Chemiefabrik Zurück zu den Wurzeln

Es laufen die Bauarbeiten für das 110 Millionen teure Salzwerk in Staßfurt. Mit dem neuen Standbein setzt Ciech große Maßstäbe.

06.11.2019, 23:01

Staßfurt l Klopf, klopf. Wer ist denn da? Ein neuer Mitarbeiter? In der Tat. Zur Mittagszeit streckten zwei Menschen ihre Köpfe in das Büro von Mario Walke. Etwas schüchtern stand die Dame kurz in den Räumen des Betriebsleiters des neuen Salzwerks. Nach einem kurzen Plausch vertröstete der Chef seine Mitarbeiterin auf den Kaffee in der Küche und lachte dabei, er selbst wäre noch im Termin.

Freilich ist Mario Walke ein viel gefragter Mann und es tut sich viel bei ihm. Wie generell bei Ciech in Staßfurt. Seit Februar 2018 ist der Dessauer der Chef der noch im Aufbau befindlichen neuen Sparte beim Chemieunternehmen in Staßfurt. Ciech baut am Butterwecker Weg ein neues Salzwerk. Stattliche 110 Millionen Euro werden dabei verbaut, es entstehen 130 neue Arbeitsplätze samt 30 Azubis.

Salzwerk, was heißt das eigentlich? Tatsächlich ist es so, dass in Staßfurt wohl schon Ende 2020 eine neue Produktionsstätte für Salz in Betrieb gehen soll. Salztabletten, Pharmasalz, Speisesalz, Futter- und Industriesalz sowie Nass- und Trockensalz werden an historisch bedeutsamer Salzstätte hergestellt. „Staßfurt kehrt also zu seinen Wurzeln zurück“, erklärt Mario Walke. Salzgewinnung an der Wiege des Kalibergbaus Staßfurt reicht bis ins Mittelalter zurück. „Wir setzen eine jahrhundertealte Tradition fort.“ Für Ciech ist die Salzgewinnung ein neuer Schritt, den das Unternehmen bewusst in Staßfurt geht. Neben der Soda- und Natronherstellung erweitert Ciech also die Palette um ein drittes Standbein. „Wir wollen produktspezifischer arbeiten“, erklärt Werksleiter Sodaproduktion Frank Pommerenke.

Erste Ideen dazu gab es bereits vor einigen Jahren, konkreter wurde es ab 2017. Im Oktober 2018 segnete der Stadtrat die Erweiterung des Industriegebietes 200 Meter nördlich des eigentlichen Sodawerkes ab und genehmigte den Bebauungsplan. 55.000 Quadratmeter ist das Grundstück groß. 20 000 Quadratmeter allein die Gebäudefläche. Derzeit werden die Fundamente ausgehoben nachdem davor der Untergrund begradigt wurde und archäologische Untersuchungen stattgefunden haben.

510.000 Tonnen Salz will das neue Salzwerk im Jahr produzieren. Im August war Baustart. Bauende ist für Ende 2020 geplant. Dann soll die Teilproduktion von Nasssalz starten. Vor allem Salztabletten und eben Nass- und Trockensalz werden den Großteil der Produktion ausmachen. Salztabletten werden zum Beispiel für die Wasserenthärtung verwendet. Abnehmer dafür gibt es vorrangig in Ländern in West- und Südeuropa. In vier 20 Meter hohen und zehn Meter breiten Tanks wird die Sole gereinigt und aufbereitet und gleich an Ort und Stelle verpackt in Säcken und auf Palettiermaschinen. Dann wird das Salz zu den Kunden transportiert. Bisher ist es die größte Investition für Ciech am Standort Staßfurt.

Wie läuft die Salzgewinnung? Grundlage ist die Gewinnung der Sole aus einer sogenannten Kaverne. Das Salz in der Erde wird aus dem Salzstock mit Wasser an die Oberfläche befördert. Es entsteht die Sole mit einem Salzgehalt von etwas über 20 Prozent. Per Pipeline wird die Sole in die Tanks gebracht. Dort wird sie aufbereitet und im nachfolgendem Produktionsprozess in kristallines Salz umgewandelt. „Wir wenden dabei modernste Methoden an“, so Mario Walke.

Das ist alles recht groß gedacht. Fraglich ist vor allem, wie Ciech die Arbeitskräfte beschaffen will. Die Situation auf dem Arbeitsmarkt ist angespannt. „Das wird eine der größten Herausforderungen“, sagt Walke. Rund um die Uhr soll in Staßfurt produziert werden. Es braucht also ein rollendes Vierschichtsystem. Schwerpunkte sind Produktion und Instandhaltung. Es braucht dabei Elektriker, Mechaniker und Mechatroniker. Dazu natürlich Maschinenbediener, Chemikanten, Gabelstabler, Radladerfahrer und viele weitere. Ciech will auch über drei Jahre 30 neue Azubis einstellen und sich sein Personal also so selbst heranbilden. Das wird aber nicht reichen. Es braucht hier Recruiter, die Ciech unterstützen. Präsenz bei Jobmessen und andere Werbekampagnen sowie gute Kontakte zur lokalen Arbeitsagentur sind dabei selbstverständlich.

Für Mario Walke ist die Möglichkeit, in Staßfurt ein Salzwerk zu errichten ein großer Vertrauensvorschuss von Ciech. „Die Logistik ist da, die Infrastruktur auch“, sagt Frank Pommerenke. Einen Salzstandort gibt es bereits von Ciech in Polen mit einem anderen Verfahren der Salzgewinnung. In Staßfurt werden aber nun neue Wege beschritten. „Schön ist, dass die Planung glatt durchlief“, so Frank Pommerenke, Werksleiter Sodaproduktion. „Behörden, Stadtrat, Bergamt und der Salzlandkreis haben unser Vorgehen wohlwollend begleitet.“

In naher Zukunft kann sich Ciech in Staßfurt sogar vorstellen, eine eigene Bahnanbindung herzustellen. Ganz einfach, um die manchmal beschwerlichen Transportwege für das Salz mit Lkws abzukürzen und zu vereinfachen. Das ist dann aber erst der übernächste Schritt. Im Moment steht ja noch nicht ein Gebäude im Norden Staßfurts. Der riesige Aushub und die zeitweise verschmutzte Straße bezeugen aber, dass fleißig gearbeitet wird. Damit in Staßfurt wieder das produziert wird, wofür die Bodestadt steht und wirbt: Salz.