1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Staßfurt
  6. >
  7. Aus der Vergangenheit lernen

Sanierungen Aus der Vergangenheit lernen

Nach dem Planungsdebakel bei drei Kitas und drei Schulen in Staßfurt fordern Lokalpolitiker Aufklärung.

Von Enrico Joo 13.11.2020, 09:19

Staßfurt l Die Idee war gut. Die Aussicht auf zahlreiche Fördermittel verlockend, der Moment günstig. Weil an zahlreichen Kitas und Schulen Sanierungsstau herrschte, nahm sich die Stadt Staßfurt vor Jahren vor, gleich mehrere Einrichtungen parallel zu sanieren. Die Kitas „Benjamin Blümchen“, „Pusteblume“ und „Bergmännchen“, die Grundschule „Ludwig Uhland“ sowie das Schulzentrum Nord mit Grundschule Nord und der Gemeinschaftsschule „Hermann Kasten“ sollten auf Vordermann gebracht werden. Den Zuschlag für alle Projekte bekam ein renommierter Architekt aus Magdeburg, der schon andere Projekte in Staßfurt begleitet hat und auch dieses Mal die wirtschaftlich besten Angebote eingereicht hat.

Doch das Mammutprojekt scheiterte. Die Sanierung der Kita „Bergmännchen“ ist auf Eis gelegt, obwohl die Kinder schon lange ausgelagert wurden. Die Verträge für Uhlandschule und Schulzentrum Nord wurden gekündigt, ein neuer Planer beauftragt. Lediglich bei den Kitas in Förderstedt und Neundorf durfte der Architekt im Boot bleiben. Bei beiden Einrichtungen gab es aber große Verzögerungen. Immer wieder hemmten unbrauchbare Entwürfe den Fortgang der Sanierungen. Die Stadt Staßfurt schaltete Anwälte ein. Es mussten Fördermittel zurückgegeben werden.

Das ganze Ausmaß des Planungsdebakels war im Sommer bekannt geworden. Das verärgerte auch die Stadträte. Die CDU hatte darauf gedrängt, dass ein „zeitweilig beratender Ausschuss zur Betrachtung von Investitionsfördermaßnahmen“ gegründet wird. Dieser Sonderausschuss tagte am Mittwoch zum ersten Mal.

Warum ein Sonderausschuss? Die Probleme sind zu umfangreich, um im Stadtrat besprochen zu werden. Das Ausmaß des Debakels ist zu groß. In der ersten Sitzung ging es vor allem darum, klar zu machen, wohin die Reise des Ausschusses überhaupt gehen soll. Laut Antrag der CDU sollten unter anderem folgende Fragen im Ausschuss geklärt werden: Wann wurden die ersten Probleme bekannt? Wie erfolgte die Analyse der Kostenentwicklung der einzelnen Projekte? Wie wurde die Leistungsfähigkeit des Planungsbüros überprüft? Wie wurde die Entscheidung getroffen, ohne externen Projektsteuerer so viele Projekte gleichzeitig anzugehen? Wer hat die Ablauforganisation in der Verwaltung zu verantworten? Wer hat die Mitarbeiter/-innen geführt und überwacht?

Was will der Ausschuss erreichen? „Es sollte darum gehen, ein Frühwarn- und Kommunikationssystem zu installieren“, sagte Bianca Görke (Linke). „Ich bin ein glühender Verfechter des CDU-Antrags. Ich erhoffe mir einen Mehrwert für künftige Prozesse.“ Sie wünscht sich eine Aufklärung ohne anzuklagen. Matthias Büttner (AfD) fragte: „Welche Mechanismen müssen installiert werden? Wie war es zu den Vergaben gekommen? Ist alles korrekt gelaufen?“ Das sind für ihn die Knackpunkte.

Ralf-Peter Schmidt (UBvS), der sich seit Jahren sozial engagiert und langjähriges Mitglied im Stadtrat ist, wurde einstimmig zum Vorsitzenden des neuen Ausschusses gewählt. Er sagte: „Wir müssen aus der Vergangenheit lernen und aufarbeiten. Wir müssen die Vergangenheit betrachten und die Zukunft gestalten.“

Oberbürgermeister Sven Wagner (SPD) solle einen Fragenkatalog beantworten, zudem solle das Klageverfahren gegen den Architekten zügig vorbereitet werden, um etwaige Fristen nicht verstreichen zu lassen. Görke warf hier ein: „Das Klageverfahren braucht Vorarbeit. Das will gut überlegt sein.“

Klaus Stops (CDU), der einstimmig zum stellvertretenden Vorsitzenden gewählt wurde, merkte an, dass sein Fraktionskollege Stephan Czuratis die Chance zur Akteneinsicht genutzt habe. An zwei Tagen durften die Kommunalpolitiker die Akten einsehen. Allerdings: „Die Unterlagen waren viel zu umfangreich“, sagte Stops. Er forderte, dass die Stadt unter anderem sämtliche Aussagen, alle Verträge, Protokolle und Stellungnahmen seit Juni 2019 zu den Planungsprojekten zusammenträgt. Warum Juni 2019? „Am 1. Juli 2019 wurde im Stadtrat erstmals über Verzögerungen informiert“, so Stops.

Oberbürgermeister Wagner merkte an, dass der Ausschuss kein Untersuchungsausschuss sein könne. „Er kann aber vorberatend für ein Klageverfahren agieren. Wir müssen da sortieren“, sagte er. Zum Fragenkatalog sagte er: „Die Antworten liegen seit August in schriftlicher Form über sechs Seiten vor. Da können wir einen Haken dran machen.“ Schmidt reagierte: „Nein, da machen wir keinen Haken dran. Es braucht einen gemeinsamen Sachstand und eine gemeinsame Grundlage.“

Stops sah irritiert in die Runde und fragte sich, wann und wie die Fragen beantwortet wurden. „Ich sehe an den Blicken meiner Kollegen, dass es ihnen ähnlich geht“, sagte er.

Auch Görke machte sich dafür stark, dass der Ausschuss aufklären soll. „Natürlich brauchen wir Sachkenntnis und Informationen. Die Informationen waren zu wenig und kamen zu spät“, sagte sie. In Richtung Wagner rief sie: „Wir sind kein Kaffeekränzchen.“

Büttner sprang seinen Vorrednern bei: „Die Ziele des Ausschusses sind nicht weit von einem Untersuchungsausschuss entfernt. Es braucht eine Analyse und einen Ausblick samt Abschlussbericht. Ich verstehe den Ausschuss so, das genau so zu betrachten.“

Michael Hauschild (SPD) meinte: „Das Klageverfahren sollte nicht prioritär sein.“ Er merkte zudem an, dass jeder die Chance hatte, die Akten einzusehen.

Insgesamt waren sich die Ausschussmitglieder einig, dass es Aufarbeitung braucht. „Wir müssen erstens verstehen, zweitens aufarbeiten und drittens Rückschlüsse ziehen“, fasste Ralf-Peter Schmidt zusammen. Es brauche also Akteneinsicht, der Fragenkatalog muss beantwortet, eine Ablaufskizze erstellt werden. „Wir wollen wissen, ab wann es geklemmt hat.“