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Drogendealer Aus dem Gerichtssaal in die Freiheit

Tränen im Gerichtssaal - ein junger Staßfurter scheint nach sieben Jahren als Drogendealer wieder auf die richtige Bahn zu kommen.

11.11.2019, 17:24

Staßfurt/Hecklingen l Eine außergewöhnliche Personalie unter den vielen Angeklagten, die immer wieder straffällig werden und „Dauergast“ am Amtsgericht Aschersleben sind, ist ein 29-Jähriger aus Staßfurt. Sein Fall wurde letzte Woche verhandelt.

Der heute 29-Jährige aus Staßfurt war seit einem Schicksalsschlag vor sieben Jahren, den er bis heute nicht verdaut hat, in die Drogenabhängigkeit geraten. Von Anfang an konsumierte er schwere Drogen wie Amphetamine, seine Arbeitsverhältnisse waren dadurch immer nur von kurzer Dauer. Einmal unter Drogen am Steuer erwischt, verlor er seine Fahrerlaubnis. Seitdem fuhr er ohne Führerschein, mit gefälschten Papieren und geklauten Nummernschildern, und handelte sich mehrere Anzeigen ein.

Letztes Jahr kamen neben Drogenfahrten ohne gültige Dokumente weitere Straftaten dazu. Im Mai 2018 ließ er mit Komplizen zwei Baugeräte im Staßfurter Baumarkt toom mitgehen und wurde erwischt. Im Juni 2018 brach er mit Kumpels in einen leerstehenden Wohnblock in Staßfurt-Nord ein und klaute Kupferkabel. Die Bande wurde erwischt. Der Staßfurter bekam damals noch vor dem Jugendgericht Bewährung.

Wegen des Kupferkabel-Klaus durchsuchte die Polizei dann die Wohnung des jungen Mannes in Hecklingen. Sie fand mehrere Hinweise auf Drogenhandel: 17,4 Gramm der Droge Crystal, was 500 „Konsum-einheiten“ entspricht, dazu kleinere Mengen Amphetamin und Extasy. Tütchen, Listen über Schulden und eine Gürteltasche mit Utensilien deuteten auf Drogenhandel hin. Dazu teure Möbel und eine luxuriöse Einrichtung. „Wenn man Ihre Wohnung sieht, wird klar, dass Sie Ihren Lebensunterhalt mit Drogenhandel bestritten haben“, so Richter Robert Schröder am Amtsgericht Aschersleben, der die Polizeifotos aus der Wohnung kommentierte. Dass die Drogen angeblich nur für den „Privatgebrauch“ waren, glaubt er nicht.

Bald nach der Hausdurchsuchung schaltete sich die Familie des jungen Mannes ein. „Mutter und Schwester haben sich bemüht“, erklärte sein Verteidiger vor Gericht. Einen Termin in der Drogenberatungsstelle und eine Arbeit organisierten sie. „Der Firma hat er von Anfang an reinen Wein eingeschenkt“, so der Verteidiger. Ein Industrieunternehmen aus Staßfurt gab dem Vorbestraften eine Chance, seit August dieses Jahres arbeitet er dort ohne Fehltage an der Maschine. „Der Geschäftsführer ist begeistert“, sagte der Verteidiger.

Allerdings stand vor einem Monat die Polizei vor der Tür und brachte den 29-Jährigen ins Gefängnis in Burg. Der Grund: Der 29-Jährige war zur Verhandlung seines Diebstahls im Baumarkt, die erst kürzlich stattfinden sollte, nicht erschienen und wurde deswegen verhaftet. Er hatte nicht in seinen Briefkasten geschaut und die Vorladung nicht gesehen. Die vier Wochen bis jetzt im Gefängnis waren nicht nur ein kalter Entzug, sondern auch Ausblick: „Das will ich nicht noch einmal erleben“, erklärte der Anklagte vor Gericht.

Dementsprechend wurde er von der Polizei aus dem Gefängnis in Burg zur aktuellen Verhandlung nach Aschersleben gebracht. Zunächst für die Dauer der Verhandlung wurden ihm die Handschellen abgemacht, zwei Gerichtsbeamte überwachten die Verhandlung.

Auch wenn der junge Mann aus Staßfurt scheinbar seit Sommer ein geregeltes Leben führt, die Entscheidung des Gerichts war nicht leicht: Seit sieben Jahren fährt der Angeklagte immer wieder ohne Führerschein, begeht seinen letzten Diebstahl auf Bewährung und „zeigt trotz vorheriger Taten keinen Anlass, sein Verhalten zu ändern“, so die Staatsanwaltschaft zu Ungunsten des jungen Mannes.

„Ihr Leben bewegt sich jetzt in die richtige Richtung“, fasste Richter Robert Schröder für den Angeklagten zusammen. „Ob das von Dauer sein wird, kann ich heute nicht beurteilen, aber es besteht die Chance.“ Die vorherigen Straftaten wurden mit den neuesten Vorfällen in eine Freiheitsstrafe von drei Jahren auf Bewährung umgewandelt, dazu mindestens zehn Sitzungen bei einer Suchtberatung. Der Angeklagte durfte wieder nach Hause.