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Alstom Der "alte" neue Werkschef in Stendal

Der neue Leiter des Stendaler Alstom-Werkes ist ein alter Bekannter. Jörg Neubauer hat ehrgeizige Ziele.

Von Antonius Wollmann 07.12.2020, 18:00

Stendal l Jörg Neubauer gibt sich wenig Mühe, seine Herkunft zu leugnen. Geboren und aufgewachsen im brandenburgischen Caputh in Sichtweite der Hauptstadt spricht er immer noch den dort üblichen urwüchsigen Dialekt. Kriegt man halt nicht so einfach raus – das Berlinerische. Der 59-Jährige hebt sich damit wohltuend ab von Führungskräften, die oft wie aus einem Katalog bestellt wirken. Irgendwie etwas glatt und austauschbar.

Jörg Neubauer, der in Berlin Technologie der Instandsetzung studiert hat, hingegen strahlt eine Bodenständigkeit aus, die fast schon perfekt passt in eine Region, der alles Hektische eigentlich fremd ist. Kein Wunder also, dass sich die Rückkehr zu Alstom für ihn anfühlt wie eine Heimkehr. „Es ist für mich wirklich ein freudiges Ereignis, wieder hier tätig zu sein“, sagt er.

Zum zweiten Mal wird der Ingenieur die Verantwortung für die etwa 200 Mitarbeiter an dem traditionsreichen Standort tragen. Schon zwischen 2004 und 2009 leitete er das ehemalige Reichsbahnausbesserungswerk. Damals eine Zeit des Umbruchs – zwei Jahre zuvor war der französische Konzern eingestiegen. Neubauer war in der Folge maßgeblich daran beteiligt, Stendal als Zentrum für die Modernisierung von Dieselloks zu etablieren. Unter seiner Ägide wurden die ersten Hybridloks auf die Schiene gesetzt.

In der Zwischenzeit war er in verschiedenen Unternehmen tätig, kümmerte sich unter anderem um die Planung und Herstellung von Baugruppen für Flugzeuge. Eine sehr lehrreiche Zeit sei dies für ihn gewesen.

Bei der Belegschaft scheint die Personalie Neubauer jedenfalls gut anzukommen. Betriebsratschefin Karin Köppe äußerte sich vor einigen Wochen fast schon euphorisch, als die Entscheidung verkündet wurde. Sie habe den Eindruck, dass wieder Mut und Zuversicht in die Hallen eingezogen seien. Ein dezenter Hinweis darauf, dass es in der jüngeren Vergangenheit offenbar nicht immer zum Besten um die Stimmung gestellt war.

Für den neuen „Site Managing Director“ (dt. Betriebsleiter), so die offizielle Bezeichnung, sind die Gerüchte über Unstimmigkeiten allerdings kein großes Thema. Er spricht stattdessen von „einer großen emotionalen Nähe“, die ihn mit den Kollegen verbinde. „Ich bin davon überzeugt, dass wir hier sehr gut zusammenarbeiten“, befindet Jörg Neubauer. Vielmehr wolle er an seine erste Phase als Werkschef anknüpfen. Die Voraussetzungen dafür seien durchaus gegeben. „Ich habe das Gefühl, dass sehr viel, was ich damals angestoßen habe, bewahrt und weiterentwickelt worden ist“, schätzt er im Gespräch mit der Volksstimme ein.

Auch wenn die Rahmenbedingungen sich in den vergangenen 14 Jahren geändert hätten. Logischerweise habe seine Branche einen Wandel durchlaufen. „Das betrifft vor allem technische Dinge wie Normen- und Zulassungsregeln, die in einem europäischen Rahmen geregelt werden. Das ist schon ein Stück weit anspruchsvoller geworden“, sagt der neue Leiter. Große Sorgen, dass die Mitarbeiter diese Hürden meistern, hat er nicht: „Wir sind dahingehend hervorragend aufgestellt.“

Gleichzeitig steckt Jörg Neubauer sich ehrgeizige Ziele. Das Stendaler Alstom-Werk soll Vorreiter für nachhaltige Mobilität werden. Heißt, ressourcenschonender zu arbeiten und einen noch klareren Blick zu entwickeln, welche Komponenten bei alten Lokomotiven erhaltenswert sind. Dabei setzt er weiter auf die Hybridtechnologie und deren Weiterentwicklung. Eine neue Generation von entsprechenden Bausätzen stehe schon in den Startlöchern.

Doch liegt das Hauptaugenmerk nicht allein auf der Instandhaltung alter Triebwagen. Erst vor Kurzem zog das Unternehmen einen Großauftrag in Höhe von 27 Millionen Euro für die Modernisierung von etwa 170 Doppelstockwagen der Landesnahverkehrsgesellschaft Niedersachsen an Land.

Bis zum Jahr 2026 sollen in der Hansestadt rund 24.000 neue Sitze verbaut werden, pro Wagen müssen fast 1,8 Kilometer neue Kabel verlegt werden. „Das ist natürlich eine Herausforderung, wir werden den Auftrag sowohl personell als auch infrastrukturell stemmen“, ist Jörg Neubauer optimistisch.