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Warten bis Mai Muslime derzeit ohne Zentrum

Bis die Islamische Gemeinde Stendal in das neue Zentrum ziehen kann, werden noch ein paar Monate vergehen.

Von Thomas Pusch 16.02.2016, 00:01

Stendal l Der letzte Ton aus den Lautsprecherboxen von Vicki‘s Szene-Club an der Luca-Cranach-Straße in Stadtsee ist schon lange verklungen. Bis die ersten islamischen Gebete in der ehemaligen Diskothek ertönen, wird es allerdings noch ein bisschen dauern. Die Umbauarbeiten zum neuen Zentrum der Islamischen Gemeinde stehen erst am Anfang.

„Es mussten zunächst noch Brandschutzfragen geklärt werden“, sagte Gemeindevorsitzender Mohamed Msaik im Gespräch mit der Volksstimme. Nun stehe aber fest, dass die vorhandenen Fluchtwege ausreichen, keine zusätzliche Brandschutzanlage installiert werden müsse. Die Genehmigung zur Umnutzung von einer Gaststätte in ein Kulturzen­trum sei mittlerweile auch erteilt, die so genannte primäre Baugenehmigung sei erteilt. Die endgültige Baugenehmigung soll in diesen Tagen vorliegen.

Dann können die Umbauarbeiten richtig beginnen. Bislang sind nur kleinere Trockenbauarbeiten in den Räumlichkeiten ausgeführt worden. Noch sieht es nicht sehr gemütlich in dem künftigen Kulturzentrum aus. Bislang sind 120 000 Euro für den Umbau veranschlagt, etwa 30 000 bis 40 000 Euro werden wohl noch hinzukommen, rechnet Msaik.

In dieser Summe steckt beispielsweise auch der Preis für den Gebetsteppich. „Es handelt sich dabei um eine Spezialanfertigung, der Quadratmeter kostet rund 40 Euro“, erklärte Msaik. Der Gemeinde lägen drei Angebote vor, eins aus der Türkei, eins von einem türkischen Händler in Berlin und das dritte stammt aus Belgien. Insgesamt müssen 500 Quadratmeter Teppich verlegt werden, allein das kostet etwa 20 000 Euro.

Das alte Gemeindezentrum an der Friedrich-Ebert-Straße wurde unterdessen leergeräumt. Dort soll im kommenden Monat ein Geschäft mit arabischen Lebensmitteln, muslimischen Textilien und Geschenkartikeln eröffnen. Mit der Betreiberin der ehemaligen Diskothek hatte Msaik noch einmal ein Gespräch geführt. „Ich habe ihr angeboten, in die ehemaligen Räumlichkeiten unserer Gemeinde zu ziehen“, sagte er. Für diesen Standort sei Vicki Gast-Hajdini allerdings nicht die Erlaubnis für einen regelmäßigen Diskothekenbetrieb erteilt worden.

Im Oktober hatte Gast-Hajdini vor dem Landgericht versucht, eine einstweilige Verfügung zu erwirken, um die Diskothek in dem mittlerweile verkauften Gebäude zu erhalten. Dem Ansinnen wurde jedoch nicht nachgegeben, stattdessen bekam sie eine Frist von drei Wochen, um das Gebäude zu räumen. Sie setzte darauf, im Gespräch mit der Islamischen Gemeinde noch eine andere Lösung finden zu können, dass der Szene-Club, den seine Stammgäste, die sich als Familie sehen, als ihr Zuhause bezeichnen, noch eine Zukunft haben könnte.

Doch es gab kein Zurück mehr. Mitglieder der Islamischen Gemeinde hatten sich zwar verschiedene Alternativobjekte angesehen, allerdings gab es unterschiedliche Gründe, doch nicht zuzugreifen. „Das eine Objekt schied aus, weil es zu teuer war, außerdem hätten wir an der Stelle keine Nutzungsgenehmigung für den Verein bekommen, weil es in einem Industriebereich liegt“, hatte Msaik erklärt. Das zweite Gebäude sei zwar ausreichend groß gewesen, hätte aber keinerlei Parkmöglichkeiten geboten. Davon gibt es rund um die Lucas-Cranach-Straße 9 genügend: 120.

Am 7. November vermeldete Gast-Hajdini auf der Facebookseite des Clubs die Schlüsselrückgabe und bedankte sich bei allen, „die mich in letzter Zeit so unterstützt haben“. Zwei Wochen später initiierte sie eine Online-Petition unter dem Titel „Lieber Szene-Club als Moschee“. Die 131 Unterstützter, die sich bis zum 17. Dezember gefunden hatten, konnten das Aus der Diskothek aber auch nicht verhindern.

„Ich brauche jetzt erst mal eine Erholungsphase“, hatte Gast-Hajdini gegenüber der Volksstimme gesagt. Nach einer Pause wolle sie zusammen mit ihrem Mann neue Pläne schmieden. Gestern war sie zu einer Stellungnahme nicht zu erreichen.

Die Islamische Gemeinde eröffnete ihr Kulturzentrum Ende 2012. Nicht zuletzt durch die Flüchtlinge im Landkreis Stendal ist es dort schnell zu eng geworden. Die nächsten Moscheen sind in Magdeburg und Lüchow zu finden. Aber der Umzug hatte auch einen finanziellen Grund. „In der Ebert-Straße waren wir zur Miete“, erklärte Msaik. Das neue Objekt wurde für rund 150 000 Euro gekauft. Die Summe kam durch Spenden zusammen, Unterstützung gab es auch von der Islamischen Gemeinde Deutschland.

Im neuen Zentrum soll nicht nur gebetet werden, auch spezielle Angebote für Neuankömmlinge wie Sprachkurse oder die Hilfe beim Ausfüllen von Formularen sind vorgesehen. Bis zur Eröffnung, die im Mai stattfinden soll, haben die Muslime in Stendal keinen zentralen Gebetsort, auch keine offizielle Alternative. „Man trifft sich bei jemandem zu Hause oder bei Arbeiten im künftigen Zentrum“, sagte Msaik. Die Gemeinde hat 150 Mitglieder, „Muslime gibt es über 900 in Stendal“, schätzt er.