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Probearbeiten Bauen mit Beton ist gar nicht so hart

In unserer Sommerserie betätigt sich Volksstimme-Reporter Falk Rockmann in Staßfurt als Betonbauer.

22.07.2019, 23:01

Staßfurt l „Bei einer Betonage geht‘s so lange, bis die letzte Trommel leer ist“, höre ich Bauleiter Günter Döbbel beim „Bewerbungsgespräch“, als es um die Arbeitszeit geht. Kein Problem – in der Redaktion geht‘s so lange, bis der letzte Text- oder Fotorahmen gefüllt ist. Die Arbeitszeit ist also flexibel, auch auf dem Bau. Im Sommer geht‘s hier mit 41 Stunden zwei länger als im Winter.

Günter Döbbel muss nicht lange überlegen und ist bereit für den Zeitungsfritzen als Praktikant.

Ich habe Glück, ausgerechnet am vereinbarten Tag wird Beton gemacht. „Meine“ Baustelle: das „Haus am See“ in Staßfurt, Teil I. Deren Geschichte durfte ich schon fast zehn Jahre lang verfolgen, seit dem das Objekt erstmals im Stadtrat diskutiert wurde, damals noch als Kompetenzzentrum für den Kalibergbau.

Kein Vergleich mit dem Zeitplan, den die Leute nun auf dem Bau zu erfüllen haben. Ziel ist, den Rohbau bis Dezember fertigzustellen. 2019 natürlich!

Na, da ist doch jede zusätzlich helfende Hand willkommen?! Ich bin sogar etwas stolz, dabei sein zu dürfen!

So problemlos wie meine „Einstellung“ erfolgen durch Vorarbeiter Andreas Schulz Arbeitsschutzbelehrung und Aufgabenstellung für die nächsten Stunden.

Bis es „ernst“ wird und die erste Betontrommel kommt, habe ich Zeit, die Kollegen auf der Baustelle kennenzulernen – vom Auftragnehmer Industriebau Wernigerode nach dem Polier den Zimmermann, einen Kranführer, zwei Betonbauer, den Lehrling in spé – sowie vier Bauleute von einem Nachauftragnehmer. Die drücken mir gern erstmal eine Schaufel in die Hand, um ein bisschen den Unterbau für die zu gießende Sauberkeitsschicht mit auszugleichen. Schließlich sind heute Notizblock und Fototasche nur nebenbei meine Arbeitsgeräte.

Ich habe saumäßiges Glück mit dem Wetter. Eine Woche zuvor mussten die Jungs bei über 30 Grad malochen. Heute sind es 10 Grad weniger, von Arbeitsbeginn 7 Uhr an. Und die Temperaturen ändern sich komischerweise bis zum Mittag auch nicht, weil sich Klärchen bis dahin hinter Wolken versteckt. Die zu Hause noch schnell aufgetragene Sonnenschutzcreme hätte ich mir sparen können. Weil leichter Nieselregen fällt, sind auch Helmpflicht und Gummistiefel nicht so ganz unangenehm. Lästig dagegen die Schutzbrille.

Der leichte Regen ist optimal beim Betonmachen. Das erste Trommelfahrzeug rollt nun endlich an. Die erste „Bombe“, ein Trichtertransportbehälter, wird mit fast einem Kubikmeter gefüllt und per Baustellenkran an die gewünschte Ecke gehievt. Nachdem der erste Beton durch den Schlauch auf die vorbereitete Plane klatscht, ist Burkhard Wenzel dabei, das richtige Maß zu finden. 42 Jahre ist der Hecklinger schon auf dem Bau beschäftigt. Eigentlich bräuchte er das Nivelliergerät nicht mehr. Doch sicherheitshalber lässt Burkhard es vom künftigen Lehrling Lukas auf die Masse halten – alles im grünen Bereich.

Derweil dreht Siegbert Christ immer wieder am Rad der „Bombe“ – es gibt doch überall einen, der immer am Rad dreht – und lässt Beton nachrutschen. Wer übrigens keinen Spaß versteht, ist auf dem Bau fehl am Platz.

Zimmermann Michael Hahn zeigt mir, wie man den Beton abzieht: die Patsche fest in beide Hände nehmen und langsam rückwärtsgehend mit kurzen Vor-Zurück-Bewegungen über den Beton „schwabbeln“. So wird der Abschluss glatt.

Ich bekomme das gefühlt fünf Kilogramm schwere Arbeitsgerät in die Hand gedrückt. „Mach mal!“ Ich mach‘. Ich folge den Männern und dem Lehrling unter der Bombe. Stück für Stück. Als hätte ich nie was anderes gemacht, sagt einer. Ich weiß nicht mehr wer. Schließlich verlangt allein die Bezeichung „Sauberkeitsschicht“ für meine Begriffe vollste Konzentration. Dabei sollen die fünf Zentimeter Beton eigentlich nur das Versinken der Grundplatten-Bewehrung im Unterboden verhindern. Aber zurück zur Patsche. Die will ich gar nicht mehr hergeben, bis die erste Fuhre daliegt wie ein Spiegel. Der Takt mit den anderen hat offensichtlich gestimmt. Und es hat auch niemand was am Ergebnis auszusetzen. „Wir hatten schon ganz andere hier“, fasse ich als Kompliment vom Zimmermann auf.

Ja, die Arme merke ich schon etwas mehr als bei der Arbeit am Computer, gebe ich zu. Aber das heißt nicht, dass der Rücken in der Redaktion nicht auch schmerzt. Zustimmendes Nicken ringsum.

Wir nutzen die Zeit bis zur zweiten Betontrommel mit frischem Gehackten und Bäckerbrötchen. Das Frühstück hat der Praktikant als Dankeschön für die freundliche Aufnahme vom nahen Wochenmarkt geholt. Erfahrungen werden ausgetauscht.

Burkhard meint: „Auf dem Bau ist es wichtig, sich richtig zu bewegen. Das fängt beim richtigen Heben an. Das ist das A und O. Und nicht blindlings anfassen. Auch mal selbst überlegen. Der Plan stimmt nicht immer.“ Burkhard hält immerhin seit 1977 durch. „Und Muskelaufbau ist genauso wichtig“, ergänzt er noch. Ich zeige frech auf seinen Bauch. Nee, die Muskeln sind nicht gemeint.

Und Lukas? Meinst du nach einer Woche Schnuppern, dass drei Jahre Lehre zum Betonbauer die richtige Entscheidung ist? „Ich denke ja“, sagt der junge Atzendorfer. Was ihm Burkhard schon gutschreibt ist, dass er immer Fragen gestellt habe. „Wenn jemand Interesse hat, ist das viel wert.“

„Wir hätten gern mehr davon“, bestätigt auch der Bauleiter, wie händeringend Nachwuchs gesucht wird in der Branche. Selbst beim Industriebau Wernigerode, wo nach Tarif bezahlt werde und wo auch Urlaubs- und Weihnachtsgeld kein Fremdwort sind. In meiner Brigade ist der Zimmermann der letzte hier ausgebildete Lehrling – das war vor 30 Jahren.

Mittlereweile rückt die zweite Trommel an. Ich darf nochmal ran. Am Ende stecken etwa zwei Drittel der rund 300 Quadratmeter, die wir betoniert haben, in meinen Armen.

„Kannst gern nächsten Freitag wiederkommen“, laden mich die Kollegen lachend ein, „Dann wird die Grundplatte gegossen.“ Das heißt: 50 Zentimeter weitaus zäherer Beton zwischen die Bewehrung pressen. Ich muss leider ablehnen. Denn ausgerechnet ab diesem Zeitpunkt will ich erstmal von Arbeit nichts mehr hören. Ich komme aber wieder zur Baustelle „Haus am See“. Versprochen! Und die Zeit als Betonbauer möchte ich auf keinen Fall missen. Auch wenn es nur ein paar Stunden waren.

Die nächste Folge der Sommerserie erscheint am kommenden Dienstag, 30. Juli: Dann arbeitet Sebastian Rose als Bootslehrer.

Bisher arbeiteten Olaf Koch als Bierbrauer, Enrico Joo als Schwimmmeister und Thomas Linßner als Kindergärtner.