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Baukultur "Regionaltypisch bauen lohnt sich"

Der renommierte Architekt Johannes Kottjé hat Tipps, wie man Häuser baut, die in die Region Altmark passen.

Von Barbara Hallmann 17.01.2018, 23:01

Altmark l Wer sich in der Altmark den Traum vom eigenen Haus verwirklichen möchte, sollte auf regional orientierte Architektur setzen, rät Autor Johannes Kottjé. Seit einigen Jahren wird auch in den romantischen Dörfern und Städtchen der Altmark wieder mehr neu gebaut – so manche Familie macht aus dem Traum von den eigenen vier Wänden Wirklichkeit. Wer beim Bauen auf regionale Besonderheiten achtet, profitiert langfristig und tut außerdem der Gegend Gutes.

Volksstimme: Sie raten mit Ihrem Buch „Moderne Häuser in regionaler Tradition“ dazu, sich beim Neubau von Häusern an den örtlichen Bautraditionen zu orientieren. Warum?

Johannes Kottjé: Wenn es gut gemacht ist, dann bietet ein solches Haus über Jahre viele Vorteile: Es entspricht den sich wandelnden Bedürfnissen derer, die es bewohnen. Und es entspricht gut der Region, denn es hilft, ein harmonisches Ortsbild zu bewahren – und zwar ohne altbacken zu sein. Jeder findet es schön, in einem Dorf zu leben, das stimmig ist, nicht nur menschlich, sondern auch baulich. Wer sich ein Haus baut, sucht sich einen Ort aus, weil er ihm gefällt. Da liegt doch nichts näher, als diesen Charme, der ganz stark von den Bautraditionen geprägt ist, auch zu erhalten.

Aber ich kann mir doch einfach auch ein Haus aus dem Katalog aussuchen, oder? Ich weiß doch, wie man bei mir in der Gegend baut. Und über mein Traumhaus habe ich mir auch viele Gedanken gemacht.

Die meisten Anbieter von klassischen Einfamilienhäusern kümmern sich nicht um regionale Bautraditionen, sondern verkaufen in ganz Deutschland die gleichen Häuser. Das ist auch klar, denn für sie ist das wirtschaftlich weit interessanter – ein gleiches Produkt für viele Käufer. Dann steht am Ende im Dorf ein Kataloghaus neben dem anderen. Ich kann Ihnen versichern: Das senkt den Wert der einzelnen Immobilien. In intakten, harmonischen Strukturen haben Immobilien langfristig einen höheren Wert, das belegen die Erfahrungen ganz klar. Sich für ein individuell geplantes Haus in regionaler Tradition zu entscheiden, ist für den Wert der Immobilie über die Jahre die bessere Entscheidung. Es gibt zwar auch Fertighausanbieter, die individuell planen, aber die sind nicht günstiger als ein Architekt und regionale Baufirmen.

Und wenn mein Budget ganz klare Grenzen hat, dann kann ich doch nur auf ein „Haus von der Stange“ setzen?

Das ist ein weit verbreitetes Vorurteil, das aber – wenn alles richtig läuft – nicht stimmt. Auch bei einem „Haus von der Stange“ zahlt man Planungskosten, aber die sind einfach im Gesamtpreis versteckt. Sobald man etwas ändern möchte, wird es teurer. Das muss noch nicht einmal der Grundriss sein, da reicht schon der Wunsch nach mehr Steckdosen. Die Firmen verschenken nichts. Wer beispielsweise ein Haus in Baden-Württemberg produziert und in die Altmark transportiert, der kann nicht günstiger sein, als wenn das Haus vor Ort geplant und gebaut wird. Jede Bauherrschaft muss immer auch rechnen: Was bekomme ich wirklich für mein Geld? Ein einfaches Beispiel: Im Katalog ist vielleicht ein Kleinwagen ohne Klimaanlage aufgeführt, der ist dann natürlich unschlagbar günstig. Hätte ich das Produkt gern etwas leistungsstärker und mit etwas mehr Komfort, dann geht das plötzlich ins Geld.

Aber dann habe ich wenigstens eine einzelne Firma, bei der ich mich beschweren kann.

Auch ein Architekt vor Ort ist ein guter Partner, der allein der Bauherrschaft verpflichtet ist und der die Verhandlungen mit den Handwerkern übernimmt. Er geht von vornherein auf spezielle Wünsche und auf die Besonderheiten des Grundstücks ein und zwar ohne Extrakosten. Er kennt die Baufirmen vor Ort und die Qualität, die sie liefern. Wenn alles gut läuft, dann wird das kostengünstiger sein als ein gleichwertiges Haus von einem großen Anbieter. Auch bei Bauschäden hat man mit einem Architekten weit bessere Karten, das erlebe ich in meiner Tätigkeit als Sachverständiger regelmäßig. Große Anbieter sind dann oft nicht zu erreichen oder die Firma wurde aufgelöst.

Aber ich weiß doch selbst am besten, was ich brauche. Im Prinzip kann ich mir doch mein Traumhaus selbst aufzeichnen und mir dann einen Planer suchen, der den Bauantrag stellt.

Dann fehlt Ihnen spätestens bei der Bauausführung die Instanz der Überwachung. Bei Schäden steht man allein da – dann wiegt das vermeintlich gesparte Geld den Ärger und oft auch die Kosten nicht auf. Ein guter Architekt hat viel mehr Kenntnisse darin, wie Räume idealerweise zueinander liegen und wie groß sie sein sollten, auch damit man nicht zu viel Geld für etwas ausgibt, das man eigentlich nicht braucht.

Natürlich haben wir alle Wünsche, Vorstellungen und Ideen. Aber die dann optimal in Räume umzusetzen – darin überschätzen sich Laien häufig. Architekten studieren mehrere Jahre und müssen auch erst eine ganze Zeit lang angestellt arbeiten, bevor sie eigene Entwürfe umsetzen dürfen.

Wozu raten Sie also konkret, wenn ich ein Grundstück habe und mit den Planungen loslegen will?

Suchen Sie nach einem Architekten, der sich auf regionaltypisches Bauen versteht. Schauen Sie, was er bisher gemacht hat, unterhalten Sie sich mit dem- oder derjenigen. Kann er oder sie mit der Frage nach einer regionalen Baukultur etwas anfangen? Wie geht er auf Ihren Wunsch ein, das Haus solle gut ins Dorf passen? Es gibt auch viele Planer, die am Ende doch nur Kataloghäuser entwerfen. Die beiden wichtigsten Kriterien für regionaltypische Bauten sind zum einen die Materialien und zum anderen Maßstab und Proportionen. Vor allem daran würde ein Laie schnell scheitern.

Wenn Sie in der näheren Umgebung niemanden finden, dann kann es auch jemand von weiter weg sein. In meinem Buch findet sich zum Beispiel ein Haus auf dem Darß – geplant von Berliner Architekten. Ein guter Architekt kann sich schnell in die regionale Bautradition einarbeiten, auch wenn er die Gegend nicht kennt.