1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Staßfurt
  6. >
  7. Margit Kietz ist die "Tanzschleiferin"

Karneval Margit Kietz ist die "Tanzschleiferin"

Margit Kietz leitet seit vielen Jahren Tanzgruppen im Staßfurter Karneval. Jetzt hört sie auf.

13.01.2018, 01:00

Staßfurt l „Hoch, seit und ab - 1, 2, 3!" Margit Kietz steht den Salzland Dancern gegenüber. Sie zählt, wippt im Takt mit, macht spiegelverkehrt genau die Bewegungen vor, die sie in der Choreographie von ihren Tänzern erwartet. „Das muss gut aussehen, sonst wirkt es nicht." Die Choreographin ist noch nicht zufrieden. Es gibt zu große Lücken in der Formation. Die zwei Reihen der Tänzer haben noch nicht an allen Stellen zu übereinstimmenden Bewegungen gefunden. Doch die Bühne des Salzland Centers ist breit und tief. Sie müsse bespielt werden und der Tanz so in Kopf und Beinen sein, dass der Funke sofort auf das Publikum überspringt.

Hohe Ansprüche stellt Margit Kietz. An die Karnevalisten in Tanzschuhen und an sich selbst. „Wir treten vor anderen auf, wollen unterhalten und begeistern." Seit 1980 leitet die Staßfurterin verschiedene Tanzgruppen des Männerchor-Karnevals. Es ist eine ernste Sache, wahre Freude zu bereiten, sagt das Sprichwort. Margit Kietz werde in all den Jahren, das sagt sie selbst, vor Auftritten immer nervöser. „Das Lampenfieber hat zugenommen." Beweis dafür, wie ernst es ihr und ihren Tänzern ist.

An die Anfänge vor 38 Jahren erinnert sich die 68-Jährige gern. „Mariellchen, du machst mir meine Männer!" Mit diesem Wunsch trat Dieter Steinhoff vom Männerchor an seine damalige Kollegin heran. Margit Kietz hatte gerade als Pädagogin am Institut für Lehrerbildung angefangen und war Dozentin für Entwicklungsphysiologie. Den Spaß einer Prunksitzung hatte sie bis dato nur aus den Zuschauerreihen erlebt. Spontan sagte sie aber zu, sich um die richtigen Bewegungen des Männerballetts kümmern zu wollen. Erst in einer Minute der Ruhe wurde ihr die Dimension ihres Jas bewusst. „Der Staßfurter Karneval war eine echte Institution." Es habe bis zu zwölf Abendveranstaltungen gegeben. Immer sei es brechend voll gewesen. „Das war der gesellschaftliche Höhepunkt des Jahres in Staßfurt. Die Frauen kamen in langen Kleidern, betont festlich." Nun also sollte Margit Kietz für einen der Programmpunkte den Hut aufhaben. Das alles habe ihr eine gehörige Portion Respekt abgerungen. Aber gleichzeitig auch ihren Ehrgeiz angesprochen. „Wenn ich auf mein Leben schaue, kann ich sagen: Ich bin immer offen für Neues gewesen und habe Herausforderungen angenommen." Beispiele? Beispiele! Margit Kietz war Dozentin an der Uni, wagte als Heilpraktikerin später auch den Schritt in die Selbständigkeit mit einer eigenen Praxis, engagiert sich politisch im Stadtrat und gesellschaftlich als Vorsitzende des Urania-Vereins.

Schnell hatte sie aus dieser Einstellung heraus auch einen Narren an der Arbeit beim Karneval gefressen. Ihre jugendliche Leichtigkeit beflügelte alles. „Ich wusste: bewegungstechnisch bringe ich dasAls Tanzlehrerin bekam sie mit der Zeit immer mehr Verantwortung übertragen. Sie leitete Männerballett, Garde und Anfang der 2000er-Jahre entstand die gemischte Gruppe Salzland Dancer, bei der ständig acht bis zwölf Frauen und Männer dabei sind. Sie selbst bildete sich fort, nahm an Werkstättenkursen für karnevalistischen Tanz teil, besuchte Weiterbildungen im Flamenco und Stepdance. „Das alles ist natürlich in die Tänze eingeflossen." Hinzu komme eine Portion Kreativität und ein Gespür für die Wechselwirkung von Bühne und Darstellung.

Das Ehrenamt fordert. Denn die Tanznummern beschäftigen die Anleiterin nicht nur in der fünften Jahreszeit, berichtet Margit Kietz vom Aufwand, der hinter allem steht und den sie immer gern betreibt. Denn alles bei den Showtänzen der Salzland Dancer soll passen - von der Schrittfolge bis zum Kostüm. „Die Herangehensweise ist in den vergangenen fast 40 Jahren fast immer dieselbe geblieben." Im Frühjahr nach der Session ist zunächst Auswertung der Abendveranstaltungen. Dann macht sie sich bald Gedanken über die Darbietungen des neuen Programms. „Ich versuche in den Tänzen eine Geschichte zu erzählen." Es müsse karnevalistischer Gaudi sein und zum Fasching passen, aber dürfe niemals in Klamauk abdriften. Zur gefundenen Geschichte wird dann die passende Musik gesucht. Früher hat Achim Rosenhahn die Bänder noch aufwendig zusammengeschnitten, jetzt geht alles digital und einfacher. Vor dem Spiegel denkt sich Margit Kietz die Bewegungen aus. Ihr Mann Harry ist der erste, der alles zu sehen bekommt und auch mitmacht. „Seine Kritik hilft am Anfang sehr." Im Blick muss Margit Kietz dabei auch immer haben, für wen sie die Choreografien zusammenstellt. „Ich habe alle Tänzer vor meinen inneren Augen." Alles soll stimmig sein und Räume in der Bewegung erschließen. Im August stellt Margit Kietz dann den Salzland Dancern die Nummern samt Musik und Outfit vor. Ab dann beginnen die Proben, die in den Abendveranstaltungen aufgehen. „Das ganze Jahr ist Karneval."

Aber das gehe in Ordnung, sagt Margit Kietz. Denn sie fühlt sich getragen in der gemeinsamen Arbeit für die Sache. Die Gruppe nennt ihre Anleiterin liebevoll „ihre Tanzschleiferin". Und Margit Kietz sagt, dass die Tänzer zusammenhalten, in „Achtung, Ehre und Liebe miteinander" umgehen. „Auch wenn es viele Veränderungen oder Brüche beim Männerchor gab: Die Tanzgruppen waren immer stabil. Sie sind eine kleine eingeschworene Gemeinschaft im großen Ganzen." Diese Verlässlichkeit habe auch sie immer wieder motiviert, sich einzubringen. Heute kommen die Salzland Dancer zum Proben aus Staßfurt, aber auch Magdeburg, Nordhausen oder Bördeland - aus der Anfangszeit sei aber niemand mehr dabei.

Jetzt soll aber Schluss sein. Im Februar, wenn die 62. Session vorbei ist. Margit Kietz gibt dann die Arbeit mit den Salzland Dancern ab und wird auch nicht mehr auf der Bühne stehen. Der Nachwuchs kümmert sich längst, dass die Reihen der Garde geschlossen sind, Kinder als Nachwuchs dazukommen und alle schöne Tänze haben. „Ich gehe mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Ich werde nicht ein Jahr vermissen." Der Spaß an der Sache und die Verantwortung dem Männerchor gegenüber, der mit dem Karneval wichtige Mittel für sein Vereinsleben einspielt, hätten sie immer angespornt. Jetzt aber sei es an der Zeit für einen schönen Abschluss. Die Familie solle zu ihrem Recht kommen. „Ich bin von Herzen gern Oma." Tanzen wird Margit Kietz weiter - aber für sich. „Das hält nämlich jung."

Termine: Die Abendveranstaltungen des Staßfurter Karnevals sind am 27. Januar sowie am 3. und 10. Februar im Salzland Center und beginnen jeweils um 19.11 Uhr. Karten gibt es im Vorverkauf im Modestübchen Steinstraße 24 (03925/988399) und im Reisebüro Pfugmacher (03925/302290).