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Ortsdurchfahrt Der Lärm nervt einfach nur noch

Das Maß ist voll, findet ein Ehepaar aus Neundorf. Bei einer eigenen Verkehrszählung haben sie erschreckende Zahlen ermittelt.

15.05.2018, 06:00

Neundorf l Es sind erschütternde Zahlen - im wahrsten Sinne des Wortes. Das Ehepaar Helga und Hans-Werner Brandt hat den lärmenden Verkehr in der Neundorfer Ortsdurchfahrt - die L 72 - gezählt. „Wir haben im März einen Tag lang den Verkehr vor unserem Haus vom Wohnzimmerfenster aus gezählt“, so Hans-Werner Brandt. „Dazu haben meine Frau und ich uns abgewechselt.“

Die Zählung der beiden an ihrem Wohnzimmerfenster, wo es seit Jahrzehnten durch die Lkw scheppert und rumst, ist sehr genau, denn das Fenster war immer besetzt. Das Ergebnis: Ganze 6023 Fahrzeuge passierten an einem Donnerstag im März ihr Haus. Dabei ist die Anzahl der Pkw am größten - in der Spitzenzeit von 13.30 bis 17 Uhr waren es 1711 Autos.

Was die Brandts und ihre Nachbarn aber am meisten nervt, sind die Lkw: „Die donnern über die Straße, dass es bei uns im Wohnzimmer wackelt und scheppert“, erklärt Hans-Werner Brandt. Es seien schon Gegenstände aus den Regalen gefallen. „Schon früh am morgen fahren viele Lkw“, erklärt er. Von 5 bis 7.30 Uhr: 50 Lkw. Von 7.30 bis 10.30 Uhr: 90 Lkw. Von 10.30 bis 13.30 Uhr: 85 Lkw. „Sie fahren bis spät am Abend“. Von 17 bis 20.15 Uhr waren es nochmal 52 Lkw.

Die Anwohner fühlen sich besonders durch die schweren Fahrzeuge belastet - die Lkw zum Mülltransport und die Versorgungs-Lkw für die Supermärkte. Einst hieß es offiziell, die Autos für die Müllverbrennung sollen vorgeschriebene Routen fahren - dies tun sie längt nicht mehr.

Der Grund für das Scheppern liegt im schlechten Zustand der Straße. „Das Problem ist das Kopfsteinpflaster, das unter der Asphaltdecke liegt“, weiß Hans-Werner Brandt. Als an der Straße vor 20 Jahren gebaut wurde, hat man einfach eine dünne Asphaltschicht über das Kopfsteinpflaster gelegt. Das sorgt bis heute für die lauten Schwingungen.

Die Folge sind auch Risse in den Häusern. „Auch meine Nachbarn haben Risse“, sagt Hans-Werner Brandt und zeigt mehrere Schäden an der Vorderfront seines Hauses. Dieses Problem zieht sich in Neundorf über zwei Kilometer. Die Häuser an der L 72 liegen nah an der Straße.

Die Anwohner der Hauptstraße haben die Faxen dicke. Seit Jahrzehnten leiden sie unter dem Lärm. „Es kann einfach nicht sein, dass man uns immer wieder vertröstet“, sagt Hans-Werner Brandt. Die Staßfurter Volksstimme berichtet seit 2006, dass die Neundorfer eine Ortsumgehung wollen. 2010 gab es eine Bürgerinitiative, die Unterschritten für Tempo 30 sammelte. Immer wieder protestierten Bürger und Ortspolitiker.

Aber es passierte einfach nichts. Warum steht Neundorf so hinten an? Hans-Werner Brandt findet: „In Brumby ging es doch auch. Dort haben die Bürger protestieren und nach zehn Jahren kriegen sie jetzt ihre Ortsumgehung.“

Eine Ortsumgehung muss es in Neundorf seiner Meinung nach gar nicht mal sein. „Aber wir fordern den grundhaften Ausbau“, sagt er. Das alte Kopfsteinpflaster muss raus. Heute gebe es Möglichkeiten des Bauens, dass Erschütterungen und Lärm gedämpft werden. „Oder Tempo 30 - ich verstehe nicht, warum das nicht möglich ist.“

Aber der grundhafte Ausbau ist laut Landesstraßenbaubehörde, die für die Landesstraße hier zuständig ist, in nächster Zeit wieder nicht vorgesehen. Der Ausbau ist zwar in Planung, sagt Regionalchef Stefan Hörold der Volksstimme, aber sie hat für das Land keine Priorität. Planungsbeginn soll erst in den nächsten fünf bis acht Jahren sein.

Vor einiger Zeit hatte die Landesstraßenbaubehörde in der Volksstimme erklärt, dass der grundhafte Ausbau der L 72 in Neundorf schwierig ist. Warum? „Die Pflasterdecke unter dem Asphalt ist als Bogen gebaut“, erklärt Stefan Hörold. Dort liegen unterirdische Versorungsleitungen wie Abwasser, Strom, Telefon und so weiter. Das alles müsste beim Straßenausbau erneuert werden - mit Abwasserverband, Telefonanbieter, Stadt und so weiter. Also ein umfangreiches Projekt mit vielen Partnern.

Dazu kommt das Problem mit den Fußwegen: Die liegen tiefer als die Straße. Baut man heute die Straße, muss man das Bauwerk den aktuellen Vorschriften anpassen, erklärt Stefan Hörold. Damals einfach die Asphaltdecke auf das Kopfsteinpflaster zu setzen, war ein Fehler. Nach heutigem Stand müssen entweder die Straße oder die Fußwege heruntergesetzt werden. Ein teurer Spaß für Stadt und Bürger, die wieder Beiträge zahlen müssten.

Damit bleibt den Anwohnern nur, eine Bürgerinitiative zu gründen und zu protestieren. Hans-Werner Brandt und seine Ehefrau denken ernsthaft darüber nach, Mitstreiter zu suchen. Leidensgenossen hätten sie ja genug. Denn der Lärm nervt einfach nur noch.