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Selbstverteidigung So wenig wie möglich wehtun

In der Stendaler Grundschule Am Stadtsee waren Montag Kampfsportler zu Gast. Sie zeigten den Kindern Griffe zur Selbstverteidigung

Von Nora Knappe 12.01.2016, 00:01

Stendal l Ein Schimpfwort, ein Schubser, ein Bein gestellt, an den Haaren gezogen – das passiert schnell mal auf dem Pausenhof oder auch beim Spielen. Im besten Falle löst sich so etwas schnell auf, erledigt sich. Aber solche Handgreiflichkeiten sollten dennoch nicht zur Normalität werden – schon gar nicht aus falsch verstandenem Selbstbewusstsein oder einem Zwang zum Cool-Sein heraus. Und man sollte sich dagegen zu wehren wissen. Das jedenfalls finden Steffi Gericke und Karsten Ullrich, die mit ihrem Samurai-Selbstverteidigungstraining an Schulen im Landkreis Stendal unterwegs sind.

Die versierten Kampfsportler bieten das Programm bei Bedarf zunächst als Schnuppertraining an. Gestern waren sie damit in der Grundschule „Am Stadtsee“ zu Gast. Nicht aus einem akuten Anlass heraus, wie Schulleiterin Silke Kahrstedt im Volksstimme-Gespräch sagt. Solche Anti-Gewalt-Projekte gebe es immer mal wieder übers Schuljahr verteilt. Dass es Meinungsverschiedenheiten oder auch mal Rangeleien unter Schülern gibt, sei ganz normal – an ihrer Schule wie an anderen auch, schätzt sie sein.

Zudem gibt es an der Grundschule Am Stadtsee seit einigen Jahren die Streitschlich­tergruppe. Das sind acht Kinder aus den 3. und 4. Klassen, die vor allem in den Hofpausen als Ansprechpartner für die Kinder da sind, wenn es irgendwo zu Streitigkeiten gekommen ist. „Sie greifen ein, wenn sie etwas sehen, und grundsätzlich sollen sich alle Kinder erst einmal an die Streitschlichter und nicht gleich an die Lehrer wenden“, so Kahrstedt. Solange es eben kleinere Zankereien sind. Und das funktioniere sehr gut – zumal es für die Streitschlichter ja auch eine große Verantwortung sei. Die sie jedoch gern übernähmen.

So ganz ohne Hintergedanken ist das „Samurai“-Angebot aber wiederum auch nicht wahrgenommen worden. „Über die Jahre gesehen ist ein Trend dahin zu beobachten, dass bei Kindern die Hemmschwelle zu Handgreiflichkeiten niedriger geworden ist“, stellt Silke Kahrstedt fest. „Aber gar nicht mal aus Boshaftigkeit, sondern oft ist den Kindern nicht bewusst, dass sie anderen damit wehtun und es eben nicht cool ist, wie es in manchen Filmen oder Computerspielen dargestellt wird.“

Ohne Wehtun geht es allerdings auch bei den Hebelgriffen nicht, die die Erst- und Zweitklässler an diesem Montag von Karsten Ullrich und den beiden Trainern Kornelia Brasche und Manfred Hauschulz vom Stendaler Jiu-Jitsu-Verein gezeigt bekommen. Zwar kichern und lachen die Kinder zwischendurch auch – vor allem wenn die Trainer Würfe und Griffe demonstrieren und dabei absichtlich zu Fall kommen. Aber sie merken eben auch, dass die Selbstverteidigung mit Schmerzen verbunden ist. Vor allem für den Angreifer.

Deshalb kommt auch Ullrichs Mahnung nicht von ungefähr: „Wenn ihr euch verteidigt, dann reichen die Hebel, nehmt das, was am wenigsten weh tut. Und dann geht zum Lehrer und sagt, was passiert ist.“ Das absichtliche Zufügen von Schmerzen werde nicht toleriert. Im Jiu-Jitsu-Verein, in dem Ullrich trainiert, gebe es da strenge Regeln: „Wer die Dinge nutzt, um andere zu quälen, der ist raus.“

Mit dem Anti-Gewalt-Training ist Firmeninhaberin Steffi Gericke gemeinsam mit ihrem Mann Karsten Ullrich seit Juni in Stendals Schulen präsent. Unter anderem die Gagarin-Grundschule, die Comenius-Sekundarschule und die Berufsschule hatten dazu bereits Kurse im Angebot. Sollte bei den Kindern der Stadtsee-Grundschule und ihren Eltern das Interesse geweckt worden sein, könnte die Selbstverteidigung demnächst als Arbeitsgemeinschaft stattfinden.

Schulleiterin Silke Kahrstedt wird bei dieser Thematik jedenfalls am Ball bleiben. „Wir möchten damit die Schüchternen stärken und die, sagen wir mal, etwas Lebhafteren mit Regeln konfrontieren. Regeln sind ja das A und O beim Kampfsport.“ Und in der Schule sowie im täglichen Miteinander ja eigentlich auch  ...