1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Stendal
  6. >
  7. Hilfsangebot von Kita und Jugendamt

EIL

Amtsgericht Hilfsangebot von Kita und Jugendamt

Im Fall des misshandelten dreijährigen Jungen aus Stendal werden wichtige Fragen beantwortet.

Von Wolfgang Biermann 15.01.2018, 14:48

Stendal l Bezüglich der Berichte über den Prozess um die Misshandlung eines dreijährigen Jungen in Stendal in der Vorwoche erreichten die Volksstimme mehrere Anfragen. So wollten Leser wissen, ob der Junge noch immer im Haushalt der zu Bewährungsstrafen verurteilten leiblichen Mutter und des Stiefvaters lebe. Und, ob es keine Reaktion von Seiten der Kita und des Jugendamtes gab. Und schließlich, ob es sich um einen Einzelfall handelt.

Hier die Antworten: Der jetzt Sechsjährige lebt nicht mehr bei den Angeklagten. Er befindet sich in Obhut seines Vaters. Die leibliche Mutter darf – nach ihren eigenen Angaben im Prozess – den Jungen nur zwei Stunden in der Woche sehen.

Die Kita-Erzieherinnen sind ihrer Verantwortung für den ihnen anvertrauten Jungen offensichtlich gerecht geworden. Wie die Kita-Leiterin aussagte, ist er schon als Krippenkind in der Einrichtung betreut worden und besuche die Kita noch heute. Ihrer Beobachtung nach liebe er seine Mutter und habe sich immer auf sie gefreut. Die Mutter habe, so die Kita-Leiterin, die Erzieherinnen selbst zweimal auf Verletzungen hingewiesen, als sie den Jungen in die Einrichtung brachte. Im September 2015 seien das Hämatome an Rücken, Arm und Kinn gewesen, die beim „Ausrutschen im Bad“ entstanden sein sollten. Im November 2015 hatten die Erzieherinnen einen Bluterguss am Bein festgestellt. Die Mutter hatte dazu angegeben, dass sich ihr Sohn gekratzt hätte. Kratzspuren fanden die Erzieherinnen indes nicht.

Die Einrichtung suchte zunächst das Gespräch mit der Mutter, konsultierte mit dem Jungen eine Kinderärztin und informierte zudem das Jugendamt. Das wiederum habe Gespräche und Hilfe angeboten. Die Kinderärztin vermochte im September 2015 Verletzungen im Nachhinein nicht mehr eindeutig als Misshandlung einzuordnen, weil diese zu alt gewesen seien. Den Stein ins Rollen brachte schließlich der Kindsvater, der mit seinem Sohn im März 2016 die Kinderklinik aufsuchte. Die informierte das Institut für Rechtsmedizin der Uni-Klinik Magdeburg.

Knut Brandstädter, Facharzt für Rechtsmedizin, dokumentierte die Verletzungen und erstattete dazu sein Gutachten im Prozess. Im Gespräch mit der Volksstimme sagte er in einer Prozesspause, dass er recht oft zu auffälligen und nicht erklärlichen Verletzungen bei Kindern gerufen werde. Die von ihm festgestellten Verletzungen stünden in keinem Zusammenhang mit den elterlichen Erklärungen. „Die Eltern lügen oft,“ so die Einschätzung des Rechtsmediziners. Auf ärztlichen Weiterbildungsveranstaltungen würden er und seine Kollegen immer wieder versuchen, Kinderärzte zu sensibilisieren, damit sie unplausible Verletzungen erkennen und anzeigen können.