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Adel Die ganze Familie zur Kasse gebeten

Mit einem Festgottesdienst wurde am Freitag in Wittenmoor an den Bau der neuromanischen Kirche erinnert.

Von Claudia Klupsch 31.08.2015, 23:01

Wittenmoor (ckl) l Punkt 18 Uhr läuten die Glocken der kleinen Kirche zum Gottesdienst. Es ist ein Festgottesdienst mit einem besonderen Gast. Busso von Alvensleben ist gekommen. Er ist der Enkel des Ludolf von Alvensleben, auf dessen Initiative das Wittenmoorer Gotteshaus vor 120 Jahren neu erbaut wurde. Die Adelsfamilie ist mit der Altmark verwoben, auch mit dem einstigen Gut Wittenmoor. Sie engagiert sich bis heute mit einer Stiftung für den Erhalt von Baudenkmälern.

„So steht das prächtige Kirchlein auf dem alten Grunde, möge Gott es erhalten, damit die Gemeinde Wittenmoor es lange heilig halten kann. Man komme denn und sehe selbst das Kirchlein an, gern wird es gezeigt werden.“ So schreibt das „Altmärkische Intelligenz- und Leseblatt“ am 12. September 1895. 120 Jahre später hat sich die heutige Gemeinde zahlreich in ihrem „Kirchlein“ versammelt und lauscht den Worten von Pfarrer Jürgen Brilling. Er bedankt sich im Gebet, dass sich Menschen für den Erhalt dieses Raumes einsetzen. „Die Gemeinde ist zu klein, das Haus aus eigener Kraft zu halten.“ Um so wichtiger sei das Engagement der Familie von Alvensleben.

Busso von Alvensleben schwärmt in seinem Grußwort an die Gemeinde von der „Familienkirche“. Er erzählt vom tiefen Wunsch seiner Großeltern Ludolf von Alvensleben und Ida von Glasenapp, mit diesem Haus „für den lebendigen Glauben ein Zeugnis zu schaffen“. Vermutlich war es der Besuch der Bethlehemer Weihnachtskirche, der sie zur prachtvollen Gestaltung in Wittenmoor inspirierte. Um den Bau der Kirche im neuromanischen Stil auf den Fundamenten einer abgerissenen Feldsteinkirche realisieren zu können, baten sie die gesamte Familie von Alvensleben mit zur Kasse. „Es ging dann nicht ohne Wappen der Verwandten“, so Busso von Alvensleben schmunzelnd. So finden sich neben den Wappen der Großeltern auch die der Geschwister des Urgroßvaters.

Nach dem Bericht seines Enkels ließ sich Ludolf von Alvensleben nicht lumpen und engagierte für die Innenausmalung den damals schwer angesagten Kirchenmaler Professor Adolf Quensen, der auch in der Berliner Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche künstlerische Hand anlegte. Schnell verliert sich der Betrachter in die Malerei, in die Darstellung Christi im zentralen Chorfenster und in die Gesichter von Maria und Josef im linken Fenster. „Das Gesicht des Josef trägt die Gesichtszüge meines Urgroßvaters“, deutet Busso von Alvensleben auf das Bildnis. Auch in der Darstellung der Pfingstszene im rechten Fenster ist eine derer von Alvensleben verewigt. Eine an der Seite von Petrus sitzende Gottesmutter hat die Gesichtszüge der Urgroßmutter des Busso von Alvensleben.

Pfarrer Brilling würdigt das Anliegen des Erbauers, einen Versammlungsraum für die Gemeinde und einen Ort geistlicher Erbauung zu schaffen. „Von seinem Gesegnetsein wollte er etwas abgeben, finanzierte großzügig und sammelte weitere Gelder. Bis heute engagiere sich die Familie. 2006 konnte die Glasmalerei restauriert werden. Der Pfarrer und seine Gemeinde sind stolz auf ihre kleine prachtvolle Kirche. „Vielen Gästen klappt der Unterkiefer herunter, wenn sie sie betreten“, erzählt er. So ist es nicht von ungefähr, dass Brilling ins Liederprogramm des Gottesdienstes „Kirche der Heimat“ aufnahm. Es hat etwas rührend Feierliches, als die Gottesdienstbesucher „Kirche der Heimat, ich lieb dich gar sehr“ gemeinsam singen. Mit einem kleinen Fest im Anschluss an den Gottesdienst findet ein feierlicher Abend seinen Ausklang.