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Abfall-Chaos Beim Gebührenzahler entschuldigt

Der 1. Beigeordnete des Landrates, Denis Gruber (SPD), räumte Fehler bei der Abfallwirtschaft im Landkreis Stendal ein.

Von Bernd-Volker Brahms 21.10.2019, 05:00

Stendal l Bis Ende des Jahres sollen die Gebühren für die Abfallentsorgung im Landkreis Stendal neu berechnet und vom Kreistag rückwirkend für 2019 und für 2020 beschlossen werden. Dies hat der Kreistag am Donnerstag einstimmig beschlossen. Gleichzeitig akzeptiert der Landkreis die Gerichtsurteile, die zuletzt vom Verwaltungsgericht in Magdeburg gegen den Landkreis getroffen worden waren. Mehrere Bescheide wurden aufgehoben, da der Richter eine rechtswidrige Gebührensatzung erkannt hatte.

„Es müssen Korrekturen erfolgen“, sagte Denis Gruber (SPD) als zuständiger 1. Beigeordneter des Landrates. „Wir geloben Besserung“, sagte er. Es seien in der Vergangenheit Fehler passiert. „Da können wir uns nur beim Gebührenzahler entschuldigen“, sagte Gruber.

Gruber empfahl den Kreistagsmitgliedern, dass nicht weiter juristisch gegen die Verwaltungsgerichtsurteile vorgegangen werde. Die Berliner Rechtsanwältin Caroline von Bechtolsheim, die seit einigen Jahren den Landkreis berät und auch in der Verhandlung im August zugegen war, hatte zuvor davon gesprochen, dass die Erfolgsaussichten bei einer Berufung gut seien. Der Richter habe einige Punkte übersehen.

„Das gefällt mir gar nicht, was Sie hier sagen“, entgegnete Edith Braun (Pro Altmark). „Der Richter hat eine klare Ansage gemacht, Juristerei hilft uns hier nicht weiter. Wir müssen die Satzung ändern“, sagte die Lüderitzerin. Der Berliner Anwältin wiederholte nochmals ihre Rechtsauffassung, wonach es für die Kalkulation unerheblich sei, ob wirklich alle Anschlusspflichtigen tatsächlich angeschlossen sind. Es käme nur darauf an, dass die, die das System nutzen, in der Kalkulation vorkämen.

Denis Gruber gab zu, dass jahrelang zumindest die Kleingärtner im Landkreis eine Sonderstellung inne hatten. Kleingärtner seien zwar seit 2004 laut Satzung anschlusspflichtig gewesen. Auf die Durchsetzung der Pflicht sei aber verzichtet worden, „um die Grundstücksbesitzer nicht mit zusätzlichen Abfallegebühren zu belasten“, so Gruber. Diese Position sei „politischer Wille“ gewesen. Kreistagsmitglied Frank Wiese (Landwirte) sprach davon, dass diese „liberale Haltung uns nun auf die Füße fällt“. Der Verwaltungsrichter in Magdeburg hatte mit seinen Urteilen allerdings klar gemacht, dass es sich weniger um eine politische als eine rechtliche Frage handele.

Gruber betonte im Kreistag, dass die Zahl der Kleingartenvereine allein von 2018 auf 2019 von 61 auf 56 gesunken und die Parzellenzahl in selben Zeitraum von 2258 auf 1972 zurückgegangen sei. Wenn die Kleingärtner nun angeschlossen werden, so werde sich dadurch die Grundgebühr bei der Müllabfuhr von derzeit 39,90 Euro um gerade einmal 27 Cent für alle senken. Um dem Gericht zu genügen, komme man um einen Anschluss aber nicht rum.

Die Reduzierung des Problems auf die Kleingärtner brachte den Fraktionsvorsitzenden Arno Bausemer (AfD) auf den Plan. „Das bekommt hier so einen merkwürdigen Dreh“, sagte er. Man solle auch nicht so tun, als habe der Richter in Magdeburg „einfach nur mal einen schlechten Tag gehabt“. Es sei in der Vergangenheit noch mehr schiefgelaufen und das müsse aufgearbeitet werden, so Bausemer. Aus seiner Sicht sei auch die Konstruktion der Finanzierung der Bioabfalltonne über die Restabfalltonne rechtswidrig. Nicht alle, die eine schwarze Tonne haben, haben auch eine braue. „Wir sollten uns hier kein weiteres Chaos mehr leisten“, sagte Bausemer.

Auch die Fraktionsvorsitzende Katrin Kunert (Linke) wollte die Ungereimheiten vergangener Tage nicht einfach so stehenlassen. „Wir sahen uns auf der Anklagebank, als wir im vergangenen Jahr nachhakten, ob die Situation hinsichtlich der Kleingärtner rechtskonform ist“, sagte sie. „Wir wollen die Kleingärtner eigentlich auch nicht anschließen“, sagte sie. 2018 hatte die Gebührensatzung schon einmal überarbeitet werden müssen, da man sich bei der ALS Dienstleistungsgesellschaft derart verrechnet und Mehreinnahmen generiert hatte, so dass die Satzung rechtswidrig wurde. Nun blicke sie schon wieder in viele genervte Gesichter, merkte Kunert an.

Fraktionsvorsitzender Nico Schulz (Pro Altmark) wunderte sich über das Gerichtsurteil. „Ich hätte gerne weiter gekämpft“, sagte er. Aus seiner Sicht mache die ALS eine gute Arbeit, es sei in der öffentlichen Wahrnehmung ein falsches Bild entstanden. „Es braucht nun Transparenz und ein Ende der Diskussion“, sagte Patrick Puhlmann (SPD).