV-Unternehmens im Durchschnitt maximal acht Jahre alt sein dürfen und dass 80 Prozent der Busse jünger als zwölf Jahre alt sein sollen.

Eigentlich muss jedes Busunternehmen Strafzahlungen leisten, wenn die Abgasnorm nicht eingehalten wird. Pro Einsatztag des Busses sind das 100 Euro. Wenn neue oder gebrauchte Busse für den ÖPNV zugelassen werden, werden auch Abgasnorm und Co. kontrolliert und die Strafzahlungen angeordnet. Die Überschreitung der Abgaswerte würden für die 21 gebrauchten Busse mal rund 250 Einsatztage mal 100 Euro Strafzahlung bei der KVG eine jährliche Strafzahlung von rund 525.000 Euro ergeben.

Die KVG braucht auch mehr Busfahrer, wenn sie ab August auch Haubolds Gebiet in Staßfurt übernehmen sollte. Im Jahr 2019 hat die KVG 106 Stellen, die 108 Busfahrern entsprechen. In diesem Jahr soll die Anzahl auf 121 Busfahrer ansteigen, 2021 will man bei 139 Busfahrern angekommen sein. Das sind ganze 31 Busfahrer mehr. Unter anderem hat die KVG Stellenanzeigen auf ihrer Webseite am 7. Februar veröffentlicht.

Haubold berichtet aber auch von Abwerbeaktionen seines Personals: In sozialen Netzwerken soll die KVG angekündigt haben, man werde den ÖPNV 2020 komplett übernehmen und er könne dichtmachen. Fahrer der KVG schickten WhatsApp-Nachrichten an Haubolds Fahrer – man kennt sich untereinander - mit der Aufforderung, sich zu bewerben (Nachrichten liegen vor). Ein Fahrer der KVG schreibt an Haubolds Fahrer zum Beispiel „Bei Haubold ist somit zum 1.8. Schicht im Schacht, keine Linie mehr da“ und rät, sich bei der KVG zu bewerben, sonst stehe der Gang aufs Arbeitsamt an. Haubolds Fahrer bestätigen die Abwerbeaktionen gegenüber der Volksstimme.

Das sorgte für Wirbel. Bei einer Mitarbeiterversammlung musste Haubold seine Fahrer erst einmal beruhigen.

Auffällig ist im Stellenplan der KVG, dass 2021 und 2022 139 Busfahrer angestellt sein sollen. 2021 entspricht das noch 137 Stellen, es gehen also fast alle Busfahrer Vollzeit arbeiten. 2022 entspricht das im Stellenplan aber auf einmal nur noch 106 Stellen.

Eine Schlussfolgerung wäre: Die alten und/oder die neu eingestellten Fahrer werden also nur noch 30 Stunden die Woche arbeiten gehen. Damit sinkt nicht nur das Gehalt der Mitarbeiter, irgendwo muss etwas reduziert werden müssen. Nur was?