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Friedhofsgebühren „Grüne Wiese“ für Särge?

Die Stadt Staßfurt arbeitet im Zuge der alle drei Jahre erforderlichen Neukalkulation für Friedhofsgebühren an Einsparmaßnahmen.

09.06.2020, 11:19

Staßfurt l Das Thema weckt in Hohenerxleben zuerst einmal Skepsis und Begehrlichkeiten. „Sparen? Zu Gunsten von wem?“ fragt Ortschaftsrätin Ilona Franke (parteilos) und hört von Sven Wagner (SPD): „Zu Gunsten des Bürgers.“ Sie habe jedenfalls den Eindruck, die Kommune nehme nur.

„Warum können nicht auch Särge auf die ,grüne Wiese‘?“, fragt Franke weiter. Die Möglichkeit „grüne Wiese für Erdbestattungen“ fehlt der Ortschaftsrätin im Angebot. Sie habe diesen Wunsch von Bürgern vernommen.

Oberbürgermeister Sven Wagner sieht das wiederum skeptisch, als er die Ortschaftsratssitzung in seinem Heimatdorf verfolgt. „Eine Erdbestattung auf der ,grünen Wiese‘ wäre doch auch teurer als eine Urnenbestattung“, so Wagner. Ilona Franke erklärt genauer: „Die Pflege hinterher würde nicht anfallen. Und manche Leute wollen eben nicht verbrannt werden.“ Die Ortschaftsrätin vermisst unterdessen einige Dinge, die eigentlich auf dem Friedhof in Hohenerxleben dringender umgesetzt werden sollten, wie einen angekündigten breiteren Weg und zu pflanzende Sträucher. Zudem seien die Kriegsgräber überhaupt nicht aufgeführt in den Vorhaben der Verwaltung.

Fachbereichsleiter Wolfgang Kaufmann versprach, alle Anregungen mitzunehmen. Auch die Forderung von Helmut Müller (Linke) nach einer Toilette. „Angeblich braucht die keiner hier. Aber warum steht dann eine auf dem Friedhof in Rathmannsdorf? Hier bei uns muss man hinter den Busch gehen...“

Die eigentliche Vorstellung, mit der die Verwaltung auch in die Hohenerxleber Sitzung gegangen war, spielte bei der Diskussion hier kaum eine Rolle. Wolfgang Kaufmann hatte zuvor ausführlich mitgeteilt, was die Intension der Stadt für die Neukalkulation der Friedhofsgebühren ist. Nämlich Einsparungen in Form von „Leistungsrücknahmen“. Das heißt unter anderem, verstärkter Rückbau abgelaufener oder verwahrloster Grabstellen. Damit könnte größere, Pflegetechnik kostengünstiger eingesetzt werden. Ein weiterer Punkt wäre die Dauerkürzung von Wahlgrabstätten von 40 auf 30 Jahre. Die Ruhezeit (25 Jahre) sei davon deutlich zu unterscheiden, unterstrich Kaufmann.

Die bisher vorgehaltenen Reserveflächen auf den Friedhöfen sieht die Mitteilungsvorlage als nicht mehr nötig, weil die Tendenz von Erdbestattungen weg geht zu immer mehr Urnenbestattungen und anderen Bestattungsformen wie halbanonyme oder anonyme.

Vorstellen könnte sich die Stadt auch, den Stadtpflegebetrieb von der Vorbereitung von Urnenbestattungen in den Ortsteilen zu entlasten und diese Aufgabe den Bestattungsunternehmen zu überlassen. Damit würden die Fahrten in die Ortsteile und die Wartepausen zwischen dem Ausheben des Urnenplatzes und dem Schmücken des Grabes für den Pflegebetrieb entfallen.

Schließlich sollen freiwerdende Flächen, wo möglich, verkauft werden. Die Gegebenheiten müssten jeweils geprüft werden, um die Flächen umzuwidmen und zu sehen, wie sie neu genutzt werden sollen.

Helmut Müller begrüßt es, „dass ungepflegte Gräber wegkommen“. Ilona Franke findet derweil die Idee klasse, dass Steinmetze gewisse Flächen nutzen könnten, um ihre Angebote zu präsentieren – „in Staßfurt okay, aber bei uns...?“

Alle Anregungen mitzunehmen – in der nächsten Sitzungsrunde soll die Mitteilungsvorlage bereits zu einer Beschlussvorlage werden – verspricht Wolfgang Kaufmann auch in Rathmannsdorf. Dort gefällt Ortsbürgermeister Benjamin Zuck (Wir für Rathmannsdorf) die vorgeschlagene Werbefläche auf Friedhöfen nicht.

Sein Fraktionskollege André Dorow meint, dass der Bürger doch Leistungen ohnehin zu bezahlen hat, wenn nicht an die Stadt, dann doch an die Bestatter. Hierzu erklärt Kaufmann, dass der Stadtpflegebetrieb Tariflöhne bezahlen müsse. Man wolle auch erstmal mit Leistungen für Urnenbestattungen beginnen. Bei Gesprächen mit den Unternehmen hätten die sich anfangs gewehrt, dann aber doch signalisiert, dass es machbar wäre.

Das Thema Friedhof nahm in Rathmannsdorf ebenfalls die meiste Zeit in Anspruch, auch wenn hier bereits nach einer Stunde Schluss war – der Ortsbürgermeister hatte gleich zu Anfang dieser Sitzung unter Corona-Auflagen darum gebeten, sich aufs Wesentliche zu konzentrieren. Nach der Sitzung wurde das Dorfgemeinschaftshaus schnellstens wieder geräumt, womit sich Zuck ebenfalls an die Empfehlungen für Ortschaftsratssitzungen unter den gegenwärtigen Bedingungen hielt. Von drei Einwohnern, die hier zugelassen waren, nahm übrigens nur einer die Gelegenheit wahr.

Kein einziger Bürger tat dies in Athensleben, wo allein das Friedhofsthema etwa eine Stunde in Anspruch nahm.

Fachdienstleiterin Susanne Epperlein hörte hier unter anderem den Wunsch von Ortsbürgermeister Jürgen Kinzel (Bürgervertretung Athensleben), dass sich Mitarbeiter des Friedhofswesens für eine gewisse Zeit auch mal in den Ortsteilen sehen lassen sollten. Ständig vor Ort werde niemand sein können, entgegnete Epperlein. Aber eventuelle Probleme könnten über die Verwaltung angesprochen werden. Auch sie bat um weitere Hinweise von den Ortschaftsräten, gern auch schriftlich mitgeteilt.