Ku-Klux-Klan SEK stürmt Wohnung

Ein Mann aus Hohenerxleben steht unter Verdacht, kriminelle Vereinigung mit nationalsozialistischem Hintergrund mit gegründet zu haben.

17.01.2019, 23:01

Hohenerxleben l Eine Szene wie im Film spielt sich am Mittwochmorgen in Hohenerxleben ab. Es ist noch dunkel. „Das muss gegen 6 Uhr gewesen sein“, erzählt ein Nachbar. Er wollte gerade seinen Sohn in die Schule schaffen. „Hier liefen überall Vermummte rum.“

Die „Vermummten“ waren Polizisten des SEK (Spezialeinsatzkommando) der Polizei. Mehrere Kleinbussen hat das Landeskriminalamt Baden-Württemberg nach Hohenerxleben geschickt, zur Unterstützung Kollegen des SEK Magdeburg dazugeholt. Einsatzort ist eine Häuserreihe mit mehreren, kleinen Wohnungen in der Dorfmitte. „Mein Kumpel stand im Bett, so hat das geknallt“, erzählt ein Mann aus dem Dorf. „Die gehen ja richtig brachial vor.“

Die schwerbewaffneten Polizisten stürmen durch die Tür der Wohnung und werfen eine Blendgranate hinein. „Das ist ein Irritationskörper, der erstmal die Sicht vernebeln und den Verdächtigen die Orientierung nehmen soll“, erklärt der Sprecher des Landeskriminalamtes (LKA) in Magdeburg. Die Blendgranate zerstört sogar das Fenster auf der anderen Seite der Wohnung. „Der Glaser war da und Scherben lagen dort auf dem Fußweg, als ich an dem Morgen mit meinem Hund gegangen bin, und die Bullis der Polizei waren auch noch da“, erzählt ein Augenzeuge.

Die kleinen, stark sanierungsbedürftigen Wohnungseingänge liegen dicht an dicht. „Morgens war hier noch abgesperrt“, erklärt eine Nachbarin. „Ich habe geschlafen, aber meine Nachbarin kam gerade nach Hause. Als sie die vermummten Polizisten gesehen hat, ist sie vor Angst gleich wieder umgedreht.“ Eine andere Nachbarin soll sich so sehr erschreckt haben, dass sie sofort die Polizei rief.

Etwa 9 Uhr am Morgen sollen die letzten Fahrzeuge der SEK-Einheiten weggefahren sein. Ihr Ziel war es, Beweismaterial aus der Wohnung eines verdächtigen Hohenerxlebener zu beschlagnahmen, der zur Vereinigung „National Socialist Knights of the Ku-Klux-Klan Deutschland“ (zu Deutsch in etwa „Nationalsozialistische Ritter des Ku-Klux-Klans Deutschland“) gehören soll.

„Es besteht der Verdacht, dass eine kriminelle Vereinigung gebildet wurde, die geplant hat, schwere Straftaten zu begehen oder bereits solche begangen hat“, erklärt Andreas von Koß, LKA Magdeburg, das als Behörde nur unterstützend involviert war. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart, Abteilung Staatsschutz, hatte eine Großrazzia mit 200 Polizisten angeordnet. Zwölf Wohnungen von 17 Verdächtigen wurden zeitgleich in acht verschiedenen Bundesländern gestürmt. In Sachsen-Anhalt waren es zwei mit Hohenerxleben und Aschersleben.

Auf die Spur der Mitglieder der mutmaßlichen Vereinigung kamen LKA-Ermittler in Stuttgart zufällig, als sie im beschlagnahmten Handy eines Rechtsextremen Chatprotokolle und Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen fanden, so Ulrich Heffner, Sprecher des LKA Baden-Württemberg. Die Mitglieder äußerten sich dort gewaltbereit, planten, sich zu bewaffnen, und sprachen Gewaltfantasien aus. Bis zu der Razzia war nicht einmal dem LKA in Magdeburg etwas von dem Verdacht bekannt, so von Koß.

Die Behörden in Baden-Württemberg stehen heute erst am Anfang der Ermittlung und werden zunächst die neuen Beweismittel mit insgesamt über 100 Waffen auswerten – darunter verbotene Waffen, Schwerter, Macheten, Faust- und Butterflymessern, Wurf- sterne, Urkunden, Mitgliederlisten, T-Shirts und Symbole der Gruppierung, Computer und Handys. Weil noch unklar ist, ob das Netzwerk eine kriminelle Vereinigung ist, „liegen erst einmal keine Haftgründe vor“, erklärt von Koß. Der Verdächtige aus Hohenerxleben durfte zuhause bleiben. Auch bis zum gestrigen Donnerstag wurden noch keine Haftbefehle vollstreckt.

Wer ist der Verdächtige aus Hohenerxleben? Geboren wurde er 1974. Der als „stämmig“ beschriebene Mann hat sich 2014 für die NPD zur Kreistagswahl aufstellen lassen. Auf Facebook zeigt er sich mit Kleidung und Schmuck mit rechtsextremer Symbolik, veröffentlicht Slogans wie „Deutscher durch die Gnade Gottes“. Er trägt Glatze und Tattoos mit Motiven, die an die Symbolik der Wehrmacht erinnern.

Der Verdächtige soll mehrmals in kurzen Maßnahmen als Ein-Euro-Jobber gearbeitet haben. Er sei freundlich und verträglich gewesen, heißt es aus dem Umfeld, war im Ort aber kaum in Erscheinung getreten.

Der Mann soll abwechselnd in der aktuell durchsuchten Wohnung und in einem Haus im Dorf gewohnt haben. Dort soll er gemeinsam mit einer Familie gelebt haben, die im Ort als verwahrlost gilt. Es habe Vorfälle gegeben, bei denen Bierflaschen aus dem Fenster flogen oder Kampfhunde der Familie ausgerissen waren und von den Behörden wieder eingefangen werden mussten.