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25 Jahre Frauenhaus Ein unbequemes Jubiläum

Das Stendaler Frauenhaus gibt es seit 25 Jahren - und es wird wohl so bald nicht überflüssig sein. Zum Jubiläum gab es Dank und Sorgen.

Von Nora Knappe 14.12.2018, 00:01

Stendal l 25 Jahre Frauenhaus – dieses Jubiläum feiert sich nicht so leicht. Denn dass es Frauenhäuser gibt und noch immer geben muss, ist untrügliches Zeichen dafür, dass Gewalt gegen Frauen in manchen Partnerschaften Alltag ist. „25 Jahre sind Anlass zu Freude und Stolz, machen aber auch nachdenklich“, formulierte es Dorothea Richter, Vorstandsvorsitzende des Frauenhausvereins, in ihrer Festrede am Mittwoch im Kapitelsaal und zitierte Schlagworte aus dem Grundgesetz: die Unantastbarkeit der Würde des Menschen, das Recht auf körperliche Unversehrtheit, die Gleichberechtigung von Mann und Frau. „Dies alles sind Voraussetzungen, um Frauenhäuser überflüssig zu machen, leider sind wir davon noch weit entfernt.“

Etwa 1400 Frauen sind seit der Gründung des Stendaler Frauenhauses 1993 dort aufgenommen worden, jüngst immer mehr ausländische. Sie fanden Schutz, menschliche Wärme, Beratung und Begleitung zu Ämtern und Anwälten. Und manchmal auch den Weg in ein neues, selbstbestimmtes Leben.

Dass diese Arbeit nicht allein mit den zweieinhalb festen Stellen im Frauenhaus zu leisten ist, sondern vielfältiger Unterstützung bedarf, wurde bei der Festveranstaltung mehrfach deutlich: Zum einen waren unter den gut 70 Gästen etliche Unterstützer, Spender, Vertreter aus Kommunalpolitik und -verwaltung, Mitarbeiter von Beratungsstellen und Behörden. Insbesondere aber wollte Dorothea Richter die Ehrenamtlichen voll Dank erwähnt wissen. „Gerade diejenigen, die Bereitschaftsdienste übernehmen und nachts, an Wochenenden und Feiertagen da sind.“

Ein ganz enger Draht bestehe zur Polizei, die nicht nur in Krisensituationen bei häuslicher Gewalt interveniere, sondern das Frauenhaus auch dann unterstütze, wenn es gelte, persönliche Dinge der von zu Hause geflohenen Frauen aus der Wohnung zu holen. Den Dank für diese enge Kooperation gab Polizeirat Torsten Müller gern zurück: „Es ist ist eine sehr wichtige Arbeit, die Sie für die Gesellschaft leisten. Wir schätzen das sehr.“

Wertschätzung brachte auch Detlef Frobel vom Stendaler Gemeindekirchenrat zum Ausdruck: „Sie sind diejenigen, die dort genau hinschauen, wo die Gesellschaft noch zu oft wegschaut.“ Um dieses Hinschauen zu unterstützen, solle eine Kollekte im Jahr immer fürs Frauenhaus bestimmt sein.

Aufhorchen ließen einige Jahreszahlen. So erinnerte Dorit Schubert vom Paritätischen daran, dass 1976 das erste Frauenhaus Deutschlands in Berlin eröffnet wurde, dass es heute zirka 400 gebe und dass die Vergewaltigung in der Ehe erst seit 1997 als Straftat gelte. Dorothea Richter machte auf die Istanbulkonvention aufmerksam (genauer: das „Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt“), die es völkerrechtlich verbindlich seit 2011 gibt, die in Deutschland, „beinahe unbemerkt“, erst im Februar 2018 in Kraft getreten ist.

„Damit im Rücken gelingt es eines Tages vielleicht doch noch, Frauenhäuser verlässlich zu finanzieren“, sagte Dorothea Richter und sprach damit eine dauerhaft bestehende Sorge der Frauenhausmitarbeiterinnen an: die unstete Finanzierung. „Die Beträge von Stadt und Landkreis helfen uns weiter, aber sie sind in der Höhe seit 2003 unverändert, während die Personalkosten weiter steigen.“ Jährlich müssten zudem Förderbeträge neu beantragt werden – der Wunsch nach bundesweit festgeschriebener Finanzierung stehe daher nach wie vor ganz oben.

Einige Wünsche sind bereits erfüllt oder kurz davor, erfüllt zu werden: Jalousien, Strom- und Wasseranschluss wurden erneuert, die Verbesserung der Sicherheitstechnik steht bevor. Ein neuer, überarbeiteter Mietvertrag mit der Stadt wird demnächst unterzeichnet, außerdem wird es künftig eine jährliche Sachkostenpauschale von der Stadt geben.

Und seit knapp einem Jahr haben Margot Nawitzki und Juliane Kirchbach eine neue Kollegin im Frauenhaus: Nicole Mahlow ist an drei Tagen in der Woche speziell für die Kinder der Frauen da, um mit ihnen zu spielen, zu reden, Hausaufgaben zu machen. „Bislang blieben die Kinder immer zu sehr hinten dran“, erklärte Richter der Volksstimme, „aber es ist genauso wichtig, sich um sie zu kümmern. Denn Kinder lernen die Verhaltensmuster in ihren Familien und tragen sie weiter.“ So hätten schon die Töchter von betreuten Frauen wiederum im Frauenhaus Hilfe gesucht oder drangsalierten die Söhne wiederum ihre Partnerin.“

Insofern war das Schlusswort von Vorstandsmitglied Dorena Berlin wohl wegweisend: „Ich fürchte, wir werden noch einige Jubiläen feiern müssen.“