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Kammerhilharmonie Einhändig mit sechs Pedalen

Die „fünfte Jahreszeit“ steht an auf der musikalischen Konzertreise der Mitteldeutschen Kammerphilharmonie.

09.02.2020, 06:34

Staßfurt l Das Konzert „Zwischen Towerbridge und Buckingham Palace“ am Donnerstag, 27. Februar, bietet Dirigent Jan Michael Horstmann Gelegenheit, dem Publikum in Staßfurt auch sein Hammerklavier vorzustellen. Falk Rockmann war schonmal neugierig.

Volksstimme: Was ist das für ein Klavier, dieses lang gezogene Instrument, mit dem Sie das Orchester begleiten und schon bei der Spielsaison-Eröffnung im Salzlandtheater Neugierde erzeugten?
Jan Michael Hoffmann: Zur Saisoneröffnung habe ich mein Cembalo gespielt, ein Nachbau eines historischen Instruments aus den Niederlanden, welches sich besonders gut als Begleitinstrument für Barockmusik eignet. Zwischen dem Cembalo des Barock und dem heute gängigen romantischen Flügel gab es noch eine Zwischenstufe, das sogenannte Hammerklavier. Bei dem werden die Saiten nicht mehr durch einen Kiel angerissen wie beim Cembalo, sondern wie beim modernen Klavier durch einen Hammer angeschlagen. Allerdings ist die Mechanik eine andere und vor allem das Material des Instrumentes grundlegend verschieden zum Flügel. So fehlt der Metallrahmen, mit dem die Saiten gespannt werden, wodurch der Klang obertonreicher wird, aber nicht so laut ist. Ich werde mein Instrument mitbringen, welches wiederum ein Nachbau eines Hammerflügels aus der Wiener Werkstatt Rosenbergers um 1810 ist.

Warum spielen Sie das „nebenbei“? Wer oder was hat Sie dazu inspiriert?
Ich spiele ja nicht nebenbei Klavier, vielmehr war die Aufführungspraxis in Barock und Klassik ja noch ohne Dirigenten vorgesehen, der wurde erst bei größer werdendem Orchester im 19. Jahrhundert „erfunden“. Zu Bachs und Mozarts Zeit hat man das Orchester entweder von der Violine oder eben vom Cembalo oder Klavier aus geleitet, daher entspricht unsere Musizierweise dem historischen Vorbild.

Bleibt dennoch genügend Blickkontakt zu den Orchestermitgliedern?
Manchmal muss man halt mit einer Hand spielen und mit der anderen dirigieren, zumeist jedoch funktioniert das Zusammenspiel der Musiker aber auch durchs Zuhören. Und einen Vorteil gibt es, wenn ich nicht dirigiere, sondern dazu spiele: Die Musiker sind gezwungen, mehr noch aufeinander zu hören, und daher wird das Ergebnis kammermusikalischer und runder.

Gibt es andere Orchester, wo das auch funktioniert?
Bei vielen Kammerorchestern ist das gang und gäbe, ich habe häufig mit dem Deutschen Kammerorchester Berlin musiziert, die auch entweder vom Konzertmeister oder in diesem Falle von mir am Cembalo geleitet wurden. Aber auch bei größeren Orchestern geht das, es kommt halt auf die richtige Literatur an, ein romantisches Klavierkonzert von Tschaikowski oder Rachmaninov sollte man doch eher mit Dirigenten spielen – hier sind auch die pianistischen Aufgaben virtuoser.

Worauf darf man sich in Staßfurt besonders freuen, wenn das Instrument von und mit Jan Horstmann erklingt?
Ich werde mir auf jeden Fall die Zeit nehmen, das Instrument vorzustellen, da es zum Beispiel sechs Pedale hat, mit denen man klanglich bezaubernd experimentieren, besondere Dämpfungen oder Schlagzeug-Effekte einsetzen kann, die aber nicht alle in dem Stück von Johann Christian Bach vorkommen. Die besondere Klangfarbe des Flügels wird im Theater hier ganz besonders schön zur Geltung kommen.

Ist das Thema des Abends mit Wehmut zum Abschied der Briten verbunden? Immerhin war der Brexit bei der Planung des Konzerts absehbar.
Daran hatte ich zwar gar nicht gedacht bei der Konzeption, dennoch zeigt natürlich eine Mischung aus deutschen, österreichischen, französischen und englischen Komponisten, wie sehr England schon immer mit Europa und seiner Kultur vernetzt war. Außer Johann Christian Bach haben ja noch zahlreiche andere deutsche Komponisten langfristig auf der Insel gelebt, unter anderen Georg Friedrich Händel. Ich liebe England sehr und freue mich daher besonders, bei den Reisen, die uns in der Saison in Metropolen Europas führen, auch London zu bereisen und dort den Karneval zu feiern.

Der „Londoner Karneval“ des französischen Komponisten Darius Milhaud, der am 27. Februar, ab 19.30 Uhr, im Salzlandtheater erklingt, gilt als eine der brillantesten musikalischen Darstellungen des Narrenfests. So leichtfüßig wie seine Beschreibung des bunten Treibens rund um den Piccadilly Circus sind die Werke Mozarts, der sich als Achtjähriger auf erster großer Konzertreise in London aufhielt. Und Bachs, der seinen Lebensmittelpunkt längst in der Stadt an der Themse gefunden hatte. Zärtlich-poetische Lieder Edward Elgars zwischen Abendblau und Morgenröte umrahmen den karnevalesken London-Trip (für 17 Euro/ermäßigt 15 Euro).