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Empfang Ernste Worte, leichte Klänge

Stadt und Landkreis luden am Freitag zum Neujahrsempfang nach Stendal ein. Gut 300 Gäste waren dabei.

Von Thomas Pusch 09.01.2016, 00:01

Stendal l Das akademische Viertel wurde eingehalten, dann aber legte die Bigband der Musik- und Kunstschule zum Auftakt des Neujahrsempfangs los. Mit Santana-Klängen wurde brasilianisches Flair ins Musikforum Katharinenkirche gezaubert, für Gänsehaut bei den Zuhörern sorgte Lydia Romann mit einer beeindruckenden Interpretation des Adele-Songs „Skyfall“, und der Swingklassiker „Lester leps in“ wurde von Schnipsen begleitet.

Für derlei Emotionen sorgen Politikerreden selten. So räumte Oberbürgermeister Klaus Schmotz (CDU) bei seiner Begrüßung ein, dass ihm jemand ins Ohr geflüstert habe, er solle doch die Rede weg- und die Band stattdessen durchspielen lassen. Diesem Ansinnen gab er nicht nach. Auch das ist wohl üblich für Politiker bei Neujahrsempfängen.

Nachdem er die ersten Gäste begrüßt und jedesmal von Applaus unterbrochen wurde, schlug er vor, die ganze Liste abzuwarten und am Ende zu klatschen. „Dann kann man auch nicht vergleichen, wer am meisten Applaus bekommen hat“, meinte er. Schmunzler gibt es bei solchen Reden auch nicht oft. Zumal es auch um das ernste Thema Flüchtlinge ging. Ihnen solle eine möglichst unkomplizierte Integration ermöglicht werden. „Das gelingt am besten, wenn man die jeweils andere Kultur akzeptiert und aufeinander zugeht“, riet er.

Landrat Carsten Wulfänger (CDU) konnte sich die lange Aufzählung der Gäste ersparen, dafür entging ihm auch der Schmunzler.

Er blickte zunächst zurück auf das vergangene Jahr, bezeichnete die Bundesgartenschau als Höhepunkt und meinte, dass das 25-jährige Jubiläum der Deutschen Einheit mehr Aufmerksamkeit verdient gehabt hätte. „Es herrschte eine gigantische Aufbruchstimmung, wurde eine enorme Aufbauarbeit geleistet, und mittlerweile ist die Mehrheit in diesem Land angekommen“, zählte er auf. Er streifte das Bismarck-Jahr und erwähnte die immer noch laufenden Arbeiten für den Hochwasserschutz.

Zentrales Thema seiner Festrede waren aber die Flüchtlinge. „Die Entwicklung des Landkreises ist eingebettet in die globale Entwicklung“, setzte Wulfänger an. Und das bedeute, dass auch im Landkreis Stendal seit dem Sommer verstärkt Menschen Schutz vor Krieg, Zerstörung und Verfolgung suchen. „Das ist für alle eine Herausforderung“, stellte der Landrat klar, der den haupt- und ehrenamtlichen Helfern für ihren Beitrag dankte.

Er griff aber auch Bedenken und Sorgen auf, mit denen er konfrontiert wurde. Ob durch die Flüchtlinge weniger Arbeitsplätze im Landkreis seien, ob der IS Terroristen nach Deutschland schleuse und ob das alles finanziell überhaupt zu leisten sei. „Auf all diese Fragen müssen die politisch Verantwortlichen 2016 Antworten geben“, forderte er.

Im laufenden Jahr sei mit ähnlich vielen Flüchtlingen wie 2015 zu rechnen. Niemand könne allerdings seriös vorhersagen, wie viele sich auf den Weg gemacht haben und noch auf den Weg machen werden. Mit Blick auf die Geschehnisse in der Silvesternacht in Köln betonte er, dass Gewalt jeglicher Art zu verurteilen sei und klare Grenzen dagegen gesetzt und durchgesetzt werden müssten. Und er gab ein Versprechen ab: „Leistungseinschränkungen zugunsten Asylsuchender darf und wird es nicht geben.“

Nach dieser schweren Kost waren die Zuschauer erleichtert, wieder leichte Klänge zu vernehmen. Drei Stücke spielte die Bigband noch, gab mit „Mercy“ von Duffy und einer abermals sehr gut aufgelegten Lydia Romann noch eine Zugabe, bevor es zum Sekt ging. Den hatte Benjamin Ulrich als Höhepunkt des Tages angekündigt – zu Unrecht.