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Amtsgericht Schwarzfahrer verwirrt Richter

Wirrwarr am Amtsgericht in Stendal um einen russischen Staatsbürger, der in Deutschland ohne gültige Fahrerlaubnis mehrmals ertappt wird.

Von Wolfgang Biermann 06.01.2021, 23:01

Stendal l Wirrwarr am Amtsgericht in einem Prozess um angebliches Fahren ohne Fahrerlaubnis. „Wir drehen uns hier im Kreis, wenn es so weiter geht, kriegen Sie nie eine deutsche Fahrerlaubnis. Wir wollen Sie hier aber nicht bestrafen“, sagte Amtsrichter Rainer Mählenhoff zum Prozessauftakt zu einem in Stendal lebenden 29-Jährigen, der sowohl die deutsche als auch die russische Staatsbürgerschaft besitzt.

Perfekt macht das Chaos, dass er zudem auch noch einen Wohnsitz in Polen hat. Bis der gordische Knoten durchschlagen war, dauerte es geraume Zeit. Am Ende kam der Angeklagte mit dem sprichwörtlichen blauen Auge davon. Das Verfahren wird gegen Zahlung von 500 Euro ans Stendaler Frauenhaus eingestellt. Was den Prozess so schwierig machte?

Der 29-Jährige ist nach Angaben seines Verteidigers im Besitz einer Fahrerlaubnis – allerdings einer russischen. Seit 15 Jahren lebt er in Deutschland und ist als festangestellter Montagearbeiter tätig. Dafür benötigt er ein Auto und eine gültige Fahrerlaubnis. Das Auto hat er, die Fahrerlaubnis nicht. Die russische bei der Führerscheinstelle einfach umschreiben zu lassen, ist ihm nicht gelungen, weil die von ihm vorgelegten Dokumente in Russisch verfasst waren und eine beglaubigte Übersetzung fehlte. Er setzte sich trotzdem ans Steuer, wurde mehrfach erwischt und bestraft. Zuletzt im April im Hohen Weg unterwegs.

Inzwischen sei die Führerscheinstelle aufgrund des mehrfachen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu der Ansicht gelangt, dass eine Medizinisch-Psychologische Untersuchung (MPU) vonnöten wäre, bevor eventuell eine deutsche Fahrerlaubnis erteilt werden könne, sagte Richter Mählenhoff. Dem Ganzen die Krone aufgesetzt, hat der Versuch des Angeklagten, seine russische in eine polnische Fahrerlaubnis umschreiben zu lassen. Das sei wohl legal, aber schiefgelaufen, weil ein polnischer Kumpel mit dem Geld seines Mandanten durchgebrannt ist, sagte Verteidiger Hartmut Pawlitzki.

Genutzt hätte seinem Mandanten das aber ohnehin nichts. Denn mit der polnischen Fahrerlaubnis dürfte dieser wohl weltweit damit fahren, aber nicht in Deutschland. Das sei nun mal deutsches Recht. „Da wiehert der Amtsschimmel“, so der Verteidiger.

Lange hätte sein Mandant die Rechtslage nicht verstanden, aber jetzt. Er werde sich auch nicht wieder ohne „Pappe“ ans Steuer setzen, zudem sei das Auto verkauft. Und: Der Angeklagte lasse sich zur Arbeit fahren, versicherte der Anwalt. Daraufhin telefonierte Richter Mählenhoff vom Saal aus mit der Führerscheinstelle beim Landkreis und bat um eine nochmalige wohlwollende Überprüfung, „damit der Kreis endlich durchbrochen wird“.