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Gericht "Weil alle gekuscht haben"

Beim ersten Gerichtsurteil im Stendaler Sparkassen-Skandal hat das Kreditinstitut gegen einen mutmaßlichen Mitverantwortlichen verloren.

26.08.2015, 10:17

Stendal l  Vor dem Stendaler Arbeitsgericht scheiterte die Kreissparkasse am Dienstag mit Rückzahlungsforderungen in Höhe von fast 230 000 Euro gegen Ex-Abteilungsleiter Gerhard U.

Beim inzwischen legendären Weinkeller in den Sparkassen-Katakomben für 79 436,30 Euro, Gebäude-Gutachten für 38 840,02 Euro, der Einrichtung eines 5,5 Quadratmeter großen Putzmittelraumes für 16 017,14 Euro, dem Umbau einer Garage in ein Möbellager für 25 660,51 Euro und 29 050 Euro für die Wartung von Fenstern hatte Sparkassen-Anwalt Philipp Bekemeier Kompetenzüberschreitungen und vorsätzliche Pflichtverletzung des langjährigen Abteilungsleiters für Investitionen und Gebäudemanagement.

Während der mehr als zweistündigen Verhandlung machte Richter Dirk Wohlandt indes mehrfach deutlich, dass er dieser Linie so nicht folgen würde. Wolandt monierte insbesondere „die Mehrdeutigkeit der Kompetenzzuweisungen“ des Kreditinstituts. So sei in einer Dienstanweisung nicht eindeutig geklärt, ob Gerhard U. Aufträge bis zu 10 000 Euro für eine Baumaßnahme oder nur für ein Gewerk hätte erteilen dürfen. „Das mag man Herrn Burmeister unter anderem vorwerfen, nicht aber dem Beklagten“, unterstrich der Richter.

Beim Weinkeller hält Wolandt die Schadensersatzansprüche gegenüber U. für verjährt. So habe mit Markus Gutmann immerhin ein Verhinderungsvertreter des Vorstandes im Jahr 2009 den Keller in der Bauphase besichtigt. „Sobald man ihn sieht, weiß man, dass das Geld geflossen ist“, argumentierte Wolandt. Die Ansprüche seien somit zum 31, Dezember 20122 verjährt – die Sparkasse hatte ihre Ansprüche jedoch erst am 10. April 2014 geltend gemacht.

Gerhard U. habe nicht davon ausgehen können, dass er seine Kompetenzen überschreiten würde. Er habe die Beschlüsse des Vorstandes nicht gekannt. „Mögliche Straftaten“ von Ex-Sparkassenchef Dieter Bur- meister „musste er nicht sehen“, so Wolandt weiter.

U.s Anwalt Rainer Hildebrand verkniff es sich nicht zu erwähnen, dass Burmeisters -Nachfolgerin Kerstin Jöntgen 2011 bei U.s Geburtstagsfeier im Weinkeller war: „Sie hat dort kräftig dem Wein zugesprochen und sich lobend geäußert.“

Sparkassen-Anwalt Bekemeier schüttelte da nur den Kopf. Mit seinen Argumenten drang er jedoch nicht durch. Burmeister und U. hätten hier „wie Zahnräder ineinander gegriffen“. U. hätte erkennen müssen, dass dieser Raum nie für Kunden gedacht sein könne. Dafür spräche auch, dass Rechnungen falsch deklariert und gesplittet worden seien. „Wozu diese Umetikettierung, wenn er davon ausging, dass alles in Ordnung war.“

Richter Wolandt meinte aber auch hier, dass U. „nicht von der betrieblichen Sinnlosigkeit“ überzeugt sein musste. Sein Anwalt Hildebrand verwies darauf, dass Burmeister selbst Fußboden-Keramik für 20000 Euro bestellt habe. Warum dies so durchging? „Weil alle gekuscht haben.“

U.s Anwalt bekräftigte am Ende seinen Vergleichsvorschlag von zwei Monatsgehältern als Schadensersatz. Wenngleich sich in der Verhandlung klar andeutete, dass sein Mandant beim Gericht die bessere Karten hatte. Hildebrand wollte damit weitere Risiken bei einem Verfahren vor dem Landesarbeitsgericht vermeiden.

Auf dieses Berufungsverfahren setzt dagegen nunmehr wohl die Sparkasse. Anwalt Bekemeier sagte nach telefonischer Absprache mit dem Vorstand entscheiden: „Vergleich kommt für uns nicht in Frage.“