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Wahlskandal Kleefeldt: "Ich kenne diese Mails nicht"

Stendals Wahlleiter Axel Kleefeldt gibt seine Sicht zum Wahlskandal zu Protokoll.

03.08.2016, 23:01

Blicken wir einmal zwei Jahre zurück: Am 24. Juni mailte Hardy Peter Güssau an Wolfgang Kühnel: „Dr. Klang hat eine mögliche Lösung gestern Carsten vorgeschlagen. Hoffentlich macht Axel mit.“ Wobei sollten Sie denn mitmachen?

Axel Kleefeldt: Ich weiß nicht, wo Sie die Mails herhaben. Sind die etwa aus der Ermittlungsakte? Ich kann mich nur zu Dingen äußern, die ich selbst wahrgenommen habe. Wahrscheinlich sind da rechtswidrigerweise Unterlagen herausgegeben worden, aber zu denen kann ich mich nicht äußern

Anders gefragt, hatten Sie Kontakt mit dem ehemaligen Landeswahlleiter Dr. Klaus Klang?

Ja, wir haben uns rein fachlich und ergebnisoffen ausgetauscht, wie man das unter Juristen macht. Inhaltlich hat Herr Dr. Klang mich nicht bei meiner Entscheidung beeinflusst. Vor zwei Jahren bin ich relativ schnell mit vielen Wahlrechtsproblemen konfrontiert worden. Ich habe versucht, im Internet Urteile zu finden, es war nicht viel Zeit.

Die Entscheidung zur Wiederholung einer Wahl ist von weitreichender Bedeutung. Daher war ich froh, mich mit einem Fachmann austauschen zu können. Hier an diesem Schreibtisch ist dann die einsame Entscheidung gefallen, meine Rechtsauffassung zu ändern und dem Stadtrat die Rechtmäßigkeit der Wahl zu empfehlen.

Es war für mich am 4. Juli 2014 klar, dass es zumindest eine Fälschung gab und dass ich Strafanzeige erstatten würde, aber ich habe den Vorgang als Wahlleiter rein wahlrechtlich und nicht strafrechtlich zu bewerten. Wahlrechtlich kommt es nur auf die Fakten an, die bis zum Ablauf der Wahleinspruchsfrist am 25. Juni 2016 mittels Wahleinspruch geltend gemacht werden. Für die strafrechtliche Bewertung ist die Justiz zuständig.

Sie zielen darauf ab, dass es eine Stimme des echten Wählers gegeben haben muss. Die Kommunalwahlordnung sieht bereits bei Formalfehlern eine Gültigkeit der Wahl in Gefahr. Sind dies nicht unüberbrückbare Gegensätze?

Wenn der richtige Wähler gewählt hat und es sich nicht um eine Fälschung handelt, dann wäre der Verstoß gegen § 25 Abs. 6a KWO LSA als Verfahrensfehler nicht kausal und damit nicht ergebnisrelevant.

Herr Güssau ist der Aktenlage zufolge von Ihnen am 4. Juli 2014 informiert worden, dass Sie eine Strafanzeige beabsichtigen. Warum haben Sie ihn an diesem Tag, nicht aber die beiden anderen Fraktionsvorsitzenden informiert?

Der Wahlleiter ist ein unabhängiges Wahlorgan und kann selbst entscheiden, wen er wann informiert.

Aber verstößt das nicht gegen das Gebot der Unabhängigkeit eines Wahlleiters?

Darüber brauche ich nicht in der Zeitung zu spekulieren. Dazu werde ich mich bei Bedarf in dem Gremium äußern, das irgendwann über meine Zukunft richtet. (Anm. d. Red: der Stadtrat)

Herr Güssau hat daraufhin offensichtlich mehrere Hebel in Bewegung gesetzt, um eine Strafanzeige abzuwenden. „Wenn es erst da ist, ist es nicht mehr in unserer Hand.“ War das die Absicht mit Ihrer Vorabinformation?

Ich habe eine Mail verschickt. Zu allem, was danach passiert ist, kann ich nichts sagen.

Ein Ergebnis ist ja der Brief, den Frau M. Ihnen am 5. Juli zuschickte, und das Gespräch, das sie am 7. Juli mit Ihnen führte. Wie haben Sie Brief und Gespräch wahrgenommen?

Sie hat mir eine Schilderung abgegeben, die ich bewertet habe. Das hat mich nicht von einer Strafanzeige abgebracht.

Fühlen Sie sich getäuscht?

Ja, wenn Sie den oder die Täter des noch nicht von den Gerichten aufgearbeiteten Wahlbetruges meinen, dann bin ich in der Tat getäuscht worden.

Von Herrn Gebhardt?

Für ihn gilt noch die Unschuldsvermutung. Ich habe es lange nicht für möglich gehalten, dass es tatsächlich Fälschungen geben könnte.

Von Herrn Güssau?

Was soll ich Ihnen jetzt zu dieser Frage sagen? Ich kenne die von Ihnen angesprochenen Mails nicht. Eine Täuschung würde ja voraussetzen, dass er mir etwas Falsches erzählt hat, und das hat er nicht.

Von Herrn Kühnel?

Seine Äußerungen über mich im Kreistag haben mich arg befremdet. Die eigenen Leute haben mich in die Kritik genommen. Seit zwei Jahren bin ich von vielen Seiten kritisiert worden, teilweise aus meiner Sicht unangemessen. Ich hätte mir manchmal gewünscht, dass man mehr zu mir steht. Das gilt nicht für den Oberbürgermeister, der stets zu mir gestanden hat.

Selbst wenn es Ihnen bis zum 4. Juli nicht klar war. Die Mail und der Besuch von Frau M. und ihre nicht konsistenten Erklärungen hätten Ihnen doch die Augen öffnen müssen, dass an der Konstellation der Bevollmächtigen etwas nicht stimmen kann. Stattdessen suggerierten Sie am 7. Juli im Stadtrat, dass es keine Manipulationen gegeben hat. Können Sie nachvollziehen, dass das Misstrauen nach dem, was bereits jetzt aus den Ermittlungen bekannt geworden ist, gegen den Umgang der Stadtverwaltung mit dem Wahlfehler groß ist?

Ja, das kann ich nachvollziehen. Aber es kommt, wie gesagt, auf den Inhalt der Wahleinsprüche an. Ich für meinen Teil habe nach bestem Wissen und Gewissen dazu beigetragen den Sachverhalt aufzuklären. Ich habe dem Sonderausschuss Rede und Antwort gestanden, obwohl dieser rechtswidrig war. Und ich habe von mir aus offenbart, dass wir noch Wahlunterlagen in einem Umzugskarton gefunden haben. Das hat mir damals sehr viel Kritik eingebracht.

Im Protokoll der Stadtratssitzung vom 7. Juli ist aber als Aussage von Ihnen festgehalten: „Er leitet …. ab, dass es keine Manipulation gab.“

Ich kann jetzt nicht beurteilen, ob das Protokoll meine damaligen Äußerungen richtig wiedergibt.

Ich fasse mal die Pannen im Rathaus zusammen:

• Die Änderung der Kommunalwahlordnung ist nach deren Veröffentlichung nicht registriert worden.

• Auf der Schulung des Landkreises im März 2014 ist sie ausdrücklich kommuniziert. Alle Kommunen haben sie umgesetzt, nur Stendal nicht.

• CDU-Kreisgeschäftsführerin Yvette B. kommt mit 13 Vollmachten ins Wahllokal, bekommt aber nur für 12 Unterlagen, da einer schon per Brief gewählt hat. Das soll weder Frau B. noch der Stadtmitarbeiterin komisch vorgekommen sein.

• Am Wahltag wollten zehn Personen wählen, bei denen ein Briefwahleintrag vermerkt war – Sie und Ihre Sachgebietsleiterin stolpern darüber nicht.

• Florian M. hat im Rathaus am Wahltag „seine“ Vollmacht gezeigt bekommen und erklärt, diese habe er nicht unterschrieben. Der Hinweis versandet.

• Er unterhält sich darüber auch noch mit dem Hausmeister, der ihn ins Wahllokal fährt. Auch das soll danach nirgendwo ein Thema gewesen sein.

Das sind sehr oder auch zu viele Zufälle auf einmal, finden Sie nicht auch?

Auf den ersten Blick ja. Viele der von Ihnen aufgeführten Punkte wurden aber erst im Zuge der Aufarbeitung des Geschehens bekannt. Maßgeblich ist immer die Sachlage, die ich zum jeweiligen Zeitpunkt hatte. Wenn auf der Arbeitsebene Fehler passieren, muss man Konsequenzen daraus ziehen und dafür sorgen, dass sich die Fehler nicht wiederholen. Wir haben jetzt ein neues Wahlteam und versuchen, alle Fehler auszuschließen. Dazu gehört, dass jetzt Zweifelsfragen Chefsache sind. Wir sind für die nächsten Wahlen gerüstet.

Warum haben Sie denn die Unterschriften abgeglichen?

Das erschien uns die einzige Möglichkeit, in der Kürze der Zeit einen Anhaltspunkt für Fälschungen zu finden.

Klar war dann doch aber auch, dass drei Unterschriften völlig anders waren. Warum haben Sie bei denen nicht nachgefragt? Dann wäre der Schwindel doch vor der Entscheidung aufgeflogen.

Ich hatte einfach nicht die Zeit dafür. Am Freitag kam ich aus dem Urlaub und am Montag war die Sitzung des Stadtrates. Da habe ich dann am Sonntag die Entscheidung alleine an meinem Schreibtisch getroffen. Überdies ist die Vernehmung von Zeugen Aufgabe der Strafverfolgungsorgane.

Aber es sind Fehler passiert.

Ja, aber es passieren bei allen Wahlen Fehler. Davon kann jeder etwas erzählen. Ein Beispiel: Das fängt schon bei der Erstellung des Stimmzettels an. Wird dort der Beruf des Kandidaten nicht korrekt angegeben, kann das schon Einfluss auf die Wahlentscheidung nehmen. Wichtig ist doch zu überprüfen, ob ein Fehler mandatsrelevant ist, und das habe ich nicht so gesehen.

Abschließend: Wie sehen Sie die Situation, nicht als Wahlleiter, nicht als CDU-Mitglied, sondern als Mensch Axel Kleefeldt?

Wenn Sie glücklich leben wollen, vermeiden Sie, Wahlleiter zu sein.