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Bergmann-Austritt Sozialdemokrat außerhalb der SPD

Nach über 30 Jahren ist der ehemalige Landtagsabgeordnete Ralf Bergmann aus Hohenberg-Krusemark aus der SPD ausgetreten.

Von Thomas Pusch 16.09.2017, 01:01

Hohenberg-Krusemark l Zunächst einmal möchte Ralf Bergmann außerhalb des Protokolls sprechen. Klar, es geht um Politik, den Wahlkampf, die Chancen, aber auch um Fußball, seinen Lieblingsverein Borussia Dortmund und dessen Aussichten in der Champions League. Dann wird es aber ernst und er kommt auf die Gründe seines Austritts aus der SPD zu sprechen.

„Ich habe mich über Trümper geärgert, er hat uns als Fraktion und als SPD geschadet“, kommt er gleich auf den Punkt, den Rücktrittsgrund. Mitte Oktober 2015 war der Magdeburger Oberbürgermeister Lutz Trümper gleichfalls aus der Partei ausgetreten. Seine Begründung damals: Er wolle der Partei nicht schaden, aber sich auch nicht den Mund verbieten lassen. Trümper hatte Aussagen der Spitzenkandidatin Katrin Budde zur Flüchtlingspolitik kritisiert. Am 13. März 2016 wurde gewählt, die SPD stürzte auf 10,6 Prozent ab, musste einen Verlust von 10,9 Prozentpunkten hinnehmen. Ende Juni dieses Jahres war Trümper dann wieder in die Partei eingetreten. Das war der Auslöser für Bergmann: „Mit solchen Leuten will ich nicht in einer Partei sein“, stellt er klar. Die Stimmung vor der Wahl sei schon schlecht gewesen, mittenrein sei dann Trümpers Austritt gekommen. Das sei ein sehr unsolidarisches Verhalten gewesen. „Und Solidarität gehört zu den wichtigsten Eigenschaften eines Sozialdemokraten“, betont Bergmann.

Der Absturz seiner Partei bedeutete auch, dass Bergmann nach zwei Legislaturperioden nicht wieder in den Landtag einziehen konnte, zumal die CDU das Direktmandat holte. Mittlerweile ist er seit eineinhalb Jahren aus der Politik raus, wollte aus seinem Austritt auch keine öffentliche Angelegenheit machen. Da er aber doch an die Öffentlichkeit gelangt ist, will er sich erklären. Ganz wichtig ist Bergmann, „dass ich ein guter Sozialdemokrat außerhalb der SPD bin“. Er suche auch überhaupt keine neue politische Heimat. Mit seinem Handeln habe er nur eine klare Linie zeigen wollen.

Denn Trümpers Verhalten verursacht bei ihm immer noch Kopfschütteln – „Wenn man mit der Fraktionsvorsitzenden über Kreuz liegt, kann man doch zur Fraktion kommen“ – und macht ihn noch immer betroffen: „Budde war geschockt, alle waren geschockt, ich auch“. Man hätte sicherlich einen Weg zueinander finden können, manche hätten gesagt, dass Trümper eher in die CDU gehöre, andere hätten ihn sogar in der Nähe der AfD gesehen. Nicht aber Bergmann: „Ich gehe davon aus, dass Trümper Sozialde-mokrat sein und bleiben wollte“.

So wie er selbst eben auch, der bekräftigt, dass er am 24. September natürlich SPD wählen wird, was denn sonst. Aber er liebt es auch, Klartext zu reden. „Es gibt 1000 Dinge in der SPD, die ich in Sachsen-Anhalt scheiße finde, aber das ändert doch meine Überzeugung nicht“. Martin Schulz hält er für den richtigen Kanzlerkandidaten, zumal mit seiner Europa-Erfahrung und weil eben „vieles, was wir für Wohlstand halten und als gegeben hinnehmen Europa zu verdanken ist“. Bergmann macht aber auch kein Hehl daraus, großer Fan von Sigmar Gabriel. Der habe jeden Job in der Bundesregierung sehr gut gemacht, ob als Umwelt-, Wirtschafts- oder Außenminister. Andererseits sei er einer großen Mehrheit nicht vermittelbar, „weil er auch Klartext redet“.

Während Bergmann über sozialdemokratische Politik und die Bundestagswahl leidenschaftlich redet, wandern seine Gedanken wieder zurück an den Tag, an dem er zusammen mit zwei anderen Mitgliedern des Hohenberg-Krusemarker Ortsvereins seine Austrittserklärung an die SPD-Geschäftsstelle nach Magdeburg schickte. „Es ist gut möglich, dass ich mir die Bedeutung in diesem Moment gar nicht so vor Augen geführt habe“, überlegt er. Vielleicht würden sich manche freuen, andere vielleicht jetzt erst recht SPD wählen.

Mit dem Austritt endete eine über 30-jährige Geschichte als SPD-Mitglied, die mit seinem Eintritt 1985 in seiner Heimatstadt Dortmund begann. Wie eng die Beziehung zur Partei ist, merkt man nicht nur daran, dass Bergmann manchmal von „wir“ spricht. Er hat sich auch die Mühe gemacht, einmal aufzuschreiben, welche Funktionen er in der SPD im Laufe der Jahre innehatte.

Er war Ortsvereinsvorsitzender in Dortmund, dann in Hohenberg-Krusemark, wo er auch das Amt des Bürgermeisters bekleidete. Zwei Legislaturperioden saß er für die Sozialdemokraten im Kreistag und im Landtag. Über 100 Jahre in der Politik seien dabei zusammengekommen. „Ich habe immer gesagt, dass ich keine Politik mehr mache, wenn ich 60 bin“, erklärt er. Die fehlenden fünf Jahre hätte der 55-Jährige auch noch gerne gemacht, aber grundsätzlich sollten Politiker ab einem bestimmten Zeitpunkt den Jüngeren das Feld überlassen.

Mit Jüngeren kommt er zusammen, wenn er in seiner Firma, der Stadt und Land Planungsgesellschaft Studenten beschäftigt, außerdem hat der Biologe auch einen Lehrauftrag an der Hochschule Anhalt in Bernburg. „Das macht total Spaß“, bekennt er. Die Planer haben Aufträge nicht nur aus Sachsen-Anhalt, sondern auch aus Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen, Thüringen, Niedersachsen und Hessen. „Ich bedaure, dass derzeit wenig klassische Umweltpolitik gemacht wird, im Landtag gar nicht mehr“, spannt Bergmann den Bogen zurück zur Politik.

Dass er der SPD den Rücken gekehrt hat, hält er im Übrigen nicht für eine endgültige Entscheidung. „Ich kann mir sehr wohl vorstellen, wieder in die Partei einzutreten“, hält er sich diesen Weg offen. Was dafür geschehen müsste. Bergmann wiegt seinen Kopf, denkt einen Moment nach. „Dass Trümper wieder austritt“, meint er schmunzelnd, „aber den Gefallen tut er mir nicht.“