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Gerichtsbericht Hat Rentnerin Ehemann geschlagen?

Eine Mittsiebzigerin ist angeklagt, ihren Mann geschlagen zu haben.

Von Wolfgang Biermann 19.05.2016, 17:14

Stendal l Eine Rentnerin, Mitte 70 und aus der Region, soll ihren halbseitig gelähmten, gleichaltrigen Ehemann, mit dem sie seit 46 Jahren verheiratet ist, mehrfach mit einem Frühstücksbrett geschlagen und ein „kleinapfelgroßes Hämatom“ am Kopf verpasst haben. Am Donnerstag der vergangenen Woche war vor dem Amtsgericht Auftakt zum Prozess wegen Misshandlung Schutzbefohlener, wie der Tatvorwurf im Juristendeutsch heißt, die sich im Januar dieses Jahres zugetragen haben soll.

Die Vorwürfe klingen ungeheuerlich, doch sie scheinen nicht aus der Luft gegriffen, denn die Angeklagte ist wegen ähnlicher Vorfälle am 14. Dezember vorigen Jahres vom selben Richter wegen zweier Taten zu einer „Verwarnung mit Strafvorbehalt“ (Geldstrafe auf Bewährung) verurteilt worden. Tochter und Schwiegersohn hatten sie damals angezeigt. Seitdem sei es zu keinen derartigen Handlungen mehr gekommen. Ihm habe sie glaubhaft versichert, ihrem Mann diesmal nichts getan zu haben. „Ich glaube ihr“, sagte der Schwiegersohn als Zeuge aus.

Vor der Polizei soll sie laut Gericht gesagt haben, dass sie nicht wisse, ob sie es gewesen ist. „Und wenn, habe ich es nicht mit Absicht getan“, zitierte Strafrichter Rainer Mählenhoff aus dem Polizeiprotokoll. Vor Gericht schweigt die Rentnerin zu den schweren Vorwürfen.

Zur Anklage: Der Ehemann, mit dem sie laut Richter Mählenhoff viele schöne glückliche Jahre erlebte, erlitt 2014 einen Schlaganfall. Seitdem besitzt er die höchste Pflegestufe, ist auf einen Rollstuhl angewiesen und wird täglich durch einen Pflegedienst versorgt. In der Woche hält er sich tagsüber in einer auswärtigen Pflegeeinrichtung auf.

Beim Abholen von Zuhause habe sie bei ihm am 27. Januar ein Hämatom über dem Jochbein bemerkt, sagte die Leiterin der Pflegeeinrichtung als Zeugin aus. Sie habe die Verletzung fotografiert und den Patienten umgehend einem Arzt vorgestellt. Der Patient habe keine geistige Beeinträchtigung und zeige keine Anzeichen von Demenz.

Er könne sprechen, tue es „aber nicht mit jedem“, wohl auch nicht mit seiner Frau. Mit einer Mitarbeiterin verständige sich der Patient zuweilen in Zeichensprache. Auf die Frage, ob die Ehefrau ihm das Hämatom beigebracht habe, soll er per Zeichen „ja“ signalisiert haben.

Daraufhin habe sie die Tochter des Mannes angerufen und bei der Polizei Strafanzeige erstattet, sagte die Leiterin der Pflegeeinrichtung während der Verhandlung weiter aus.

Bei der Prozessfortsetzung am Amtsgericht soll nun der Ehemann als Zeuge gehört werden. Richter Rainer Mählenhoff strebt in dem von ihm „tragisch und schwierig“ genannten Prozess eine Lösung an, um eine etwaige Wiederholungsgefahr zu vermeiden: die Verlegung des Mannes auf Dauer in eine Ganztagspflegeeinrichtung.