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Aus dem Gericht Darf Polizeiaussage verwertet werden?

Vorm Amtsgericht Stendal geht es um Trunkenheit am Steuer, Fahrerflucht und die Frage, ob die Aussage der Polizei verwertet werden darf.

Von Wolfgang Biermann 01.11.2017, 14:59

Stendal l Vor einer recht schwierigen Aufgabe steht das Amtsgericht in Stendal. Dabei scheint der Sachverhalt an sich einfach: Ein gerichtsbekannter 31-Jähriger aus einem Ort der Verbandsgemeinde Arneburg-Goldbeck soll am Morgen des 2. April 2017 betrunken mit einem Pkw ohne Kennzeichen auf der Kreisstraße zwischen Lindtorf und Baben mit einem Baum kollidiert sein. Das Auto kam auf der gegenüberliegenden Straßenseite in einem Graben zum Stehen. Der Angeklagte, der nicht im Besitz einer Fahrerlaubnis ist, soll vom Unfallort geflüchtet sein.

All das hat er vor zwei Polizeibeamten, die von einem anderen Autofahrer über den Unfall informiert wurden, auch zugegeben. Die Polizisten hatten ihn – zu Fuß herumirrend – zwischen Goldbeck und Baaben aufgegriffen. Knackpunkt des Ganzen: Die Polizisten haben ihn nicht umgehend als Beschuldigten über seine Rechte belehrt. Das monierte die Verteidigerin beim Prozessauftakt. „Beweisverwertungsverbot“ – und zwar für die gesamte Aussage der Polizeibeamten im Prozess.

Staatsanwalt und Richter gehen aber damit nicht konform. So sieht der Staatsanwalt ein Beweisverwertungsverbot nur bis zur Belehrung des Angeklagten. Denn laut Aussage der Polizisten hat der Angeklagte auch nach der Belehrung auf der Fahrt zur Blutprobenentnahme im Krankenhaus, die 1,9 Promille ergab, mehrfach die Tat zugeben: „Ich habe Scheiß gebaut; ich wollte eine Spritztour nach Stendal machen...“ Die Beamten gaben an, den Angeklagten „aus polizeitaktischen Gründen“ erst später belehrt zu haben, weil sie fürchteten, dass er sonst flüchten würde.

Für den 31-Jährigen geht es um viel. Denn nach eigenen Angaben stand er nach einer Verurteilung wegen Trunkenheit im Verkehr im Jahr 2014, die ihn die Fahrerlaubnis kostete, kurz vor der Zulassung zur Medizinisch-Psychologischen Untersuchung (MPU), volkstümlich „Idiotentest“ genannt. Vor Gericht gibt er an, sich „nur bruchstückhaft“ an den Tattag zu erinnern.

Gefahren sei er keinesfalls. Vielmehr habe er in Familie am Abend zuvor seinen Geburtstag gefeiert. Er sei in der Garage, dem Ort der Feier, eingeschlafen. Als er wieder aufgewacht sei, wäre sein vor der Garage befindliches Auto, ein grüner Opel älteren Baujahres, weg gewesen. Er will die Polizei per Telefon informiert und sich auf die Suche begeben haben. Dabei hätten ihn die Polizisten auf der Straße aufgelesen.

In einem „offenen Wort“ bat der Richter den Angeklagten und seine Verteidigerin, noch einmal in sich zu gehen. Nach der Bedenkpause sagte der 31-Jährige: „Ich kann nichts zugeben, an das ich mich nicht erinnern kann.“ Der Prozess wird fortgesetzt.