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Gericht Nach der Trennung wurde er Dealer

Staßfurter wird trotz Einsicht nach Drogenhandel und anderen Delikten zu 2,5 Jahren Haft verurteilt.

13.11.2019, 23:01

Staßfurt l Ob der Angeklagte registriert hatte, dass das Urteil gegen ihn von der Richterin gerade ausgesprochen wurde, war an der Mimik und Gestik nicht zu erkennen. Stoisch knetete der 26-Jährige weiter seine Hände und folgte still und ohne viel Aufhebens den Ausführungen um ihn herum. Ohne selbst viele Angaben zu machen.

Zu zwei Jahren und sechs Monaten Haftstrafe wurde ein Staßfurter am Montag im Landgericht in Magdeburg verurteilt. Gleichzeitig wurde eine Unterbringung im Salus-Fachklinikum Bernburg angeordnet. In der geschlossenen Anstalt soll sich der Drogenabhängige einer Therapie unterziehen, die zwischen eineinhalb und zwei Jahren dauern kann. Das wird auf die Haftstrafe angerechnet. Ist die Therapie erfolgreich, kann der Rest zur Bewährung ausgesetzt werden.

Mit wahrlich dunkelblauem Auge ist der Staßfurter also davongekommen, der einiges auf dem Kerbholz hat und sich abenteuerliche Verfolgungsjagden mit der Polizei geliefert hat, die kein Regisseur sich besser hätte ausdenken können. Erst entkam er am 15. Februar der Polizei, nachdem er mit bis zu 110 Stundenkilometern durch Staßfurt gerast war. Am 20. April fiel er gegen 23.30 Uhr in Atzendorf mit überhöhter Geschwindigkeit auf. Die Polizei verfolgte ihn Richtung Unseburg und Wolmirsleben. Bei Tarthun rutschte er mit seinem Transporter auf einen Acker und blieb stecken. Die Flucht zu Fuß war erfolglos. Er wurde festgenommen.

Bei beiden Fluchtaktionen hatte der Staßfurter keinen Führerschein mehr besessen. Beim zweiten Fall stand er unter Drogeneinfluss, er hatte Haschisch geraucht. Das war aber nur der Anfang: Knapp 1,8 Kilogramm Cannabis zur Weiterverarbeitung hatte er an Bord, dazu 0,17 Gramm Haschisch. Ein Baseballschläger lag zwischen Fahrer- und Beifahrersitz. In der rechten Tür lag eine mit fünf Kartuschen geladene Schreckschusspistole, obwohl er keinen kleinen Waffenschein besaß.

Als die Polizei noch in der gleichen Nacht die Wohnung seiner Eltern untersuchte, wo der Angeklagte derzeit wieder wohnt, fand sie drei Schlagringe und zwei Butterflymesser. Das ist ebenfalls verboten. Der Angeklagte kam sofort in Untersuchungshaft.

Wie konnte es soweit kommen? Der Staßfurter war ja unauffällig aufgewachsen. „Sie sind behütet aufgewachsen“, stellte auch die Richterin in ihrer Urteilsbegründung fest. Fußball, Motocross und Tischtennis waren seine Hobbys. Zwölf Jahre war dieser am Dr.-Frank-Gymnasium zur Schule gegangen. Nachdem er die neunte Klasse wiederholen musste, verließ er nach der elften Klasse die Schule. Er machte eine Ausbildung als Maschinenbautechniker. Diese brach er ab, weil er entlassen wurde im Betrieb. Er machte eine Weiterbildung zum Internationalen Schweißfachmann und arbeitete als solcher auch in einem Betrieb in Schönebeck.

Dann kam der große Bruch. Haschisch geraucht habe er schon seit er die Schule verlassen habe. „Aber dann hat sich meine Verlobte letztes Jahr von mir getrennt. Wir waren achteinhalb Jahre zusammen“, erzählt er frei von Emotionen. „Danach ging‘s bergab. Ich habe schon vorher Drogen genommen, aber da habe ich noch Ziele verfolgt.“ Er wurde arbeitslos, bekam Arbeitslosengeld, zog zu seinen Eltern zurück und bekam später gar kein Geld mehr.

Der Angeklagte fing an, Crystal Meth zu nehmen und mit Drogen zu handeln. Die Ladung, die die Polizei im April sicherstellte, sollte zu 800 Gramm Haschisch weiterverarbeitet werden. 20 bis 30 Prozent waren dabei für den Eigenbedarf, den Rest wollte er verkaufen. Die Polizei fand zudem 900 Euro Bargeld bei ihm und ein Notizbuch.

Immerhin: Der Angeklagte wehrte sich nicht bei der Festnahme. „Er war die ganze Zeit kooperativ“, sagte der Polizeibeamte aus, der ihn festnahm. „Er wirkte sehr nervös, zitterte und konnte nicht mehr laufen, war aber bei klarem Verstand.“ Auf der Anklagebank gestand der 26-Jährige die Taten, wollte aber sonst nicht viel beitragen zur Aufklärung des Sachverhalts. „Ich bin lieber ruhig, bevor ich etwas Verkehrtes sage“, sagte er. Die Anfragen der Richterin und des Staatsanwaltes aber beantwortete der Angeklagte ruhig und wohl überlegt. Auch hier wirkte er kooperativ. Sowohl beim ersten Prozesstag am Freitag als auch am Montag.

In seinem Plädoyer forderte der Staatsanwalt zwei Jahre und sechs Monate Haft. Dazu eine Sperre für den Erwerb der Fahrerlaubnis für 18 Monate. Weiter eine Zuweisung in die Entziehungsanstalt in Bernburg. Dazu soll ein minder schwerer Fall angenommen werden. Dem widersprach der Anwalt des Täters. Er argumentierte, dass der Angeklagte nur eine geringfügige Vorbelastung hätte. Dazu wäre die eigene Abhängigkeit das einzige Motiv. Er forderte ein Jahr und sechs Monate Haft und die Aussetzung der Freiheitsstrafe zur Bewährung. „Der Angeklagte ist keiner, der renitent gegen Vorschriften verstößt.“ „Ich möchte die Drogenabhängigkeit in den Griff kriegen“, sagte der Staßfurter noch vor der Urteilsverkündung.

Die Richterin folgte jedoch komplett dem Vorschlag der Staatsanwaltschaft. Sie merkte kritisch an, dass der Angeklagte in beiden Fällen wusste, dass er ohne Führerschein unterwegs war. Beim zweiten Fall wäre eine Enthemmung eingetreten. „Gott sei Dank haben Sie aber noch einen klaren Kopf.“ Für den Angeklagten sprach das Geständnis, dass er auf die 900 Euro verzichtet hatte und dass es sich bei den gefundenen Cannabispflanzen um mittlere Qualität handelte. Die Richterin folgte auch dem Vorschlag, den Angeklagten einweisen und therapieren zu lassen.

Denn die Drogensucht ist die Wurzel des Problems. Zwar arbeitet der Angeklagte seit dem 1. Oktober bei einem Bistro in Staßfurt als Küchenhilfe, das reiße das Ruder aber nicht herum. „Sie sind unter anderem bekifft zum Sachverständigen gefahren“, sagte die Richterin. „Das ist eben nicht so einfach“, meinte der Angeklagte dazu. „Ihr Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach. Das geht nicht von allein. Sie hätten selbst an sich arbeiten müssen“, so die Richterin. „Sie müssen für sich selbst Verantwortung tragen. Ich will nicht wissen, was zu Hause los ist. Sie benötigen eine Therapie. Danach bekommen Sie Bewährung, wenn Sie es ernst meinen.“