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Seminar Argumente statt Parolen

In einem Seminar an der Hochschule in Stendal zeigte Klaus-Peter Hufer, wie man sich gegen Hetz-Parolen wehren kann.

Von Claudia Klupsch 17.02.2016, 23:01

Stendal l Klaus-Peter Hufer ist in diesen Tagen ein sehr gefragter Mann. Als in der Erwachsenenbildung tätiger Politologe aus dem Ruhrgebiet kann er sich derzeit vor Anfragen für sein Seminar „Argumentationstraining gegen Stammtischparolen“ kaum retten. Am Sonnabend war er auf Einladung des Studierendenvereins in der Hochschule zu Gast.

„Die stinken! Die wollen sich doch gar nicht integrieren! Die wollen auf unsere Kosten leben! Denen wird alles in den A… geschoben! Können wir doch nichts dafür, wenn die mit ihren vielen Bälgern ersaufen. Selbst schuld! Sind ganz viele Kriminelle und Terroristen darunter! Bald müssen unsere Frauen Burka tragen! Die vielen jungen Männer sind notgeil und vergewaltigen unsere Frauen und Kinder! Hitler hätte gewusst, was man mit denen macht! Ob da wirklich Krieg ist? Naja, ich sag´ nur Lügenpresse!“

Alles schon gehört – auf der Straße, bei Feiern, im Bus, im alltäglichen Leben. In der „Flüchtlingskrise“ scheint es salonfähig zu sein, Hass und Hetze in Diskussionen zu artikulieren. Rechts ist nicht außen, Rechts ist in der Mitte der Gesellschaft.

Die rund 20 Seminarteilnehmer eint eine Erfahrung: Ohnmächtig, überrumpelt, hilflos fühlen sie sich in Situationen, in denen menschenverachtende und rassistische Ansichten lauthals geäußert werden. Was dagegen sagen? Was tun? Dem Unerträglichen den Rücken zudrehen? „Ich will nicht schweigen“, sagt Studentin Nicole, die auch mit persönlichen Anfeindungen konfrontiert ist, weil sie sich in der Flüchtlingshilfe engagiert. „Deshalb bin ich hier.“

In Rollenspielen, aus Faktenchecks, aus gemeinsam zusammengetragenen Erkenntnissen wird den Teilnehmern klar, dass es zunächst schwierig ist, den simplen, kurzen, aggressiven, sich aus Vorurteilen speisenden Sprüchen beizukommen. Denn Gegenargumente brauchen „Raum und Zeit“, da hinter den Themen komplexe Zusammenhänge stehen. „Damit ist zunächst jeder überfordert. Entscheidend ist nicht, was wir sagen, sondern dass man überhaupt etwas sagt“, so Hufer, „denn etwas tun, befreit.“ Allerdings rät er, sich nicht in jede Situation zu begeben und vorab den eigenen Handlungsspielraum einzuschätzen.

Aus einem Rollenspiel – Parolendrescher versus Parolengegner - wird deutlich, dass die lautesten Rädelsführer für Fakten und Argumente nicht offen sind. Diese Leute kann man nicht „bekehren“. „Wichtig sind die Zurückhaltenden, die leise daneben sitzen, sie sind vielleicht noch zu erreichen“, so der Politologe.

Die Studenten sammeln während des Seminars Strategien, etwa wie Emotionen heruntergefahren werden können. Hilfreich kann sein, den anderen zu zwingen, nicht von Thema zu Thema zu springen sowie Pauschalisierungen zu hinterfragen oder ironisch zu werden. (Ausländer nehmen uns die Jobs weg? Ach, ist dir gekündigt worden? Das tut mir aber leid.“) In Gruppendiskussionen sei auch wichtig, Allianzen mit Gleichdenkenden zu bilden. Das lässt die Gegenflagge stärker wehen.

Teilnehmerin Lisa schätzt nach Ende ein, gestärkt aus dem Seminar zu gehen. Sie ist ermutigt, sich den Sprüchen entgegenzustellen. „Auch bin ich froh, dass meine oft erlebte eigene Hilfslosigkeit völlig normal und zu überwinden ist.“ Klaus-Peter Hufer betont abschließend: „Wichtig ist, sich selbst treu zu bleiben und Authentizität zu bewahren.“ Er hält es mit Martin Luther: „Tritt fest auf, mach´s Maul auf, hör bald auf.“