1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Stendal
  6. >
  7. Gemütliche oder tote Stadt?

EIL

Tourismus Gemütliche oder tote Stadt?

Am Wochenende sind viele Touristen in Stendal gewesen. Die Volksstimme sprach mit einigen von ihnen, hörte viel Lob, aber auch manche Kritik.

Von Thomas Pusch 03.08.2015, 01:01

Stendal l Sonnabend, kurz vor 14 Uhr. Der Sommer ist zurückgekehrt, die Sonne erwärmt den Marktplatz und ein kleines Grüppchen ist bereit für den Stadtrundgang mit Gundula Brandt. Nach eineinhalb Stunden soll er am Winckelmannplatz enden und dann wollen sie über ihre Eindrücke von der Hansestadt sprechen.

Das Hannoveraner Ehepaar Inge und Reinhard Geck ist sehr begeistert von seiner Stendal-Premiere. „Wenn man am Bahnhof ankommt, macht die Stadt einen verschlafenen Eindruck, aber schon die Bahnhofstraße hat mich sehr beeindruckt“, sagt Inge Geck, wobei ihr Ehemann aber schon die Baumlosigkeit der Straße bemerkte. Auf dem Weg zum Marktplatz fiel ihnen das Projekt auf, das aus dem ehemaligen Gefängnis ein Wohnhaus werden lässt. „Das ist doch toll, mit dem Dom gleich neben an und dem grünen Umfeld“, meint Inge Geck.

Die niedersächsischen Landeshauptstädter hatten ursprünglich überlegt, das wiedereröffnete Dom-Museum in Hildesheim zu besuchen, doch sie bereuen ihre Entscheidung keineswegs. „Es ist so schön gemütlich hier, ungehetzt“, findet die Hannoveranerin. „Vergleichbar mit Wolfenbüttel“, ergänzt ihr Ehemann. „Aber wir haben hier kein Schloss“, gibt die Stadtführerin zu bedenken. „Die Backsteingotik und die Kirchen gleichen das aber aus“, findet Inge Geck.

Was die Hannoveraner angesichts des Trubels an ihrem Hauptbahnhof gemütlich finden, sieht ein Ehepaar aus Wien auf dem Caravan-Parkplatz ganz anders. „Das ist hier eine tote Stadt“, meint Dora Zima. „Es ist Samstagnachmittag, alles ist zu, auch das Museum ist nicht geöffnet“, fügt sie hinzu. Ein paar Jahre nach der Wende war sie mit ihrem Ehemann Helmut schon einmal in der Stadt, hatte damals aber auch nicht viel erwartet. „Jetzt scheint die Zeit stehengeblieben zu sein“, findet er. Die Entwicklung in Ostdeutschland finden sie toll, betonen beide, nennen Leipzig, Dresden, Wismar als positive Beispiele, aber Stendal will sich da nicht so richtig einfügen. „Das sind vertane Chancen, kümmert sich der Bürgermeister denn nicht genug“, fragt Helmut Zima.

Total enttäuscht ist auch die Kielerin Sonja Saggau, die mit ihrem Mann Günter unterwegs ist. „Wir waren in einer Gaststätte in der Innenstadt und haben für zwei Becher Kaffee und ein Stück Kuchen zwölf Euro bezahlt, das ist ziemlich happig“, moniert sie. Die Stadt selbst hat ihnen aber gefallen. Nur für den Caravanplatz haben sie Verbesserungsvorschläge. „Stromsäulen wären gut und vor allem ein Müllcontainer fehlt“, haben sie festgestellt.

Stromsäulen braucht Rolf Müller aus Leverkusen nicht, der mit seiner Frau Erika unterwegs ist. Sie sind mit ihrem Wohnmobil autark, schätzen sehr, dass der Platz in Stendal kostenlos genutzt werden kann. „Manche Städte verlangen zehn Euro pro Tag oder sogar noch mehr“, sagt der Nordrhein-Westfale. Ein gut besuchter Stellplatz würde der Stadt doch auch etwas bringen, denn Reisemobilisten seien schließlich zahlungskräftig, würden abends essen gehen oder auch an anderer Stelle ihr Geld ausgeben. „Die Geschäfte in der Fußgängerzone sollten aber bis 18 Uhr geöffnet haben, das ist doch normal“, zeigt seine Frau eine Grenze der Einnahmemöglichkeiten auf.

Anja Janowski ist Rezeptionisten im Hotel „Schwarzer Adler“ und spricht mit vielen Stendal-Besuchern. Die beschweren sich an der Rezeption allerdings weniger über geschlossene Geschäfte und nicht besuchbare Museen, sondern eher über die komplizierte Anfahrt wegen der Bauarbeiten im Kornmarkt. Und manche fühlen sich durch den Glockenschlag der Marienkirche gestört. „Aber dass eine Kirche ein Geläut hat, ist doch normal“, findet sie, „außerdem ist von 22 Uhr bis zum Morgen Ruhe.“