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Herzinfarkt Schnelle Technik rettet Leben

Herzinfarktpatienten im Salzland sollen künftig noch schneller behandelt werden. Moderne Geräte machen das möglich.

08.10.2017, 19:10

Atzendorf/Schönebeck l Bei einem Herzinfarkt zählt jede Sekunde. Ein Patient muss so schnell wie möglich behandelt werden, sollen sein Herzmuskel und sein Gehirn keine bleibenden Schäden davontragen. Die Symptome müssen rasch erkannt, der Kranke notärztlich versorgt und umgehend ins Krankenhaus gebracht werden. Erst hier kann seine Erkrankung gezielt behandelt werden.

Im Salzlandkreis arbeiten der Klinikbetreiber Ameos und die Notarztstandorte jetzt gezielt daran, die Zeit vom Notruf bis zur Ankunft in der Klinik nicht nur so kurz wie möglich werden zu lassen, sondern auch intensiv zu nutzten. Bereits aus dem Rettungswagen werden wichtige Daten in das Krankenhaus übermittelt. Das Ameos-Klinikum Schönebeck hat sich mit seiner Kardiologie und dem Herzkatheterlabor auf koronare Erkrankungen spezialisiert.

Das Haus arbeitet jetzt mit dem Notarztstandort Atzendorf (Stadt Staßfurt), der vom Deutschen-Roten-Kreuz-(DRK)-Kreisverband Staßfurt-Aschersleben betrieben wird, zusammen. „Unsere Kooperation zielt auf die Optimierung und Verkürzung der Behandlungskette“, sagt Dr. Matthias Schneider, standortverantwortlicher Notarzt in Atzendorf. „Elektrokardiogramm-(EKG)-Daten von Herzinfarktpatienten werden so früh wie möglich an das Klinikum übermittelt. Dort werden dann alle erforderlichen Schritte eingeleitet.“

Möglich macht das die telemetrische, also drahtlose Übertragung der Daten. In jedem Rettungswagen gibt es bereits EKG-Geräte. Sie sind im Fall von Atzendorf jetzt erstmals mit einem zusätzlichen Übertragungsmodul aufgerüstet, das Ameos angeschafft hat.

Das herkömmliche Zwölf-Kanal-EKG-Gerät wird am Patienten angelegt. Alle Aktivitäten des Herzmuskels, die arterielle Sauerstoffsättigung, der Puls werden erfasst und sofort über das Telefonnetz an das Krankenhaus sowie das Handy des diensthabenden Arztes weitergeleitet. „Dann“, sagt Matthias Schneider, „kann der Kardiologe sofort regieren.“ In Schönebeck ist das Dr. Karl-Heinz Binias, Chefarzt der Kardiologie und des Herzkatheterlabors. „Während der Patient noch zu uns unterwegs ist, können wir bereits Vorkehrungen zur Behandlung treffen und das Herzkatheterlabor vorbereiten.“

In der Nacht und an Feiertagen, wenn nicht das komplette medizinische Personal sofort im Krankenhaus ist, werden die Rüst- und Bereitschaftsrufzeiten genutzt. „Zeit, die für das Überleben des Patienten entscheidend sein kann“, sagt Binias. Da das Herzkatheterlabor „24/7 betriebsbereit“ sei, also 24 Stunden an sieben Tagen im Einsatz, genüge selbst am Wochenende die Zeit bis zum Eintreffen des Rettungswagens, um das Team des Herzkatheterlabores zusammenzurufen.

Das Übertragungssystem funktioniert wie folgt: So wie das EKG-Gerät im Rettungswagen ein Modul zum Senden hat, erhält auch das empfangende Krankenhaus die passende Software dazu. Sowohl Sanitäter und Notarzt, als auch die Klinik erhalten jeweils einen Ausdruck des EKG, Sende- und Empfangsbestätigungen. „So können alle sicher sein, dass die Übermittlung funktioniert hat“, sagt Matthias Schneider.

Im Ameos-Klinikum Schönebeck trifft nur Sekunden nach der Aufzeichnung das EKG des Patienten ein. Alexander Vaisbord, Leitender Oberarzt und Facharzt für Innere Medizin und Kardiologie, wertet dieses dann aus. „Im EKG erkennt man zum Beispiel einen ST-Hebungsinfarkt sofort. Der untypische Kurvenverlauf zeigt an, dass die Herzwände mit Blut unterversorgt sind.“ Der erfahrene Kardiologe kann dann dem Rettungsdienst vor Ort sagen, ob es sich um einen Infarkt handelt oder nicht.

Denkbar sei zudem auch, dass der Arzt aufgrund der Informationen auf seinem Handy gezielte Anweisungen an das Sanitäterteam geben kann, wenn zum Beispiel der Notarzt noch nicht da ist. Im Salzland gilt das Rendezvous-System – Notarzt und Rettungswagen fahren getrennt, zum Teil von verschiedenen Standorten aus, zum Patienten. „Im Krankenhaus finden die Sanitäter dann gezielte Ansprechpartner, die mithilfe der individuellen und konkret übermittelten Patientendaten etwa die Verabreichung von Medikamenten anweisen können.“ Etwas, so Notarzt Schneider, das die Sanitäter niemals allein entscheiden könnten.

Die Datenübertragung funktioniert über das GSM-Netz (Global System for Mobile Communications), das Mobilfunksystem also, das etwa die Grundlage für deutsche Handynetze bildet. „Die Daten werden dabei selbstverständlich verschlüsselt übertragen“, sagt Dr. Karl-Heinz Binias. Personenrelevante Daten blieben von außen unerkannt. Das gesendete EKG enthält zudem eine Rückrufnummer des Notarztes – um ihn kontaktieren zu können, wenn der Patient sofort in das Klinikum gebracht werden muss. Für eine weitere Konsultation könne das EKG auch erneut auf das Handy des Kardiologen gesendet werden. Alexander Vaisbord schätzt, dass durch das telemetrische EKG die Behandlung 20 bis 30 Minuten schneller erfolge. „Leider versterben 40 Prozent der Herzinfarktpatienten, bevor sie auch nur von einem Notarzt gesehen werden. Für alle anderen ist jedoch jede Minute entscheidend. Je eher ein verschlossenes Herzgefäß geöffnet wird, desto besser sind die Überlebenschancen.“

Die Einführung der telemetrischen EKG-Übertragung zwischen Schönebeck und Atzendorf ist der Anfang einer großangelegten Offensive. Perspektivisch will das Ameos alle fünf Notarztstandorte im Salzland technisch so aufrüsten, später dann Schritt für Schritt auch die Standorte der Rettungstransporte. Kooperationen sind auch in den Nachbarkreisen geplant, in denen der Klinikbetreiber Krankenhäuser vorhält. Bereits jetzt im Oktober ist Aschersleben an der Reihe, die Vorbereitungen laufen derzeit. Danach sollen die Standorte Halberstadt, Bernburg und Haldensleben folgen. Robert Möller, Regionalgeschäftsführer der Region Ameos Ost, erklärt das Engagement seines Hauses. „Sachsen-Anhalt ist das Bundesland mit der höchsten Sterblichkeitsrate an Herzinfarkten. Für uns es Verpflichtung, hier mit Technik und dem Fachwissen unserer Kliniken entgegenzusteuern.“

Auf der anderen Seite liege den Ärzten besonders am Herzen, dass auch die Betroffenen selbst keine Zeit verlieren. Die Alarmsignale eines Herzinfarktes sind: Druck auf der Brust, ein richtiges Engefühl, verbunden mit Schweißausbrüchen, Übelkeit und Luftnot. Dr. Karl-Heinz Binias appelliert deshalb: Lieber zu früh einen Notarzt rufen, auch wenn die Symptome scheinbar nachlassen. Denn: „Innerhalb einer Stunde nach dem ersten Auftreten der Schmerzen lässt sich der Herzmuskel vollständig retten“, so Binias. Daher sei es besser, direkt einen Krankenwagen zu rufen – im besten Fall ist dieser sogar schon mit einem neuen telemetrischen EKG ausgestattet.