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Band-Jubiläum Bei allem Ernst auch Flausen im Kopf

"Nobody Knows" feiern 15. Geburtstag: mit einem Konzert samt neuem Album. Doch das wäre nicht denkbar ohne das neue Buch von Max Heckel.

Von Nora Knappe 29.04.2016, 01:01

Stendal l Ein neues Buch, ein neues Album. Auf dem Buch steht der Name Max Heckel allein, auf dem neuen Album steht „Nobody Knows“, wozu ja wiederum Heckel gehört. Doch auch ohne diese personelle Verquickung wäre beides nicht voneinander zu trennen. Denn das eine ist vom anderen beeinflusst, und die Texte, die sich passagenweise oder als Idee sowohl im Buch als auch auf dem Album finden, stammen allesamt aus der Feder Heckels. Und noch etwas verbindet Druck- und Notenwerk: Beide versteht der Urheber als „Versuche, sich selbst zu verorten“ – und sich selbst nicht zu wichtig zu nehmen.

Während sich in der Geschichten-Sammlung „Noch mehr so Sachen halt“ Episoden und Anekdoten aus dem Alltag finden, die mit einem Augenzwinkern und einer Portion Selbstironie unterhaltsam aufgegriffen werden, hat man es beim Album „Urbane Camouflage“ mit Texten zu tun, die etwas mehr Nachdenken evozieren, weil sie gesellschaftliche Zustände und Entwicklungen thematisieren.

Die Kapitelrubriken des Buches sprechen zum Teil für sich: „Was man bisweilen beobachten kann“, „Besser wäre es, wenn immer die anderen schuld sind“ oder „Vor der Bühne erlebt“ machen neugierig. Und einmal angefangen zu lesen, ist man auch schon gespannt auf die nächste Episode. Man wird Zeuge des missglückten Erziehungsansatzes eines bahnfahrenden Vaters, der dem ungehorsamen Sitz-kletter-Kind mit einem „Ich zähle bis drei“ droht, aber nie bis zur Drei kommt, weil er wahrscheinlich selbst nicht weiß, was danach eigentlich passieren soll.

Herrlich bildlich beschrieben auch die Situation der Raucher im gelben Quadrat auf dem Bahnsteig. Was für eine Nonsens-Erfindung angesichts der Tatsache, dass Zigarettenrauch sich nach wie vor weigert, kerzengerade in die Höhe zu entweichen.Heckels innere Unbehaglichkeit in Smalltalk-Situationen oder wenn ihn die Frage umtreibt, was wohl falsch daran gewesen sein könnte, einer jungen Frau die Tür aufzuhalten, lassen den Leser leise mitleiden und mitschmunzeln.

Beim Lesen seiner Kurzgeschichten merkt man: Man kann zwar viel falsch machen im Umgang mit Mitmenschen, aber man weiß auch: Man ist damit nicht allein. Und kann es gern mit Max Heckels Credo halten: „Man braucht viel ironische Elastizität, um die Realität zu ertragen.“

Diese Aussage spiegelt im Grunde auch das neue Nobody-Knows-Album „Urbane Camouflage“, das 13. der Band und stilistisch reichhaltiger als die bisherigen. Hier geht es unverhohlen direkt zu. In „Nicht polyglott“ erklären die Musiker, warum sie deutsch singen. „Und ich singe, wie ich spreche, und ich fühl‘ mich gut dabei. Brauch kein Englisch und kein Spanisch, keine Sprachendauerflut. Fern von Phrasen wie ‚Nation‘, wie zu jeder andern Zeit, kultivieren wir nun singend unsre Selbstverständlichkeit.“ Zum Hintergrund dazu ist es sicherlich gut zu wissen, dass Heckel nicht nur promovierender Germanist, sondern auch bekennender Antifaschist ist.

Im „Bürgerlied“ geht es Nationalisten an den Kragen: „Methusalix, der alte Mann, spricht seine Frau daraufhin an: ‚Ich hab ja nichts...‘ und dann sein Aber: ‚Fremde, Andre und Araber? Aber was wollen die denn hier? Die Fremden da sind nicht von hier!‘“

„Es ist das Album, das uns rein textlich betrachtet am meisten offenlegt“, findet Heckel. „Der Schritt ist gemacht weg von reiner Unterhaltung hin zu: etwas sagen wollen.“ Dafür nehmen Nobody Knows auch in Kauf, dass nicht jeder Fan der Band damit etwas anfangen kann. Doch für Heckel ist klar: „Man kann nicht schweigen und still allem zustimmen.“ Wenngleich ihm selbst es nicht leichtfiel, „die Differenzierung Privatmensch und Bühnenmensch aufzuheben“. Und trotzdem bleiben Nobody Knows immer noch ein bisschen die Alten, was man spätestens im Lied „Häschtäck Whoopwhoop“ merkt, wo sie ganz nach gewohnter Manier dem Nonsens frönen und sich selbst auf die Schippe nehmen und zeigen: Erwachsenwerden hindert nicht am Vergnügen an Firlefanz und Flausen.

Zu ihrem 15-jährigen Bestehen präsentieren „Nobody Knows“ am Freitag, 27. Mai, ihr aktuelles Album „Urbane Camouflage“. Das Konzert beginnt um 20 Uhr in der Alten Brauerei in Tangermünde.Eintrittskarten gibt es per Mail unter anfrage@hotel-alte-brauerei.de oder unter Tel. 039322/4 41 45.