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Aus dem Gericht Wegen drei Bier vor dem Richter

Das Stendaler Amtsgericht hat das Verfahren gegen einen 49-Jährigen eingestellt. Er war wegen Diebstahls angeklagt.

Von Wolfgang Biermann 01.12.2017, 14:04

Stendal l Mit dem sprichwörtlichen blauen Auge ist in dieser Woche ein vielfach vorbestrafter Stendaler davon gekommen. Das Verfahren gegen den 49-Jährigen wegen Ladendiebstahls wurde eingestellt, dafür die Bewährungszeit aus einem anderen Verfahren von zwei auf drei Jahre verlängert.

Der Angeklagte war am 12. Juli in einem Einkaufsmarkt in der Moltkestraße mit drei Flaschen Bier erwischt worden, die er an der Kasse ohne Bezahlung in seinen Hosentaschen vorbeigeschleust hatte. Wert: 1,41 Euro.

Dabei war er erst am 21. Juni, also genau drei Wochen zuvor, ebenfalls wegen Diebstahls vom Amtsgericht zu besagter halbjähriger Haftstrafe verurteilt worden, die der Richter für zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt hatte. Die Staatsanwältin redete dem Angeklagten, der offen zugab, dass er ein Alkoholproblem hat, ins Gewissen. „Warum machen Sie so was? Ich will niemanden für 1,41 Euro einsperren. Warum setzen Sie für drei Bier sechs Monate Gefängnis aufs Spiel?“, wollte sie wissen. „Da war die Sucht wohl stärker“, sagte der 49-Jährige mit gesenktem Kopf.

Aber der Angeklagte gelobte Besserung und zeigte sich reumütig. Er habe sich „dolle geändert“. Er sei inzwischen aus Stendal verzogen, weg von den alten Kumpels und hätte jetzt zudem eine Freundin. Und er hätte aus eigenem Antrieb vor etwa vier Wochen die Suchtberatung aufgesucht, um sein Alkoholproblem in den Griff zu bekommen.

Das konnte er auch mit einem Schreiben der Beratungsstelle belegen. Derzeit warte er auf die Genehmigung einer stationären Therapie. Auf die Frage, wie es denn zurzeit mit seinem Alkoholkonsum stehe, antwortete der Angeklagte, dass er jetzt „wenig“ trinken würde. Und wenn, dann nur Bier und keinen Schnaps mehr. „Wenn Sie nicht abhängig wären, gebe es das Alles nicht“, sagte Richter Thomas Schulz, der offensichtlich nicht an Einsicht und Besserung glaubte.

Er spielte damit auf die 27 Einträge im Strafregister des Angeklagten an. Davon seien allein 22 wegen Diebstahls, hielt die Staatsanwältin dem 49-Jährigen vor. Gleichwohl zeigten sich Staatsanwältin und Richter geneigt, dem Angeklagten noch mal eine Chance zu geben.

Aber: „Bei der nächsten geklauten Flasche Bier fahren Sie ab!“, bekam der Angeklagte von der Staatsanwältin noch mit auf den Weg.

Eine Zeugin, die den Diebstahl beobachtet und eigens für die Verhandlung Urlaub genommen hatte, konnte das Gericht ohne Aussage verlassen. Weil sich der Angeklagte geständig gezeigt hatte, war ihre Aussage nicht vonnöten.