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Oldtimer Stendaler baute Sportflitzer nach

Peter Lott bastelte vier Jahre lang am Nachbau eines Roadster F9 aus dem Jahre 1950.

Von Bernd-Volker Brahms 19.04.2016, 01:01

Stendal l Peter Lott hätte einigen Grund, sauer zu sein. Jahrelang recherchierte der Stendaler das Schicksal des Roadster F9. Es handelt sich um einen Prototypen, der nie in Serienproduktion ging. Als er endlich erfuhr, dass die Reste des Fahrzeugs in einem Garten in Berlin vor sich hin rosteten, da schnappte ihm ein anderer Oldtimerliebhaber, der über Umwege von den Recherchen des Stendalers erfahren hatte, das Stück weg.

„Ich bin nicht mehr sauer, wenngleich die Sache sehr ärgerlich ist“, sagte Peter Lott. Der 69-Jährige hat seinen Frieden mit dem Auto gemacht. Als klar war, dass er das Auto nicht bekomme, fing er vor vier Jahren an, den silbernen Sportflitzer nachzubauen. „Ich habe mir Einzelteile aus ganz Deutschland zusammengekauft“, sagt der gelernte Autoschlosser. Am Sonnabend stellte er das fertige Fahrzeug geladenen Gästen in der Nordwall Classic Garage vor. Zusammen mit Ehefrau Monika zog er unter viel Applaus die blaue Plane von dem Auto, so dass der Flitzer in Silbermetallic zum Vorschein kam.

Ans Steuer durfte an diesem Nachmittag nur der 86-jährige Harald Linke aus dem erzgebirgischen Neukirchen. Linke hatte in den 1950er Jahren als Fahrer im IFA-Forschungs- und Entwicklungswerk Chemnitz gearbeitet, wo auch der F9 gebaut worden war. „Ich habe irgendwann den Generaldirektor gefragt, was aus dem Auto werden soll“, erzählte Linke. Der Chef habe ihm zugestanden, das Auto zu kaufen. Er war der erste Besitzer. Von 1955 bis 1957 gehörte ihm der Flitzer. „Ich habe in der Zeit Rennen gefahren und hatte mehrere Autos, daher habe ich den F9 schon bald wieder verkauft“, sagte Linke, der als Fahrer des Forschungswerkes auch schon mal Walter Ulbricht kutschiert hatte.

„Es gab insgesamt zehn Besitzer des Autos“, sagte Peter Lott. In akribischer Recherche hatte der Stendaler diese herausgefunden. Am Sonnabend war noch ein zweiter Besitzer des Originalfahrzeugs dabei: Der 77-jährige Horst Schröder aus Jena, der den F9 von 1963 bis 1965 besessen hat. „Wenn ich gewusst hätte, dass es das Auto nur einmal gibt, hätte ich den nie wieder verkauft“, sagte Schröder. Mit welcher Detailversessenheit der Stendaler das Auto nachgebaut hat, findet Schröder „einfach großartig“.

Dass Peter Lott sich 2007 überhaupt auf die Suche nach dem Verbleib des Autos gemacht hat, hängt mit einer Textzeile zusammen, die er in einem Buch über Autotypen aus DDR-Zeiten gefunden hatte. Bei besagtem F9 war in dem Werk verzeichnet, dass dieser nach der Vorführung bei der Frühjahrsmesse 1950 in Leipzig verschrottet worden sei, nachdem die DDR-Führung das Auto nicht für serientauglich erachtet hatte. „Das konnte ich mir nicht vorstellen, dass so ein Auto tatsächlich verschrottet wurde“, sagte Lott. Aus seiner eigenen Tätigkeit im VEB wusste er, dass man Verschrottungsprotokolle schrieb und irgendjemand das entsprechende Teil dann mit nach Hause nahm.

Über Anzeigen in Oldtimer-Magazinen und durch persönliche Gespräche und viele Telefonate wurde Peter Lott bald klar, dass er Recht haben müsste. Er konnte die Besitzer nach und nach rekonstruieren und fand heraus, dass diese Mitte der 1970er Jahre schließlich in Berlin in einem Garten verrostete. Der Besitzer der Rostlaube meldete sich beim Stendaler, schickte Fotos. Zu Verkaufsverhandlungen kam es nicht. „Der hat den Kontakt abgebrochen“, sagt Peter Lott. Später erfuhr er, dass ein anderer Oldtimerliebhaber ihm den Rest des F9 weggeschnappt hatte. „Der hatte über meine Recherchen zu dem Besitzer gefunden“, sagt Lott. Der „Schrotthaufen“ steht jetzt im Museum für sächsische Fahrzeuge in Chemnitz.

Dass es auch noch weitere Freaks gibt, die fasziniert vom F9 sind, erfuhr Peter Lott, als er bei seinen Recherchen der vergangenen Jahr auf Jens Erazim aus dem sächsischen Döbeln stieß. Der heute 46-Jährige hatte schon weit vor ihm mit dem Nachbau des F9 begonnen, den er am Sonnabend auch mit nach Stendal gebracht hatte. „Für den Nachbau, mit dem ich vor 16 Jahren begann, hatte ich nur das Messebild von 1950 in Schwarz-weiß als Vorlage“, erzählte Erazim. Im Gegensatz zum Original hat sein Auto auch einen grünen Anstrich. „Ich konnte mir nicht vorstellen, dass der in Metallic war“, so Erazim. Wenngleich er einige Details anders gemacht hätte, halte er den Nachbau des Stendalers für klasse.