1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Stendal
  6. >
  7. Von den USA in die Altmark

Austausch Von den USA in die Altmark

Mit 18 Jahren ein Jahr ins Ausland? Ein Amerikaner hat es gewagt. Seit September 2019 lebt John Paulo Tuano in der Altmark.

Von Mike Kahnert 21.02.2020, 00:01

Stendal/Osterburg l „Wie kommt man auf die Altmark?“, fragt Marcus Faber (FDP) seinen Schützling. „Patenkinder haben keine Wahl, wo sie wohnen“, antwortet ihm John Paulo Tuano aus den USA. Für ein Jahr lebt der 18-Jährige in der Altmark – genauer gesagt in Osterburg. Am Dienstag lernte Paulo zum ersten Mal in Stendal seinen Patenonkel kennen.

Während Faber und Paulo miteinander sprechen, hat der US-Amerikaner immer ein Lächeln auf den Lippen. Er wirkt gut gelaunt und locker. Gelegentlich zieht er eine Grimasse. Besonders, wenn es um typisch deutsches Essen geht: Brot. „Jeden Tag essen wir Brot“, sagt er mit einem leidenden Gesichtsausdruck und schaut direkt danach entschuldigend zu seiner Gastmutter Romy Fischer. Paulos Eltern kommen von den Philippinen. Das heißt, bei ihm zu Hause steht sonst täglich Reis auf dem Speiseplan. Immerhin – ein typisch deutsches Gericht schmeckt Paulo besonders gut: Döner.

Das Parlamentarische Patenschafts-Programm (PPP, siehe Infokasten) des Bundestages hat Paulos Reise nach Deutschland ermöglicht. Seit September ist er in Deutschland und seit November lebt er in Osterburg. Dort besucht er die 11. Klasse auf dem Markgraf-Albrecht-Gymnasium.

Marcus Faber ist von den Sprachkenntnissen des 18-Jährigen überrascht, der sich bemüht, alle Fragen auf Deutsch zu beantworten. Im Juli 2019 wusste Paulo noch kein Wort Deutsch. Er erhielt lediglich einen Sprachkurs in Hamburg, der einen Monat dauerte. Neben Englisch, Französisch und Tagalog, der am weitesten verbreiteten Sprache auf den Philippinen, ist Deutsch seine vierte Sprache.

Von Deutschland ist Paulo begeistert. Von der Altmark weniger. „Was magst du an Osterburg am liebsten?“, wird der US-Amerikaner gefragt. „Den Bahnhof“, sagt der Schüler. Er war bereits sechs Mal in Berlin. München hat er auch besucht. Andere große Städte wie Frankfurt am Main, Stuttgart oder Köln sollen noch folgen.

Seine Gastmutter nimmt ihm die Reiselust nicht übel. Die ersten zwei Monate war er in Rohrbeck. Die Gastfamilie dort hat Romy Fischer gefragt, ob sie den Jungen nicht aufnehmen wolle. Er solle lieber in einer kleinen Stadt leben als auf dem Dorf. Und mit dem Bahnhof sei er wenigstens mobil, sagt die Osterburgerin.

Mit kleinen Städten kennt sich der US-Amerikaner aus. Er kommt aus Palm Ridge. Ein kleiner Ort mit 5000 Einwohnern bei New York. Osterburg hat immerhin mehr als 11.000 Einwohner.

Bevor Paulo nach Deutschland kam, hat er zwei Dinge erwartet – dass Deutsche viel Bier trinken und viel Wurst essen. Zumindest ersteres hat sich seiner Meinung nach bestätigt. Wieder zieht er eine Grimasse. „Partys mit ganz viel Bier“, sagt er und erinnert sich an eine Feier, über die er nicht weiter ins Detail gehen möchte.

Auf solchen Partys kam er nicht nur mit Alkohol, sondern auch mit deutscher Partymusik in Kontakt. „Er kennt schon Helene Fischer“, sagt seine Gastmutter. Wieder eine Grimasse von Paulo. Ein langgezogenes „Ja“ folgt. Es werde nicht seine Lieblingsmusik.

Die Gastfamilie selbst sei ein großes Plus, sagt Paulo. Romy Fischer ist auch glücklich über ihren Gastsohn. Sie hat selbst zwei Söhne im Alter von zehn und sechs Jahren, die Paulo schon als großen Bruder sehen. „Wenn er ein Wochenende nicht da ist, fragen sie schon wo Paulo ist“, sagt sie.

Vielleicht war die Familie Fischer für den 18-Jährigen ja Schicksal. Seine leibliche Mutter heißt ebenfalls Romy und sogar die Namen der Väter ähneln sich. Der Gastvater heißt René — der Vater in den USA heißt Rainier, was „Renjé“ ausgesprochen wird.

Doch nicht nur das Patenkind lernt Neues dazu. „Was Paulo manchmal für Fragen hat“, sagt Romy Fischer verwundert. Wann wird „Den“ und wann wird „Dem“ angewandt? Sie müsse dafür selber noch einmal ihre Deutschkenntnisse auffrischen.

Ob Paulo sich nochmal für ein Jahr Deutschland bewerben würde, weiß er nicht. Marcus Faber zieht deshalb für Paulo ein Fazit und scherzt: „Wenn nach Deutschland, dann nur in eine Stadt mit Bahnhof.“