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Neundorf Straßenausbau nicht weiterverfolgt

Nach einem Treffen lärmgestresster Anwohner der Ortsdurchfahrt in Neundorf, beantwortet das Verkehrsministerium die wichtigsten Fragen.

09.07.2020, 23:01

Neundorf l Am Dienstag, 23. Juni, um 6.30 Uhr am Morgen hatten sich 25 Anwohner der Ortsdurchfahrt in Neundorf versammelt. Die Bürgerinitiative ‚Ortsumfahrung Neundorf‘ hatte Andreas Schmidt eingeladen. Der Landtagsabgeordnete (SPD) für den Staßfurter Wahlkreis stellte aber ernüchternd klar: Das Land hat kein Geld für eine Ortsumgehung. Daraufhin hat die Volksstimme dem Verkehrsministerium Sachsen-Anhalt die wichtigsten Fragen der Neundorfer weitergeleitet. Hier sind die Antworten.

• Eine Ortsumgehung wird in den nächsten Jahren nicht gebaut, so das Verkehrsministerium, Sprecher Peter Mennicke: „Im Hinblick auf die Abarbeitung der Maßnahmen des vordringlichen indisponiblen Bedarfs konnte die Planung der Ortsumgehung Neundorf aufgrund der nur begrenzt zur Verfügung stehenden Ressourcen in der Landesstraßenbaubehörde (* die Straßenverwaltung des Landes) bisher nicht aufgenommen werden.“

Das Land konzentriert sich dieser Jahre wegen „der begrenzt zur Verfügung stehenden personellen und finanziellen Kapazitäten“ eher auf den Erhalt der Landesstraßen, neue Radwege, Ersatz maroder Brücken und schon begonnene Straßenbauprojekte.

• Eine Ortsumgehung für Neundorf habe keine oberste Priorität. Sie ist nur in „Dringlichkeitskategorie I“ eingeordnet, die nach dem wichtigeren „indisponiblem Bedarf“ kommt. Die Rangfolge, welche Straße neu gebaut wird, steht im Landesverkehrswegeplan.

Dieser Plan stammt von 2014 und führt 70 Neubauten in ganz Sachsen-Anhalt auf. Die Reihenfolge hat man festgelegt anhand von Verkehrsbelastung, Verkehrssicherheit und Mängeln der aktuellen Straße in Linienführung, Querschnitt oder Zustand der Fahrbahn.

• Die 2004 für eine Ortsumgehung Neundorf berechneten Gesamtkosten von 3,4 Millionen Euro für eine Strecke von 3,3 Kilometer dürften mittlerweile gestiegen sein.

• Den nächsten Plan zur Reihenfolge von Straßenausbauprojekten will das Land unter dem Titel „Strategie Landesstraßenbau 2030“ aufstellen, wobei das Jahr Programm ist.

• Das Verkehrsministerium erklärt: „Eine bundesweite Erfassung und Auswertung der durchschnittlich täglichen Verkehre wird im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur alle fünf Jahre durchgeführt.“ Die letzte Verkehrszählung stammt von 2015 und ergab für die L 72 in Neundorf 4676 Fahrzeuge, davon 308 Schwerlastfahrzeuge, in 24 Stunden. Die 2020 geplante neue Straßenverkehrszählung wird wegen Corona auf 2021 verschoben.

• Von einer vorgezogenen Verkehrszählung extra für Neundorf will das Verkehrsministerium absehen: Es gäbe keinen Anhaltspunkt, dass sich die Verkehrszahlen im Vergleich zu 2015 geändert hätten. Außerdem führe ja die neue Tempo 30-Zone an der S-Kurve schon zu weniger Lärmbelästigung.

• Generell können Verkehrszählung aber entweder vom Verkehrsministerium in dringenden Fällen oder von der Salzlandkreisverwaltung angeordnete werden, wenn Anwohner einen Antrag stellen.

• Lärmpegelmessungen werden eigentlich gar nicht durchgeführt, so das Verkehrsministerium. Wenn es um Tempolimits, Ampeln oder andere Lärmschutzmaßnahmen geht, berechnet man den Lärmpegel nur aus den Ergebnisse der Straßenverkehrszählung alle fünf Jahre.

• Die letzte Berechnung des Lärms für Neundorf stammt von 2018. Die Landesstraßenbaubehörde hat damals die Zahlen aus der Verkehrszählung 2015 genommen und damit den Pegel im Verlauf der Ortsdurchfahrt Neundorf berechnet. Das hatte damals die Straßenverkehrsbehörde des Salzlandkreises angefordert.

• Eine Prüfung wegen Lärm können aber auch Anwohner bei der Landesstraßenbaubehörde einfordern. „Dem entsprechend wird bei Bürgeranfragen empfohlen, dort eine schriftliche Anfrage mit konkreter Angabe zur Lage der zu schützenden Wohngebäude zu stellen“, so das Verkehrsministeriums. Aber auch dafür werden keine Lärmmessungen gemacht, sondern wieder „nur“ Berechnungen aus der Verkehrszählung.

• Die neue Tempo 30-Zone an der S-Kurve wurde laut Verkehrsministerium übrigens nicht wegen Lärm eingerichtet, „sondern zur Erhöhung der Verkehrssicherheit“.

• Das Verkehrsministerium erklärt, dass Anwohner von lärmgeplagten Straßen Anträge „auf straßenverkehrsrechtliche Maßnahmen aus Lärmschutzgründen“ stellen können, bei der Straßenverkehrsbehörde im Salzlandkreis.

Dort hatte allerdings Ortschaftsratsmitglied Frank Rögner (SPD) schon 2018 einen Antrag auf Tempo 30 für die ganze Ortsdurchfahrt gestellt, der abgelehnt wurde. Denn um so etwas durchzusetzen, müssen Lärm und Abgase jenseits des „Ortsüblichen“ und „Zumutbaren“ liegen. Das müsse schon in Richtung „Gesundheitsschädigungen“ gehen.

• Eine grundhafte Sanierung der Ortsdurchfahrt Neundorf scheint schon realistischer als eine Ortsumgehung. Landtagsabgeordneter Andreas Schmidt (SPD), der sich mit den Anwohnern in Neundorf getroffen hatte, hat mittlerweile herausgefunden, dass dafür nicht nur das Land zuständig ist: „Die Baulast liegt je zur Hälfte beim Land und bei der Stadt.“ Einen grundhaften Ausbau müssten also die Stadt Staßfurt und die Landesstraßenbaubehörde zusammen durchführen.

Das Verkehrsministerium bestätigt sogar: „Ein Planungsbeginn zum grundhaften Um- und Ausbau der L 72 Ortsdurchfahrt Neundorf war in der Vergangenheit mehrfach Thema in Abstimmungen mit der Stadt Staßfurt. Ein Planungsbeginn ist bisher in Folge der jeweils gegebenen personellen und finanziellen Randbedingungen noch nicht erfolgt und kann auch jetzt nicht belastbar terminiert werden. Eine diesbezügliche Planungsvereinbarung mit der Kommune existiert nicht.“ Es gab also sogar schon Anläufe zur Sanierung, die aber aus irgendwelchen Gründen wieder verworfen worden.

Um die Ortsdurchfahrt für eine Sanierung auszuwählen, würde die Landesstraßenbaubehörde nach Aspekten gehen wie Verkehrsaufkommen, Unfallgeschehen, aber auch, ob die Gemeinde oder die Versorger auch ausbauen wollen und sich das leisten können.

• Landtagsabgeordneter Andreas Schmidt weiß nun, dass für einen grundhaften Ausbau sowohl Landesstraßenbaubehörde als auch die Stadt Staßfurt mitspielen müssten. „Allerdings sind die Gespräche zum Thema zwischen beiden gestoppt worden, bevor es überhaupt zu Kostenschätzungen für das Projekt gekommen ist. Die Fragen ist nun, wer hier auf die Bremse getreten ist und warum.“ Er versucht derzeit, mit beiden Parteien in Kontakt zu kommen.