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AmtsgerichtBeamter fühlte sich beleidigt

Stendaler Rathausbediensteter verklagte eine Kita-Mitarbeiterin wegen Willkür-Vorwurf und bekam am Amtsgericht Recht.

Von Bernd-Volker Brahms 17.10.2018, 01:01

Stendal l Den Vorwurf, dass er willkürlich handele, wollte ein Beamter der Stendaler Stadtverwaltung nicht auf sich sitzen lassen. Genau dies hatte ihm eine Kita-Mitarbeiterin vorgeworfen. Es ging dabei um Landesmittel in Höhe von gut 30.000 Euro, die die Stadt nicht an die Einrichtung weitergereicht habe. Dass die Stadt das Geld einbehalten hatte, war dabei nicht einmal strittig.

Die Kita-Mitarbeiterin argumentierte, dass von der Stadt Rechtsvorschriften nicht eingehalten würden. Da sie dieses Vorgehen für nicht rechtens hält, informierte sie in einem Schreiben einige Stadtratsmitglieder über den Vorfall. In dem Schreiben sprach sie von „willkürlichem“ Verhalten des Verwaltungsmitarbeiters. Dieser erfuhr vom Inhalt des Schreibens und zeigte die Kita-Mitarbeiterin daraufhin an.

Wie Amtsrichter Holger Märtin gestern bei der Urteilsverkündung sagte, sei es für ihn um die Abwägung gegangen, ob es sich bei der Äußerung „willkürlich“ um eine Meinungsäußerung oder um eine beweisbare Tatsachenbehauptung handele. Es sei ein Grenzfall, gab der Richter zu. Letztlich habe er sich für die Tatsachenbehauptung entschieden und die Kita-Mitarbeiterin dazu verurteilt, die Aussage zu unterlassen. Außerdem muss sie die Rechtsstreitkosten sowie die Gerichtskosten komplett übernehmen. Sie hat allerdings die Möglichkeit, beim Landgericht in Berufung zu gehen.

Vor zwei Wochen hatte es bereits einen Gütetermin geben, bei dem Richter Märtin durchblicken ließ, dass er im vorliegenden Fall zu einer „Grenzüberschreitung“ und somit zu einer nachweisbaren Tatsachenbehauptung tendiere und die Kita-Mitarbeiterin verurteilen werde. Es lag das Angebot auf dem Tisch, dass sie die Aussage unterlassen und zwei Drittel der Kosten übernehmen solle. Dies lehnte sie ab. Der Rechtsanwalt Ralf Troeger, der den Rathausmitarbeiter vertrat, wies seinerzeit darauf hin, dass der Vorwurf der Rechtsbeugung im Raum stehe. „Das ist ein schlimmer Vorwurf“, sagte dieser.

Der Richter stellte bei der Urteilsverkündung klar, dass es nicht um eine inhaltliche Bewertung des Vorwurfs gehe, also darum, ob nun zu Recht oder Unrecht Geld von der Stadt einbehalten worden sei. Es gehe einzig darum, zu belegen, ob das Vorgehen des Rathausmitarbeiters willkürlich erfolgte. „Er kann unter Umständen auch nur einen Fehler gemacht haben“, sagte der Richter. Insofern müsse der Vorwurf der Willkür belegt werden. Dies sei vonseiten der Beklagten nicht geschehen. Insofern sei das Urteil entsprechend ausgefallen. Im Übrigen waren bei dem Verkündungstermin gestern weder der Kläger noch die Beklagte anwesend.

Für den Rathausmitarbeiter war das Gerichtsverfahren mit keinem finanziellen Risiko verbunden. Wie die Volksstimme auf Anfrage erfuhr, war im Vorfeld gesichert, dass die Stadt etwaige Kosten trägt, auch wenn der Mitarbeiter als Privatperson die Klage führe. Er sei von der Kita-Mitarbeiterin in seiner Funktion im Amt angesprochen worden, dementsprechend gebiete es die Fürsorgepflicht der Stadt als Dienstherr des Mitarbeiters, dass dieser nicht auf den Kosten sitzen bleibe.

Wie die Unterlagen, die vertraulich von der Kita-Mitarbeiterin an einzelne Stadträte übergeben worden waren, zu dem Rathausmitarbeiter gelangten, spielte in dem Verfahren keine Rolle.