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90. Geburtstag Ein Leben für die Kirche

Karl-Heinrich Schroedter feiert am 15. August seinen 90. Geburtstag. 30 Jahre davon wirkte er als Pastor an der Stendaler Jakobi-Kirche.

Von Egmar Gebert 15.08.2018, 13:52

Stendal l Wer den Blick über die Wände des Arbeitszimmers von Karl-Heinrich Schroedter schweifen lässt, begibt sich auf eine kleine Reise zu Stationen im Leben des Pfarrers i. R..

Da ist das Bild gleich neben der Tür, das die Deckenmalerei der Kirche St. Michael in Hildesheim zeigt. Ein Beleg der regen Kontakte, die Schroedter in seiner Zeit als Pfarrer in St. Jakobi in Stendal zur Hildesheimer Gemeinde pflegte.

Daneben ein Foto der Glasmalerei im Erfurter Dom. In Erfurt ging der junge Karl-Heinrich aufs Gymnasium, und dorthin kehrte er nach der Kriegsgefangenschaft zurück, um sein Abitur zu machen.

Das Bild des Vaters, der auch Pastor war, als dessen erster Sohn Karl-Heinrich Schroedter am 15. August 1928 in einem 300-Seelen-Dorf in der Dübener Heide namens Battaune geboren wurde.

Über dem Schreibtisch die Kreuzigung Christi, ein Gemälde von Franz Stuck, deutscher Jugendsstil-Maler. Schroedters Eltern schenkten es ihm, als er zehn Jahre alt war. „Das war 1938. Sie wissen, was in diesem Jahr in Deutschland los war? Für mich ist das ein Bild mit sehr großer Symbolkraft“, kommentiert Schroedter den Mini-Rundgang durch sein Leben, in dem die Kunst fester Bestandteil ist. Davon zeugt eine Zeichnung des Berliner Malers und Predigers Wilhelm Groß, die der junge Student der Theologie und Kunstgeschichte Karl-Heinrich Schroedter 1948 von ihm bekam. „Ein Original“, bemerkt er eher beiläufig, bevor er seinen Gast bittet, auf einem weiteren Original Platz zu nehmen – einem Bauhaus-Sessel aus den 30er Jahren. Er ist bereit, die neun Jahrzehnte seines Lebens Revue passieren zu lassen. Die Bitte darum beantwortet Schroedter in seiner freundlich-verschmitzten Art mit einer Frage: „Wie viel Zeit haben Sie mitgebracht?“

Das Gespräch beginnt im Telegrammstil. Kindheit in Sömmerda, dort auch die Einschulung 1935, Klassen mit bis zu 60 Kindern.

Das Jahr 1939 ist ihm dann allerdings doch mehr als ein paar Stichpunkte wert. Es war das Jahr, in dem seine Eltern Karl-Heinrich nach Halle in die Schulstadt der Franckeschen Stiftungen schickten, eine Internatsschule, „die einzige in Mitteldeutschland, die damals noch nicht Nationalpolitische Lehranstalt war. Sie haben sicher den Begriff Napola schon mal gehört...“ Die Schule, die Schroedter dort besuchte, war eine christliche und damit eher in Oposition zum Nazi-Regime stehend.

1939 war aber auch das Jahr, in dem sein Vater eingezogen wurde. „Er musste in einen Krieg, von dem wir dachten, er würde in ein paar Wochen zu Ende sein“, erinnert er sich an das, was für den Elfjährigen damals außer Frage stand. Kein Jahr später, am 28. Mai 1940, war Karl-Heinrich Schroedters Vater tot.

„Das erste Kriegsopfer der Mitteldeutschen Kirche und einer der ersten Kriegstoten aus Sömmerda,“ fasst er das für den Jungen damals Unfassbare in wenige Worte.

Dreieinhalb Jahre später wurde des toten Pfarrers Sohn ebenfalls zur Wehrmacht eingezogen.

Vom 20. Juli 1944, dem Attentat auf Hitler, erfuhr er in einer Flak-Stellung bei Kolberg. „Den Krieg müssen wir gewinnen, aber die Nazis müssen weg, so haben wir 16-, 17-Jährigen damals gedacht. Dann hat mich ein Kamerad beiseite genommen und zu mir gesagt: Heinrich, wir müssen den Krieg verlieren, sonst werden wir die Nazis nie los.“

Der Weg in diese neue Zeit führte für den vom Gymnasiasten zum Flakhelfer mutierten Jugendlichen durch die amerikanische Kriegsgefangenschaft. „Wir waren 17 Jahre und somit zählten wir nicht als Soldaten. Wir wurden einfach nur ein Jahr in Gefangenenlagern durchgefüttert.“

Dem Abitur, das er dann schließlich doch noch in Erfurt ablegen konnte, folgte das Studium. „Ich war eigentlich technisch orientiert, aber ich sah die Vielseitigkeit des Studiums, die Notwendigkeit von persönlicher Seelsorge und Unterweisung der kommenden Generation“, begründet er, warum er sich schlussendlich für die Theologie entschied. Studiert hat Karl-Heinrich Schroedter sie in Berlin, Erlangen und Heidelberg (erstes Staatsexamen) sowie Magdeburg (zweites Examen).

Seine erste Wirkungsstätte als Pfarrer nach der Ordination 1954 war Kölleda in Thüringen, dann Bertingen im Süden der Altmark, wo Pfarrer Schroedter auch heiratete. In den neun Jahren als Pfarrer in Bertingen/Cobbel wurden die drei Kinder der Schroedters geboren. In Stendal, wo Karl-Heinrich Schroedter ab 1963 der Pastor von St. Jakobi war, wuchsen sie auf.

Drei Jahrzehnte war St. Jakobi seine Gemeinde. Sie ist es heute noch. Ein Buch würde es füllen, wollte man sein Wirken dort zu Papier bringen. Aber: „Zeit ist kostbar“, räumt er mit fast schon entschuldigendem Unterton ein, selbige in der zurückliegenden Stunde „etwas verplaudert“ zu haben. So soll es nun, wie von ihm vorgeschlagen, bei einigen Schlaglichtern aus der St. Jakobi-Zeit von Pfarrer Schroedter bleiben: Vorsitz des Kindergartens, mehr als 20-jähriges Betreiben der Jakobi-Herberge, drei Dachreparaturen, die Anschaffung der vier Evangelien-Leuchter und einer Eingangstür für die täglich geöffnete Kirche, die erste Renovierung der Glas- fenster, die Arbeit über Christian Scriver, dem bedeutenden reformatorischen Prediger, der im 17. Jahrhundert auch 14 Jahre an St. Jakobi wirkte... und aus jüngerer Vergangenheit Schroedters (auch finanzielles) Engagement für die Freskenmalerei in St. Jakobi und die Orgel, um sie stimmen zu lassen. Übrigens: „Drei Register der Orgel müssen restauriert werden. Wer mir etwas zum Geburtstag schenken möchte – das wäre doch eine Idee. Die Spendenkontonummer ist ja bekannt.“

Da ist es wieder, das verschmitzte Lächeln des Pfarrers im Ruhestand, der gern der Bitte nachkommt zu verraten, wie er es schafft, auch im hohen Alter fit zu bleiben: „Ich gehe jeden Morgen um 7 Uhr schwimmen, liebe Regelmäßigkeit im Tagesablauf, mache eine Stunde Mittagsschlaf und ich hatte und habe immer gute Menschen an meiner Seite.“

Die grauen Zellen fit zu halten, dabei half und hilft Karl-Heinrich Schroedter unter anderem das Lesen und sein Engagement in der Winckelmann-Gesellschaft, der er seit 1965 angehört und deren Medaille ihm verliehen wurde.