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Klimawandel Appell in Staßfurt für Zukunft der Erde

Wetter-Experte Sven Plöger nutzt Gelegenheit beim Salzland-Neujahrsempfang, um Gäste zum Nachdenken über Wetter und Klima anzuregen.

20.01.2018, 23:01

Staßfurt l „Auch im Salzlandkreis gibt es sowas wie Klima-Wandel“, versuchte Landrat Markus Bauer, sich an das Thema des Freitagabends zu lehnen. Zwei Mal hintereinander werde nun der Haushalt des Salzlandkreises nicht beanstandet. Bauer wertet das als „Signal zur Kehrtwende“. Um 31 Plätze sei der Landkreis im bundesweiten Ranking von Focus-Money zuletzt gestiegen. „Sogar Platz 15 belegen wir bei den Investitionen je Beschäftigten im verarbeitenden Gewerbe“, sagte der Landrat in seiner Begrüßung. Der Salzlandkreis biete Nähe und habe Entwicklungspotenzial. Dabei setze man auf Vernetzung und Digitalisierung.

Schließlich gehörte Sven Plöger die Bühne des Salzlandcenters. Der Diplom-Meteorologe, TV-Moderator und Buch-Autor nutzte die Gelegenheit, die Gäste zum Nachdenken über Wetter und Klima und die Zukunft der Erde anzuregen – auf humorvolle und unterhaltsame Art, aber eindringlich.

„Herr Trump ist wahrscheinlich der einzige, der sagt: Wir haben keinen Klima-Wandel. Alle anderen haben wahrscheinlich erfasst, dass es ihn gibt.“

Wir 7,5 Milliarden Menschen würden momentan die nachwachsenden Ressourcen von 1,6 Erden verbrauchen. Das gehe dauerhaft nicht.

Am Beispiel eines Exxon-Chefs mit einem Jahresgehalt von 357 Millionen US-Doller verdeutlichte Sven Plöger, dass solche Interessenvertreter sicher nicht die ersten sein werden, die eine Energiewende weg vom Öl wollen.

Andererseits hätten Wind- und Solar-Energie schon eine Lobby, aber da grenze die Entwicklung oft wieder an Befindlichkeiten wie: Nur nicht vor meiner Haustür oder in meinem Bundesland...

Plöger warnte davor, persönliche Wettererfahrungen und -erinnerungen mit der Klimaentwicklung zu vergleichen. „Oma hatte immer Tiefschnee zu Weihnachten – aber 20 Zentimeter machten ein Fünftel ihrer Körpergröße aus, als sie ein Ein-Meter-Hoch war“, gab der Gastredner ein Beispiel. „Wetter ist ein physikalischer Zustand der Atmosphäre zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort“, erklärt Plöger. Eine Klima-Periode für 30 Jahre dagegen sei Statistik. Und deren Entwicklung zeige in Sachen Temperaturen deutlich nach oben.

„Klimaschwankungen gab es immer“, kommt Sven Plöger auf Eiszeiten und Eisschmelze, „Aber heute geht es unglaublich schneller.“ Natur und Mensch wirken gemeinsam darauf ein. Die Ozean-Temperaturen steigen – schneller als die Lufttemperaturen – was mehr Wasserdampf in die Atmosphäre bringt. „Das Klima wird extremer. 1950 hatten wir drei Tage Temperaturen über 30 Grad, heute sind es acht Tage“, nennt der Wetter-Experte ein weiteres Beispiel und brennt dafür, dass die Wissenschaft Mensch und Politik diese Entwicklungen verständlich macht. Je weniger Eis es am Nordpol gibt, umso weniger Sonnenenergie wird ins Weltall zurückgestrahlt, umso mehr Wärme bleibt also bei uns.“ Hochs und Tiefs würden zudem stehen bleiben, woraus Extreme folgen würden.

Muss ich 3000 Kilo Blech mitnehmen?

Sven Plöger ging auch auf die Entwicklungen von Verbräuchen und Autogrößen ein. Vielleicht hatte er zuvor einen Blick auf den Parkplatz am Salzlandcenter geworfen... Demnach liege kaum ein Unterschied beim tatsächlichen Verbrauch eines Mittelklassewagens von vor 40 Jahren und heute. „Und muss ich für meine 85 Kilogramm 3000 Blech mitnehmen? Warum braucht Deutschland so viele Geländewagen? Wieviele Flussdurchfahrten haben Sie auf dem Weg von Staßfut nach Freiburg?“ Ja es sei bequemer, auch das Höher-Sitzen. „Aber alle kommen hinterher. Irgendwann fahren alle Lkw!?“ Die Frage der Effizienz höre bei Flugreisen nicht auf. Es mache generell Sinn, über diese Dinge nachzudenken.

„Trump sagt, die Chinesen sind schuld am Klimawandel. Die Statistik sieht anders aus: Der Anteil der Gesamt-Emmission an Kohlendioxid liegt im Moment mit 25 Prozent bei China und 17 bei den USA. Seit Beginn des 20. Jahrhunderts aber mit 30 Prozent bei den USA und 12 bei China“, so Sven Plöger. Die Chinesen würden Deutschland jedenfalls genau beobachten. „Wenn China eine gut gemachte Energiewende nachmacht, dann hätten wir ein Stück Welt gerettet“, schloss der „Wetterfrosch“ nach etwa anderthalb Stunden.

Bevor sich dann Hans-Michael Strube der Verleihung der Ehrenamtspreise widmete, bedankte sich der Sparkassenvorstands-Chef im Namen der Zuhörer beim Festredner: „Sie sind nicht nur schlanker und größer in Live, sondern auch besser.“

Gastronom Michael Schnock aus Löderburg, der den Neujahrsempfang genoss, gefiel der Vortrag hervorragend: „Da haben wir wohl doch nicht so viel verkehrt gemacht in Sachen Energiewende.“

Und Landrat a.D. Ulrich Gerstner meinte: „Sehr kurzweilig. Beim Wetter kann ja jeder mitreden. Aber hier gab es viele neue Erkenntnisse.“ Er komme jedenfalls schon ins Grübeln. Das fange beim Essen an. „Ich werde kein Vegetarier werden, aber muss es wirklich jeden Tag Fleisch sein?“

Anita Bader, Geschäftsführerin der Mitteldeutschen Kammerphilharmonie verriet: „Ich hatte anderthalb Stunden ein schlechtes Gewissen. Ich habe so ein abgebildetes Auto. Aber ich fahre ab sofort auch mit dem Auto auf Arbeit – zwei von fünf Tagen. Das nehme ich mir zumindest vor.“

Buchhändlerin Heike Kamrad aus Staßfurt fand es „ganz toll, aber traurig, dass man so ein ernstes Thema so lustig verpacken muss, damit es die Menschheit erreicht“.

Die Auszeichnung der Ehrenamts-Preisträger 2017 im Salzlandkreis gehörte ebenfalls zum Programm des Neujahrsempfangs. Salzland-Kurier wird über Bettina Winkler, Uwe Espenhahn und Michel Olschewski noch berichten.