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Integration Miteinander im Klassenzimmer

Der Landkreis Stendal hat am Mittwoch bereits zum sechsten Mal zur Integrationskonferenz eingeladen.

Von Thomas Pusch 28.04.2016, 03:00

Stendal l Rund ein Drittel der 1561 Flüchtlinge, die im Landkreis Stendal leben, sind schulpflichtige Kinder und Jugendliche. Da lag es nahe, die Beschulung zu einem zentralen Thema bei der Integrationskonferenz zu machen. „425 Schüler sind es im Landkreis Stendal, 77 Prozent davon gehen in Stendal zur Schule“, sagte der 1. Beigeordnete des Landrates, Denis Gruber (SPD), am Mittwoch. Die Unterschiede im übrigen Kreisgebiet seien groß, so würden in der Verbandsgemeinde Arneburg-Goldbeck 52 Kinder unterrichtet, im Elbe-Havel-Land kein einziges.

Von vielen positiven Erfahrungen sprach die Leiterin der Grundschule „Am Stadtsee“, Silke Kahrstedt. Der Ausländeranteil an ihrer Schule beträgt 24 Prozent. Mehrsprachige Anmeldeformulare und die vom Landkreis zur Verfügung gestellten Starterpakete ermöglichen einen unkomplizierten Schulbeginn. Nach drei bis vier Wochen in der Willkommensklasse werden die Kinder stundenweise in ihrer Stammklasse unterrichtet. Wann sie gänzlich dorthin wechseln, sei individuell.

17 der 43 seit Anfang vergangenen Jahres an ihrer Schule unterrichteten Flüchtlingskinder seien nicht mehr da, teilweise durch Umzug, aber auch durch Abschiebung. „Das geschieht manchmal über Nacht und die Kinder fragen sich dann, wo der Banknachbar, der neugewonnene Freund ist“, sagte Kahrstedt. Auch für die Lehrer stelle das eine Belastung dar, auch sie bauen eine emotionale Bindung zu ihren Schülern auf.

„Hinter jedem Kind steckt ein Einzelschicksal“, stellte Roland Herms, Leiter der Komarow-Sekundarschule fest. An der Schule habe sich über die Jahre ein effektives Team aus Lehrern und Schulsozialarbeit gebildet, denn: „Einfaches Unterrichten reicht nicht.“ Herms verdeutlichte die Situation für die Lehrer an der Komarow-Schule: „Stellen Sie sich vor, Sie stehen in einer Klasse, in der viele Sprachen gesprochen werden, aber kein Deutsch, in der viele Religionen vertreten sind, aber keiner ist Christ, in der ein 15-Jähriger ohne Schulerfahrung neben einem Zehnjährigen sitzt, der in seiner Heimat das Gymnasium besucht hat. Die Schüler kommen aus 20 Ländern und es funktioniert, sie interessieren sich nicht für die Herkunft des anderen, sondern für den Menschen, da haben sie manchen von uns einiges voraus“, fasste Herms zusammen.

Über gelungene Integration sprach auch Heidemarie Henning, Leiterin der Comenius-Sekundarschule. So sei es beim gemeinsamen Kochen nicht so selbstverständlich gewesen, dass sich auch Jungen an die Rührschüssel stellen. „Beim ersten Mal sind sie noch aus dem Raum gegangen“, erzählte sie. Mittlerweile seien aber auch die männlichen Flüchtlingskinder mit vollem Eifer dabei.

Ein großes Lob gab es für den Landkreis vom Direktor des Landesschulamtes, Torsten Klieme. Er kenne keinen zweiten Landkreis in Sachsen-Anhalt, in dem mit den Flüchtlingen so strukturiert, transparent und offen umgegangen werde. „Und das nicht nur im Bereich Schule“, fügte er hinzu. Das Beste, was Kinder erleben können, sei Normalität. Dafür habe das Landesschulamt die Rahmenbedingungen zu schaffen gehabt und dann die Schulen motiviert. Drei Ziele seien für die 5800 Flüchtlingskinder an den Schulen in Sachsen-Anhalt aufgestellt worden: Sprachförderung, Berufsorientierung, Abschlüsse. Elf zusätzliche Lehrer wurden im Landkreis eingestellt.

Die nächste Integrationskonferenz mit einem Themenschwerpunkt wird im Herbst stattfinden, wie Landrat Carsten Wulfänger (CDU) am Mittwoch ankündigte. Die Inte­grationsaktivitäten gehen aber schon vorher weiter, mit einer Schulung für Ehrenamtliche am kommenden Montag, 2. Mai.