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Inklusion Behinderte bringen Potenzial mit

Beim Inklusionstag Altmark haben Menschen in Stendal gezeigt, dass auch Behinderte Arbeitgebern einiges zu bieten haben.

Von Donald Lyko 04.03.2016, 00:01

Stendal l „Traut Euch, wir bringen Potenzial mit – und für alles andere lassen sich Wege finden.“ Diese Botschaft richtete Michael Jambor an die altmärkischen Arbeitgeber. Der junge Mann aus Seehausen, der im Rollstuhl sitzt, hat vor einiger Zeit einen Arbeitsplatz in einer Physiotherapie bekommen, wo er sich um die Büroarbeit, die Termine der Patienten und die Abrechnungen kümmert. Und damit hat er einen Arbeitplatz gefunden, der ihm richtig Spaß macht. Büroarbeit, so hatten die Gäste des ersten Inklusionstages Altmark zuvor aus einem Bewerbungsvideo erfahren, ist wirklich sein Ding. Entstanden war der Film während des Projektes „Vielfalter“, das Menschen mit schweren Behinderungen beim Weg auf den ersten Arbeitsmarkt hilft.

Über dieses Projekt berichtete Michael Jambor während einer Podiumsdiskussion, an der zudem Sachsen-Anhalts Sozialminister Norbert Bischoff (SPD), der Chef der Landesarbeitsagentur, Kay Senius, und die Unternehmerin Antje Mandelkow („Kelles Suppenmanufaktur“ Kläden) teilnahmen. Sehr charmant, humorvoll und fachkompetent moderierte Nadine Wettstein, freiberufliche Dozentin und Beraterin für Inklusion, die Gesprächsrunde und die Veranstaltung.

Wie an Michael Jambor ging auch an die drei anderen auf dem Podium die Frage, was sie Arbeitgebern mit auf den Weg geben möchten? Kay Senius: „Machen Sie das Thema Inklusion zur Chefsache.“ Norbert Bischoff: „Geben Sie Ihre Erfahrungen an andere Arbeitgeber weiter, das ist immer authentischer.“ Antje Mandelkow: „Für Unternehmer ist die wirtschaftliche Seite wichtig, aber die menschliche darf nicht vergessen werden. Probieren Sie es aus!“

Zuvor hatte die Klädenerin berichtet, dass von den 23 Mitarbeitern der „Suppenmanufaktur“ neun gehörlos sind, einer im Rollstuhl sitzt und im August ein Azubi im Bürobereich hinzukommt, der ebenfalls im Rollstuhl sitzt. „Es war genau die richtige Entscheidung“, kommentierte sie den Schritt, Menschen mit Handicap eingestellt zu haben. Das tat sie auf Empfehlung der Arbeitsagentur und mit anfänglicher Skepsis, nachdem sie zuvor keine Arbeitnehmer gefunden hatte.

„Nicht die Behinderung sollte im Mittelpunkt stehen, sondern die Frage: Was bringt dieser Mensch mit?“, sagte Markus Nitsch, Vorsitzender der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Stendal, zur Begrüßung. Gerade in Zeiten von Fachkräftemangel sollten die Chancen der Inklusion erkannt und genutzt werden.

Bei der Diskussion über Inklusion würde oft vergessen werden, „dass alle etwas davon haben“, sagte der Sozialminister und zählte Fahrstühle, Rolltreppen, barrierefreie Wohnungen, Automatiktüren und sogar Rollkoffer auf – ursprünglich erfunden, um Menschen mit Behinderung den Alltag zu erleichtern, würden sie heute von allen ganz selbstverständlich genutzt. „Die Unterschiedlichkeit ist der Reichtum der Gesellschaft“, unterstrich Norbert Bischoff und fügte hinzu: „Arbeit gehört zum Leben, Arbeit ist die beste Integration.“ Dem schloss sich Kay Senius gern an: „Gelebte Inklusion ist, wenn Menschen mit Handicap ein selbstbestimmtes Leben führen, wenn sie zur Arbeit gehen können.“

Der Aktionstag bot ausreichend Gelegenheit für Begegnungen zwischen Menschen mit und ohne Behinderung. „Das ist nicht selbstverständlich für Veranstaltungen, auch wenn es um Inklusion geht“, hatte Nadine Wettstein, seit dem 18. Lebensjahr erblindet und zuvor längere Zeit sehbehindert, zu Beginn festgestellt. Doch die Organisatoren hatten genau auf diese Begegnungen abgezielt. So sorgten im ersten Teil die Instrumentalgruppe der Wander-Förderschule Gardelegen mit drei Musikstücken und zuvor Annemarie Kock am Keyboard für Unterhaltung. Die junge, blinde Frau hat in Stendal Rehabilitationspsychologie studiert, schreibt gerade ihre Masterarbeit und hat schon eine Arbeitsstelle gefunden. Etwa 20 Bewerbungen hatte sie verschickt, zu vier Gesprächen war sie eingeladen worden, berichtete sie von ihren eigenen Erfahrungen.

Den zweiten Teil des Inklusionstages in den Räumen des Berufsbildungswerkes bildete eine Bewerbermesse, bei der Mitarbeiter aus Unternehmen, Verwaltungen, des Jobcenters, der Arbeitsagentur sowie vom Integrationsfachdienst und vom Integrationsamt – beide hatten sich zuvor mit Vorträgen vorgestellt – mit Betroffenen ins Gespräch kamen. Es wurde über mögliche Arbeitsplätze und Fördermöglichkeiten informiert.