Anliegerbeiträge Die Wut des Anwohners

Der Stendaler Wilfried Günther beschwert sich darüber, dass er als Rentner Anliegerbeiträge zahlen muss

Von Antonius Wollmann 12.06.2019, 01:01

Stendal l Wilfried Günther ist sauer. Und zwar richtig. Seit Monaten schon hat sich seine Wut angestaut. Was die Sachse nicht besser macht: Jeden Tag schaut er auf den Auslöser seines Ärgers. Der liegt nämlich direkt vor seinem Gartentor. Dass er für Sanierung der Georgenstraße über die Anliegerbeiträge zur Kasse gebeten wird, wurmt ihn zutiefst.

Der Rentner fühlt sich schlicht und einfach um seine Lebensleistung betrogen. „Ich habe mit 16 Jahren angefangen im Gleisbau zu arbeiten. Außerdem habe mitgeholfen, die Wische bei Osterburg trocken zu legen. Das waren knüppelharte Arbeiten, die ihren Tribut gefordert haben. Und dann muss man als Rentner noch den Ausbau der Straße zahlen. Ich verstehe das nicht.“ Zwei künstliche Hüften hat er, zwei gebrochene Wirbel machen dem 76-Jährigen tagtäglich zu schaffen. Er ist auf eine Gehhilfe angewiesen.

Wegen ihrer Nähe zum Friedhof gehört die Georgenstraße zu den am meisten befahrenen Straßen in Stendal. Jahrzehntelang wurde ihre Pflege vernachlässigt. Die Pflastersteine stammten noch aus den 1940er Jahren, sagt Armin Fischbach, Mitarbeiter der Pressestelle der Stadt Stendal. Die Gehwege seien zuletzt vor der Wende erneuert worden.

Die Stadt sah dringenden Handlungsbedarf und entschied sich für eine grundlegende Erneuerung. Ein neuer Schmutzwasserkanal entstand genauso wie moderne Hausanschlüsse. Die Stadt Stendal sanierte außerdem die Fahrbahn, den Gehweg mit einigen Grünflächen und die Straßenbeleuchtung. Eine Regenwasserkanalisation wurde erstmalig hergestellt.

Wie üblich erhebt die Stadt bei diesem Projekt Straßenausbaubeiträge. Eine andere Wahl hat sie nicht. Das Kommunalabgabengesetz des Landes lässt keinerlei Schlupflöcher zu. „Ich kann das niemandem ersparen. Die Rechtslage ist eindeutig“, sagt Oberbürgermeister Klaus Schmotz. „Es ist klar, dass nicht jeder damit glücklich ist. Aber das muss man leider hinnehmen“, ergänzt das Stadtoberhaupt.

Von der derzeit viel diskutierten Abschaffung der Gebühr hält Schmotz ebenso wenig. Für die Finanzierung wichtiger Bauvorhaben seien die Straßenausbaubeiträge unerlässlich. „Sie bilden neben dem Eigenanteil der Kommunen und den Zuschüssen vom Land die dritte Säule bei Straßensanierungen. Es ist nicht klar, wer beim Wegfall dafür einspringt“, verteidigt der Oberbürgermeister die Abgabe.

Dass es bei der Erhebung Potential zu Nachbesserungen gibt, sieht Klaus Schmotz allerdings ein. Er könne sich vorstellen, dass nur noch jener Teil der Grundstück zur Berechnung der Summen zu Rate gezogen wird, der tatsächlich an einer Straße angrenzt.

Die Höhe der fälligen Summe hängt momentan von der Größe des gesamten Grundstücks ab. Die Anlieger der Georgenstraße müssen zwischen 1000 und 8700 Euro zahlen. Insgesamt steuern sie um die 186  550 Euro bei. Der genaue Betrag stehe noch nicht fest, sagt Armjin Fischbach Fischbach.

Welche Summe für ihn fällig wird, möchte Wilfried Günther nicht verraten. Ihm gehe es vielmehr ums Prinzip. Deshalb hält er wenig von etwaigen Kompromisslösungen, die die Stadt anbietet. Es sei möglich, die Zahlungen zu stunden und in Raten zu zahlen, wenn diese eine erhebliche Härte für den Betroffenen darstellen würden.

Beim Rentner stößt diese Möglichkeit auf taube Ohren. Er beklagt, dass in diesem Falle Zinsen anfallen würden. Dass derzeit in der Kenia-Koaltion heftig über die Abschaffung der Beiträge gestritten wird, hilft ihm ebenfalls nicht. Noch blockiert die CDU und rückwirkend wird eine Erstattung kaum möglich sein. So ungerecht sich das für ihn auch anfühlt.