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Thomas Webel: „Ich sehe einen politischen Schaden“

„Schonungslose Aufklärung“ hatte CDU-Landeschef Thomas Webel versprochen, nachdem das Ausmaß des Stendaler Wahlskandals deutlich wurde.

28.11.2016, 23:01

Herr Webel, Sie haben unter dem Eindruck der Hausdurchsuchungen – unter anderem in der CDU-Geschäftsstelle und bei Wolfgang Kühnel – im November 2014 in einer Presseerklärung „einen eigenen Beitrag zur vollständigen und schonungslosen Aufklärung“ zur Wahlaffäre angekündigt. Dafür hätten Sie „entsprechende Anweisungen“ erteilt, heißt es dort. Welche waren das? Wie sind diese befolgt worden?

Thomas Webel: Wir waren im November 2014 von den Vorgängen genauso überrascht und schockiert, wie die Öffentlichkeit. Als Landesvorsitzender habe ich daraufhin den Landesgeschäftsführer vorsorglich angewiesen, mit der Staatsanwaltschaft vollumfänglich zu kooperieren, sofern sich diese an uns wenden sollte. Zudem habe ich in Gesprächen mit dem Kreisverband wiederholt deutlich gemacht, dass alle CDU-Mitglieder ein hohes Interesse daran haben müssen, dass die Vorwürfe restlos aufgeklärt werden. Diese Aufklärung kann aber nicht in Magdeburg oder Berlin geleistet werden, sondern nur vor Ort. Davon unabhängig ist es in unserem Rechtstaat so, dass die zuständigen Behörden die Ermittlungen führen.

Der CDU-Kreisvorsitzende hat nach der Hausdurchsuchung – hierzu war er von Rechts wegen verpflichtet – und nach der Pressemitteilung keine weiteren Dokumente mehr zur Verfügung gestellt. Er hat im Ermittlungsverfahren weitere Zeugentermine nicht wahrgenommen und auch gegenüber der Öffentlichkeit keinen Beitrag zur Aufklärung geleistet. Das ist juristisch sein gutes Recht. Aber wie verträgt sich dies mit dem von Ihnen formulierten Aufklärungsanspruch?

Ich kenne die Einzelheiten des mittlerweile ja eingestellten Ermittlungsverfahrens nicht und will dies auch nicht bewerten. Ich bin aber davon überzeugt, dass das Verfahren nach rechtstaatlichen Grundsätzen erfolgt ist. Persönlich habe ich nicht den Eindruck, dass Informationen zurückgehalten worden sind. So weiß ich beispielsweise, dass der Kreisvorsitzende von sich aus unter anderem Speichermedien zur Auswertung zur Verfügung gestellt hat, die auch Eingang in das Ermittlungsverfahren gefunden haben. 

Die beteiligten CDU-Funktionäre sehen sich juristisch rehabilitiert. Einer politischen Auseinandersetzung stellen beziehungsweise stellten sie sich bislang nicht. Selbst in den eigenen Reihen wird die Frage einer moralischen Verantwortung gestellt – wie vom ehemaligen Volkskammer- und Bundestagsabgeordneten Walter Fiedler. Wie sehen Sie die moralische Frage in dieser Wahlaffäre?

Ich sehe vor allem einen politischen Schaden und den bedaure ich außerordentlich. Wir als Partei des Rechtsstaats haben null Toleranz für Manipulationen. Aber gegen die kriminelle Energie eines Einzelnen sind Sie am Ende machtlos.

Auf dem CDU-Kreisparteitag Ende Oktober wurden die eigene Rolle und mögliche Fehler mit keinem Wort näher thematisiert. Stattdessen wurde von „einem politischen Gegner, der nicht auf dem Wahlzettel steht, aber auf anderem bedruckten Papier“ gesprochen. Wie verträgt sich diese Form der Medienkritik bei Ausblendung der eigenen Rolle mit der von Ihnen versprochenen „vollständigen und schonungslosen Aufklärung“? Diese Einlassung kam von CDU-Landesvorstandsmitglied Nico Schulz, der in einem weiteren Beitrag die Presse als „Totengräber der Zeit“ bezeichnete. Ist das eine Ansicht, die die Landes-CDU ebenso teilt?

Man muss diese Wortwahl nicht teilen. Aber in unserer Partei herrscht Meinungsfreiheit. Und ich sehe niemanden, der sich nicht klar und unmissverständlich zur Aufklärung dieses Vorganges bekennen würde. Was viele ärgert ist, dass man den Eindruck haben muss, die Medien sind besser informiert als diejenigen, die sich mit Vorwürfen konfrontiert sehen. Dass in der Öffentlichkeit aus internen Ermittlungsakten zitiert wird, die nicht einmal der Betroffene kennt, empfinden viele als unfair.

Mit Landrat Carsten Wulfänger schweigt derzeit ein maßgeblicher CDU-Politiker und ist damit nicht bereit, eine Schlüsselszene aufzulösen, warum es zur umstrittenen Unterschriftenprüfung und Anerkennung der Kreistagswahl kam. Ex-Landeswahlleiter Klang hat vor dem Innenausschuss bekräftigt, auf Anfrage von Herrn Güssau im Juni 2014 einen ganz anderen Rat gegeben zu haben. Kann sich ein von Ihrer Partei aufgestellter und gestützter Landrat es sich leisten, hier zu schweigen, anstatt die Sache aufzuklären? Was erwarten Sie hier von Herrn Wulfänger?

Noch einmal: Es gibt ein gemeinsames Interesse aller CDU-Mitglieder, überall dort für Aufklärung zu sorgen, wo Fragen im Raum stehen. Dies sieht auch Carsten Wulfänger so. Darüberhinaus erwarte ich von ihm, dass er sich für seinen Landkreis auch zukünftig so stark engagiert, wie er das bisher gemacht hat In unserer Demokratie entscheiden am Ende die Wählerinnen und Wähler. Und ich bin sicher, dass die Bürgerinnen und Bürger im Landkreis Stendal ihrem Landrat weiterhin vertrauen.