1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Stendal
  6. >
  7. Stadt scheitert mit Kündigung

Briefwahlaffäre Stadt scheitert mit Kündigung

Wegen des Vorwurfs der Wahlfälschung hat die Lebensgefährtin von Ex-CDU-Stadtrat Holger Gebhardt gegen ihre fristlose Kündigung geklagt.

15.10.2015, 23:01

Stendal l Die Stadt Stendal und die Lebensgefährtin des mutmaßlichen Drahtziehers der Wahlfälschung in Stendal haben sich am Donnerstagvormittag vor dem Arbeitsgericht auf einen Vergleich geeinigt: Die befristete Stelle der Bibliothekarin endete planmäßig zum 31. August dieses Jahres.
Richterin Bettina Bartels-Meyer-Bockenkamp hatte zuvor deutlich gemacht, dass sowohl die Ende Januar ausgesprochene fristlose Kündigung als auch die wenige Tage später nachgereichte ordentliche Kündigung zum 31. März rechtlich nicht haltbar seien.
„Ich verstehe Sie, dass Sie handeln mussten. Ich möchte auch nicht Arbeitgeber sein, der sich dem Druck der Öffentlichkeit ausgesetzt sieht“, sagte die Richterin in Richtung Rathaus, das von Rechtsamtsleiter Rüdiger Hell vertreten wurde.
Die Stadt hatte sich im Januar zu der Kündigung entschlossen, nachdem die Polizei im Dezember Computer und Mobilgeräte der Frau beschlagnahmt hatte. Die Staatsanwaltschaft verdächtigt Gebhardts Lebensgefährtin eine von zwölf Mittätern zu sein.
„Wir hatten die Informationen aus dem Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichtes. Der wird ja nicht so aus dem Ärmel geschüttelt. Da müssen gravierende Gründe vorliegen“, argumentierte Hell gestern vor Gericht. Bartels-Meyer-Bockenkamp hatte bei der Staatsanwaltschaft Akteneinsicht beantragt. Diese war ihr aber ebenso wie nähere Informationen über die Verdachtsmomente wegen des noch laufenden Verfahrens verwehrt worden. Unter anderem stehe noch die Auswertung eines Gutachtens über Schriftproben aus, berichtete die Richterin.
Zudem habe ihr die ermittelnde Staatsanwältin signalisiert, dass sie bei der Einsichtnahme wegen des Umfangs der Akten drei Tage Zeit einplanen müsse. Für den Rechtsamtsleiter eine Beleg für die Dimension der Vorwürfe.
Das wollte Bartels-Meyer-Bockenkamp ohne Beweise so jedoch nicht gelten lassen: „Das, was Sie vorlegen, reicht nicht aus. Wir haben hier auch das hohe Gut der Unschuldsvermutung.“
„Im Kündigungsschutzverfahren gilt die volle Darlegungs- und Beweislast. Strafrechtliche Ermittlungen mögen einen Vortrag stützen, machen aber einen substantiierten Tatsachenvortrag nicht entbehrlich“, unterstrich die Richterin. Sie verkenne dabei nicht, dass „aufgrund der derzeitigen Ermittlungslage der Arbeitgeber nicht mehr weiß“.
Die Lebensgefährtin des ehemaligen CDU-Stadtrates hatte beim gescheiterten Gütetermin im März vor dem Arbeitsgericht eingeräumt, mehr als die erlaubten vier Briefwahlvollmachten eingereicht zu haben. Ihre Rolle beschränkte sie jedoch darauf, diese „von A nach B getragen“ zu haben. Sie machte auch gestern keine Aussage, von wem sie die Vollmachten erhalten hatte und an wen sie die Wahlunterlagen weitergereicht hat.
Rechtsamtsleiter Hell empfand den vorgeschlagenen Vergleich als „ein bisschen wenig“. Die ausgebildete Bibliothekarin war im Januar freigestellt worden. Ihr entgeht jetzt das Urlaubsgeld. Bartels-Meyer-Bockenkampf warb daher: „Die Stadt spart ein gutes Monatsgehalt.“ Das Rathaus kann bis Anfang November Widerspruch einlegen.
Rechtsanwalt Uwe Kühne verwies darauf, dass seine Mandantin eine gesicherte berufliche Existenz verloren hat, da sie Signale gehabt habe, dass ihre Stelle unbefristet hätte verlängert werden sollen.