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Abschied nehmen Trauer in besonders schwieriger Zeit

Die Corona-Krise verhindert gemeinsame Abschiede von Toten. Das Trauernetzwerk Altmark ist Ansprechpartner in dieser schweren Zeit.

Von Nora Knappe 15.04.2020, 03:00

Stendal/Gardelegen l Wer trauert, sollte damit nicht allein bleiben. Für den ein oder anderen Tag mag das vielleicht gut sein – mit niemandem reden, sich nicht mitteilen und erklären müssen. Doch mit niemandem reden können, ja, gar dürfen, wenn man es braucht, das ist zu viel für einen Menschen. Und doch müssen genau das viele derzeit aushalten – sich am Sterbebett nicht verabschieden, nicht zur Beerdigung gehen, niemanden zur Trauerfeier einladen können, sich nicht von Freunden und Bekannten durch ihre Anwesenheit trösten lassen, sich nicht von geschulten Trauerbegleiterinnen unterstützen lassen ... Doch die Trauer ist da oder bricht gerade in einer Krisenzeit wie der jetzigen unerwartet wieder auf.

Das Trauernetzwerk Altmark weiß um diese besondere Situation, die über unbestimmbare Zeit andauern wird, und möchte helfen und für Trauernde da sein. So gut es eben geht. „Das Trauernetzwerk Altmark aus qualifizierten Trauerbegleiterinnen möchte deutlich machen, dass auch über Telefon manche Entlastung möglich sein kann“, hat es Krankenhausseelsorger und Hospiz-Geschäftsführer Ulrich Paulsen in einem Schreiben formuliert. „Telefonische Kontakte sind weiterhin möglich und können helfen, etwas loszuwerden oder etwas neu zu sortieren. Wo sonst Trauercafé, Kochen, Klettern und Gesprächsrunde als bekannte Angebote angesagt waren, braucht es momentan andere Formen.“

Die direkte Begegnung, die so wichtig ist in der Trauerbegleitung, kann derzeit nicht stattfinden, und dabei ist sie ja ein ganz wesentlicher Teil davon. Denn oftmals geht es nicht unbedingt um Worte, sondern um Gesten, Blicke, Zuwendung, eine Umarmung, einen tröstenden Händedruck ...

Doch Resignieren ist nicht die Art der Trauerbegleiter. Und so möchte Ulrich Paulsen unbedingt auf die Möglichkeiten des Telefonierens hinweisen: „Wir wollen den Menschen Mut machen, das zu nutzen und sich nicht davor zu scheuen, uns anzurufen. Trauer duldet keine Aufschub.“ Auf diese Weise könnten womöglich auch neue Ideen für Trauerrituale erdacht werden – und zumindest ist einfach jemand da, der zuhört.

Auch im ambulanten Hospizdienst muss nun vieles, was sonst auf persönliche Weise stattfindet, übers Telefon erfolgen – so wie unser Gespräch darüber mit Paulsen. „Die Ehrenamtlichen-Einsätze in der Häuslichkeit gibt es jetzt erst einmal nicht“, sagt er, „aber wir können durch telefonische Begleitung für die Menschen da sein.“ Das sei bei den schon bestehenden Kontakten einfacher, weil man sich schon besser kenne. Auch Einkäufe oder Erledigungen in der Apotheke würden erledigt.

In Gardelegen sollte der Ambulante Hospizdienst im März in ein neues Gebäude einziehen, in dem sich auch die Kontaktstelle für den Ambulanten Kinderhospizdienst befindet. „Das war schon absurd“, berichtet Paulsen, „wir haben Herrn Rehbein und Frau Tanger die Räume und den Schlüssel übergeben und mussten dann sagen: So, und jetzt schließen Sie wieder ab.“

Die ambulante Palliativversorgung laufe derweil weiter, doch sieht Ulrich Paulsen hier ein gravierendes Problem: „Es ist bisher kaum Schutzkleidung vorrätig, noch geht es, aber es kann schnell knapp werden. Wenn es konkret wird, hoffen wir, dass unser Team übers Gesundheitsamt versorgt wird.“ Einen entsprechenden Hilferuf sandte Ende voriger Woche Michaela Hach, Bundesvorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft der Teams für Spezialisierte Ambulante Palliativ-Versorgung (SAPV): „Derzeit werden Schutzkleidung und Desinfektionsmittel in der Verteilung auf Krankenhäuser und andere mutmaßliche Zentren der Versorgung tatsächlicher und potentieller Corona-Patienten konzentriert. Das ist zwar verständlich, aber tausende von Menschen, die an ihrem Lebensende ambulant versorgt werden, deren Angehörige und die Mitarbeiter der SAPV-Teams werden dabei vergessen. Das mag ein Versehen sein. Aber dennoch ist es unmenschlich und kurzsichtig.“

Vergessen oder in der Priorisierung beiseite geschoben würden auch die Tumorpatienten. So nimmt es Ulrich Paulsen derzeit wahr: „Auch sie warten auf Behandlung, es gibt aber in den Krankenhäusern jetzt eine Verschiebung der Gewichtung, so dass die Versorgung aller Nicht-Corona-Patienten auf ein Minimum reduziert ist.“

Unweigerlich reduziert und sehr eingeschränkt arbeitet auch der stationäre Hospizdienst in Stendal. Der Ehrenamtlichen- und der Sozialdienst wurden gedrosselt, ebenso die Arbeit der Koordinatorinnen.

Und es gelten verschärfte Sicherheitsvorkehrungen. „Die Tür des Hospizes steht nicht mehr offen, das haben wir nie gehabt in den 20 Jahren unseres Bestehens.“ Jeder Hospizbewohner kann zwei Personen benennen, die ihn besuchen dürfen, für sehr begrenzte Zeit. „Wir können ja den Sterbenskranken nicht untersagen, ihre Angehörigen noch mal zu sehen, und umgekehrt.“ Wer ins Haus möchte, muss klingeln, seinen Namen und den des Besuchten nennen, dann gibt es Handdesinfektion und Mundschutz und wenn möglich soll auch auf Abstand zum Angehörigen geachtet werden.

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter trügen alles in einer so gut wie möglichen Balance zwischen Katastrophenmodus und Routine. „Und sie haben ja selbst gerade ihre besonderen Situationen“, sagt Paulsen, „wer Kinder zu Hause hat, ist zurzeit ja doppelt gefordert.“ Und doch sei es zeitweise die gewohnt entspannte Arbeitsweise im Hospiz. Was ja nur menschlich ist. Und umso schöner.